Werkvertragsrecht: Bauherr kündigt: Keine Abnahme mehr erforderlich

Wird ein Werkunternehmer (dazu gehören auch alle Planungsbüros, denn sie sind Werkunternehmer im Sinne des Werkvertragsrechts) gekündigt, und bringt der Bauherr unmissverständlich zum Ausdruck, dass er eine Nachbesserung etwaiger Mängel ablehnt, ist auch keine Abnahme mehr erforderlich. Damit wird die kündigungsbedingte Vergütung des Werkunternehmers auch ohne Abnahme fällig.

So lautet eine Entscheidung des Kammergerichts (KG).

Begründung: Bei jeder anderen Auslegung könnte der Bauherr durch seine Verweigerungshaltung die Fälligkeit der restlichen Vergütung dauerhaft willkürlich verhindern. Das ist aber nicht im Sinne des Gesetzgebers. (KG, Urteil vom 21.7.2018, 21 O 152/17)

Prozessrecht: Gerichte müssen Privatgutachten würdigen

Auch einer Partei, die ein Privatgutachten vorlegt, steht rechtliches Gehör zu. Ein Privatgutachter muss vom Gericht angehört werden, wenn sich das Gericht bei der Beweiswürdigung mit seinen schriftlichen Feststellungen befasst und ein eigenes Gerichtsgutachten dazu eingeholt hat.

Das bedeutet nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt a. M., dass die Partei, die das Privatgutachten vorlegt, darauf bestehen kann, dass der Privatgutachter vor Gericht sein Gutachten mündlich erläutern darf. Im vorliegenden Fall ging es um Mängel bei Naturwerksteinarbeiten. Der gerichtliche Sachverständige hatte sein Gutachten vorgelegt, der Architekt ein Privatgutachten dagegen gesetzt. Die Gutachten widersprachen sich teilweise. Das Urteil des OLG hat zur Folge, dass der Rechtsanwalt des Planers den Privatgutachter als Zeugen benennen darf. (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.5.2018, 13 U 20/17)

Honorarsicherung: Auch Planer dürfen Sicherheit verlangen

Auch Planer können für ihre Honorarforderungen eine Bauhandwerkersicherung verlangen. Der Auftraggeber kann das nicht verhindern, indem er z. B. eine unvollständige Leistungserbringung, die Überschreitung einer Baukostengrenze oder die fehlende Abnahme einwendet.

Diese Einwände sind im Prozess über die Bauhandwerkersicherung nach Auffassung des Landgerichts (LG) Dortmund unerheblich.

Die Entscheidung ist zwar noch nicht rechtskräftig. Man kann aber davon ausgehen, dass die nächste Instanz das ähnlich sieht. Die Höhe der Sicherheit, die verlangt werden kann, richtet sich übrigens nach dem möglichen Schaden, der ohne Sicherheit entstehen kann. Bezugsgröße sind auch die Prozesskosten zur Rückerlangung einer pflichtwidrig nicht zurückgegebenen Sicherheit sowie etwaige Avalzinsen. (LG Dortmund, Urteil vom 1.8.2018, 5 O 71/18)

Altlasten: Verdacht aufgrund früherer Nutzung genügt für Sachmangel

Begründet die frühere Nutzung eines Grundstücks einen Altlastenverdacht, hat das Grundstück einen Sachmangel. Weitere Umstände müssen nicht hinzutreten. Insbesondere bedarf es für die Annahme eines Sachmangels keiner zusätzlichen Tatsachen, die auf das Vorhandensein von Altlasten hindeuten.

Das folgt aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH). Die Richter entschieden zudem, dass ein Verkäufer objektiv arglistig handelt, wenn er eine ihm bekannte frühere Nutzung des Grundstücks, die einen Altlastenverdacht begründet, verschweigt. Bezogen auf den subjektiven Tatbestand der Arglist hält der Verkäufer einen Sachmangel mindestens für möglich, wenn er die frühere Nutzung des Grundstücks kannte und es zumindest für möglich hielt, dass diese einen Altlastenverdacht begründet. Auch insoweit müssen keine konkreten – dem Verkäufer bekannten – Tatsachen hinzutreten, die den Altlastenverdacht erhärten. (BGH, Urteil vom 21.7.2017, V ZR 250/15)

Geräuschimmissionen: Traditionelles Glockengeläut muss geduldet werden

Glockengeläut in angemessen zeitlichen Abständen ist von Nachbarn hinzunehmen, so jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe.

Im Ortsteil Maleck der Stadt Emmendingen hat das Glockengeläut der Gemeinde eine seit Jahrzehnten bestehende Tradition. Werktags schlägt die Glocke um 11 Uhr und um 19 Uhr. Zudem wird einmal im Monat sonntags und an Weihnachten nachmittags zum Gottesdienst geläutet.

Als Ersatz für eine Glocke auf dem früheren Rathaus des Dorfs Maleck errichtete die Stadt Emmendingen nach einer Baugenehmigung vom November 2014 auf dem Grundstück des Gemeindehauses einen frei stehenden, offenen Glockenturm. Die Kläger sind Eigentümer eines unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstücks. Sie verlangen die Lautstärke des Glockengeläuts so zu reduzieren, dass auf ihrem Grundstück Geräusche von nicht mehr als 60 dB (A), bezogen auf den allgemein gültigen Beurteilungspegel, zu hören sind.

Das Landgericht Freiburg im Breisgau hat ein schalltechnisches Gutachten eingeholt und die Klage daraufhin abgewiesen. Hiergegen haben sich die Kläger mit ihrer Berufung gerichtet. Das OLG Karlsruhe hat nun die Entscheidung des Landgerichts bestätigt und die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die von dem Glockenturm ausgehenden Geräuschimmissionen von nur zwei Mal am Tag und für jeweils nur zweieinhalb Minuten seien unwesentlich und daher zu dulden. Nach den Messungen des Sachverständigen überschreite das Glockengeläut zwar den nach den Grenzwerten der TA Lärm in einem Dorfgebiet zulässigen Beurteilungspegel, nicht dagegen den in einem Dorfgebiet zulässigen Spitzenpegel. Letzterer sei bei der Beurteilung von Glockengeläut ausschlaggebend. (OLG Karlsruhe, Urteil vom 3.8.2018, 4 U 17/18)

Gebäudenutzung: Einzelzimmervermietung in Einfamilienhaus verstößt nicht gegen Nachbarschaftsrechte

Werden einzelne Zimmer eines Einfamilienhauses zur Wohnnutzung an mehrere Personen vermietet, verstößt dies – auch in einem reinen Wohngebiet – nicht gegen Nachbarschaftsrechte.

Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Trier entschieden. Dem Rechtsstreit lag die Klage eines Nachbarn gegen die Stadt Trier zugrunde. Er wollte, dass die Bauaufsicht der Stadt gegen die Nutzung des unmittelbar benachbarten Einfamilienhauses einschreitet. Beide Anwesen liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der das Gebiet als reines Wohngebiet ausweist. Nachdem das Nachbarhaus eine Zeit lang leer gestanden hatte, hatte es der Eigentümer so umgebaut, dass es für mehrere Personen bewohnbar war. Das Einfamilienhaus wird derzeit an mindestens elf Personen (hauptsächlich Studenten) vermietet und von ihnen bewohnt. Der Kläger sah hierin eine im reinen Wohngebiet nicht zulässige gewerbliche Zimmervermietung. Dies bringe Unruhe in das Wohngebiet. Es sei für die Nachbarn nicht zumutbar. Die beklagte Stadt vertrat demgegenüber die Ansicht, dass die Nutzung rechtmäßig sei. Sie müsse daher nicht einschreiten.

Die Richter am VG wiesen die Klage ab. Sie führten zur Begründung aus, dass es ohne Weiteres zulässig sei, wenn ein Wohngebäude in einem reinen Wohngebiet von bis zu 12 Mietern genutzt werde. Dies zeige bereits ein Vergleich mit normalen Studentenwohnheimen. Diese seien in reinen Wohngebieten zulässig, da es sich um Wohnnutzung handele. Nicht gefolgt werden könne der Auffassung des Klägers, dass es sich vorliegend um einen kleinen Beherbergungsbetrieb handele. Die auf längere Zeit angelegte Vermietung an Studenten/Einzelpersonen sei nicht mit einer gewerblichen täglichen Zimmervermietung gleichzusetzen. Die Nutzung des Nachbargebäudes von bis zu zwölf Einzelmietern sei auch nicht gegenüber den Nachbarn rücksichtslos. Bereits die gesetzgeberische Wertung, dass ein Studentenwohnheim neben Einfamilienhäusern in reinen Wohngebieten ohne Weiteres zulässig sei, zeige, dass die hierdurch von einer Mehrzahl von Bewohnern verursachten Einwirkungen auf das nachbarliche Umfeld als sozialadäquat hinzunehmen seien. Der vermehrte Anfall von Hausmüll, das Abstellen gelber Säcke auf dem Grundstück, ein erhöhtes Aufkommen von Autoverkehr und vermehrtes Feiern seien auch in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, die Nachbarschaft unzumutbar und rücksichtslos zu beeinträchtigen. Sofern es in Einzelfällen zu „Exzessen“ kommen sollte, müsse dem durch ordnungsbehördliche Maßnahmen begegnet werden. (VG Trier, Urteil vom 15.6.2016, 5 K 394/16)

Bauüberwachung: Wie oft muss die Bauüberwachung vor Ort sein?

Wie häufig muss die Bauüberwachung auf der Baustelle sein? Diese Frage erhitzt seit Jahren die Gemüter.

Es gibt weder in der HOAI noch in der Rechtsprechung konkrete Angaben, wie oft (bei welcher Projektgröße oder welcher Projektkomplexität) die Bauüberwachung auf der Baustelle anwesend sein muss. Die Rechtsprechung hat lediglich festgestellt, dass sich die Intensität der Bauüberwachung nach den fachtechnischen Anforderungen und der Zuverlässigkeit der ausführenden Unternehmen richtet. Das bedeutet im Ergebnis, dass der Auftraggeber eine Mindestpräsenz auf der Baustelle nur verlangen kann, wenn

  • dies im Vertrag konkret vereinbart wurde oder
  • es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Anwesenheit nicht reicht, um eine möglichst mangelfreie Bauausführung zu gewährleisten.

Wichtig: Die Rechtsprechung hat sich bisher auch nicht explizit dazu geäußert, ob die Bauüberwachung das Entstehen von Mängeln verhindern muss, oder ob sie Mängel lediglich erkennen und rügen muss. In der Fachwelt werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Je nach Auffassung hat das auf den Personaleinsatz erhebliche Auswirkungen. Übereinstimmung besteht wohl darüber, dass der Architekt die Präsenz auf der Baustelle erhöhen muss, wenn die Anzahl an Ausführungsmängeln zunimmt. Wer dem nicht nachkommt (was durch Bautagesberichte nachweisbar ist), kommt in Schwierigkeiten

VOB/B: Was tun, wenn sich die allgemein anerkannten Regeln der Technik ändern?

Der Auftragnehmer schuldet gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B (2006) grundsätzlich, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme eingehalten werden. Dies gilt auch, wenn sich die allgemein anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme ändern.

Hierauf wies der Bundesgerichtshof (BGH) hin. Er machte deutlich, dass der Auftragnehmer in einem solchen Fall den Auftraggeber regelmäßig über die Änderung und die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken für die Bauausführung informieren muss. Eine Ausnahme gilt nur, wenn diese dem Auftraggeber bekannt sind oder sie sich ohne Weiteres aus den Umständen ergeben. Der Auftraggeber hat sodann im Regelfall zwei Möglichkeiten:

  • Er kann zum einen verlangen, dass die neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Folge ist, dass ein aufwendigeres Verfahren zur Herstellung erforderlich werden kann, als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von den Parteien vorgesehen. Der Auftragnehmer kann, soweit hierfür nicht von der Vergütungsvereinbarung erfasste Leistungen erforderlich werden, im Regelfall verlangen, dass seine Vergütung angepasst wird.
  • Der Auftraggeber kann zum anderen davon absehen, dass die neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik angewendet werden. Damit vermeidet er, dass sich das Bauvorhaben verteuert. (BGH, Urteil vom 14.11.2017, VII ZR 65/14)

Architektenrecht: Löschung aus der Architektenliste wegen Steuerhinterziehung

Ein wegen Steuerhinterziehung und Bestechung verurteilter Architekt kann aufgrund der darin zum Ausdruck kommenden Unzuverlässigkeit aus der Architektenliste gelöscht werden.

Das entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW im Fall eines Architekten. Dieser war wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in Tateinheit mit wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen sowie Steuerhinterziehung zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 200 EUR verurteilt worden.

Die Richter machten deutlich, dass im verwaltungsrechtlichen Ordnungsrecht die in einem rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen bzw. gerichtlichen Beurteilung der Persönlichkeit des Betroffenen gemacht werden können. Die Steuerhinterziehung stand hier auch im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Architekt. Es ging um nicht deklarierte Einnahmen, die der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Bau-Projektleiter dafür erhalten hatte, dass er ein bestimmtes Unternehmen beauftragt.

Rechtskräftige steuerstrafrechtliche Verurteilungen präjudizieren folglich regelmäßig anschließende verwaltungsrechtliche Streitigkeiten. Damit sind – insbesondere nach betriebsbezogenen Steuerhinterziehungen – berufsrechtliche Ordnungsmaßnahmen vorprogrammiert. (OVG NRW, Urteil vom 22.3.2018, 4 B 790/17)

Baugenehmigung: Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage verletzt nachbarliches Rücksichtnahmegebot

Ein Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage kann das nachbarliche Rücksichtnahmegebot verletzen.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. Dem Bauherrn wurde ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen und einer Tiefgarage für sechs Pkw genehmigt. Gegen diese Baugenehmigung gingen die Nachbarn – Eigentümer eines Einfamilienhauses – vor. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhoben sie Klage gegen die Baugenehmigung – mit Erfolg.

Zwar würde von dem Bauvorhaben, das das Wohnhaus der Kläger um weniger als eine Geschosshöhe überrage, keine erdrückende Wirkung ausgehen. Auch würde das Grundstück der Kläger nicht unzumutbar verschatten. Die Kläger müssten die von dem Bauvorhaben ausgehenden Möglichkeiten der Einsichtnahme auf ihr Grundstück hinnehmen. Jedoch verletze die Genehmigung des Mehrfamilienwohnhauses mit Tiefgarage die Kläger in ihren Rechten, was Lärmschutz anbelangt. Der eingeschaltete Lärmsachverständige habe in seiner Immissionsprognose überzeugend dargelegt, dass am Wohngebäude der Kläger infolge des Fahrverkehrs zur Tiefgarage nachts Geräuschimmissionen entstünden, welche die zulässigen Grenzwerte der TA Lärm überschritten. Die unzulässig hohen Spitzenpegel gingen nach den sachverständigen Feststellungen nicht auf die typischerweise von den Fahrzeugen ausgehenden Geräuschspitzen zurück. Vielmehr hätten sie ihren Grund in einer unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Kläger vorgesehenen Rampe, die ein Gefälle von 15 Prozent habe. Hierdurch werde in der Nachtzeit für die Kläger eine unzumutbare Lärmbelastung verursacht, die mit dem Rücksichtnahmegebot nicht zu vereinbaren sei. (VG Koblenz, Urteil vom 13.3.2018, 1 K 1592/16)