Kündigungsrecht: Kündigung nur bei bestehendem Arbeitsverhältnis

Eine Kündigungsschutzklage ist nur begründet, wenn zum Zeitpunkt der mit der Kündigung beabsichtigten Beendigung des Rechtsverhältnisses ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Andernfalls kann nicht festgestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.

Hierauf weist das Landesarbeitsgericht (LAG) München hin. Hat kein Arbeitsverhältnis bestanden, muss danach die Klage als unbegründet abgewiesen werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Wirksamkeit der Kündigung geprüft wird.

In dem betreffenden Fall war ein angestellter Mitarbeiter zum Geschäftsführer bestellt worden. Nach ca. 14 Jahren wurde er von der Gesellschafterversammlung als Geschäftsführer abberufen. Er wollte daraufhin in seiner ursprünglichen Position als kaufmännischer Leiter weiterbeschäftigt werden. Seine Kündigungsschutzklage hatte keinen Erfolg.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt in dem Abschluss eines Geschäftsführervertrags durch einen angestellten Mitarbeiter im Zweifel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses. Nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien soll regelmäßig neben dem Dienstverhältnis nicht noch ein Arbeitsverhältnis ruhend fortbestehen. Dem Arbeitnehmer muss im Regelfall klar sein, dass er, wenn anderes nicht vereinbart wird, mit dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags seinen Status als Arbeitnehmer aufgibt. Die vertraglichen Beziehungen werden auf eine neue Grundlage gestellt, die bisherige Grundlage verliert ihre Bedeutung. Eine andere Auslegung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, für die zumindest deutliche Anhaltspunkte vorliegen müssen. Diese lagen hier nicht vor. (LAG München, Urteil vom 30.1.2019, 4 Sa 336/18)

Jahressonderzahlungen: Jahresende … 10 Antworten zum Weihnachtsgeld

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und das im Volksmund bezeichnete „Weihnachtsgeld“ steht bei vielen an. Im Arbeitsrecht gibt es hierzu viele Begriffe: 13. Monatsgehalt, Jahressonderzahlung, Gratifikation etc. Ganz abhängig davon, wie es in den Tarif- oder Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen steht. So vielfältig die Begriffe, so vielfältig sind die Probleme rund um das Thema: Haben zum Beispiel kranke Arbeitnehmer einen Anspruch? Was gilt bei den Empfängern von Mindestlohn? Nachfolgend Antworten auf die 10 wichtigsten Fragen.

1. Wann kann das Weihnachtsgeld entfallen?

Generell ist eine „Jahresabschlussgratifikation”, egal wie sie genannt wird, nicht als gewinnabhängige Leistung des Arbeitgebers zum Jahresabschluss zu verstehen. Die Jahresabschlussgratifikation ist regelmäßig keine persönliche Leistungszulage, die jeweils individuell leistungsabhängig vom Arbeitgeber festgesetzt wird. Vielmehr wird die Jahresabschlussgratifikation/Sonderzuwendung/Weihnachtsgratifikation etc. vom Arbeitgeber gezahlt, um damit zum Jahresabschluss die Leistungen der Arbeitnehmer im vergangenen Jahr zusätzlich abzugelten. Ein Anspruch auf diese Zahlung besteht damit unabhängig von der Gewinnsituation und der individuellen Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer.

Wenn ein Unternehmen wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, kann es mit dem Betriebsrat vereinbaren, dass das Weihnachtsgeld wegfällt oder reduziert wird. Der Arbeitgeber allein darf in solchen Fällen das Weihnachtsgeld nicht kürzen oder streichen. Das richtige Mittel zur Umsetzung sind Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat oder Sanierungstarifverträge mit der Gewerkschaft.

2. Wann kann der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld zurückverlangen?

Zunächst: Vielfach soll mit der Jahressonderzahlung auch die weitere Betriebstreue der Arbeitnehmer belohnt werden. Die Sonderzuwendung hat deshalb oft einen Mischcharakter. Soll neben der vergangenen Betriebstreue auch noch die zukünftige Betriebstreue gefördert werden, wird dies zumeist dadurch sichergestellt, dass der Arbeitgeber ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis zu einem Stichtag verlangt (z. B. der 31.3. des Folgejahres) und eine Rückzahlungsklausel bei vorzeitigem Ausscheiden vereinbart.

Generell kann eine Rückzahlung nur bei Weihnachtsgeldern mit ausschließlichem Belohnungscharakter gefordert werden. Und auch nur dann, wenn eine wirksame Rückzahlungsklausel vereinbart wurde, die eindeutig und transparent sein muss. Zudem gibt es eine konkrete Grenze: Ein Weihnachtsgeld von unter 100 EUR muss man generell nicht zurückzahlen.

3. Wie kann man Weihnachtsgeld einfordern?

Wer die Gratifikation nicht bekommt, sollte sie schriftlich einfordern und eine Frist setzen. Häufig genügt es, auf ein Gerichtsurteil zu verweisen, damit der Arbeitgeber einlenkt. In den meisten Fällen führt ein Streit um das Weihnachtsgeld nicht vor das Arbeitsgericht.

4. Kann der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld einfach weglassen?

Die Jahressonderzuwendung ist trotz ursprünglicher Freiwilligkeit kein Geschenk des Arbeitgebers. Die Sonderzuwendung hat eher einen Entgeltcharakter. Die Betonung der Freiwilligkeit führt nicht automatisch dazu, dass der Arbeitgeber die Zahlung jederzeit einstellen könnte. Dies ist nur der Fall, wenn der Arbeitgeber zusätzlich einen wirksamen Widerrufsvorbehalt für die Zukunft vereinbart hat oder jedes Jahr nur eine einmalige Leistung erbringt.

5. Gibt es Weihnachtsgeld, weil es alle anderen erhalten?

Ja, wenn alle Arbeitnehmer oder zumindest alle Arbeitnehmer einer bestimmten Gruppe Weihnachtsgeld nach bestimmten Kriterien erhalten, ergibt sich in der Regel ein Anspruch ohne ausdrückliche Vereinbarung für alle, die zu dieser Gruppe gehören. Dazu muss nicht einmal eine betriebliche Übung bestehen.

6. Gibt es Ausnahmen?

Der Arbeitgeber kann einzelnen Arbeitnehmern oder einzelnen Gruppen von Arbeitnehmern das Weihnachtsgeld nur mit triftigen sachlichen Gründen verwehren. Solche Gründe hängen immer vom Zweck der Zahlung ab, zum Beispiel der Dauer der Betriebszugehörigkeit oder etwaigen Fehlzeiten, auch wegen Krankheit. Da entscheiden manche Arbeitgeber, kein oder weniger Weihnachtsgeld zu zahlen.

Es wird teilweise mehr als üblich gezahlt, beispielsweise Verheirateten mehr als Ledigen, Familien mit vielen Kindern mehr als solchen ohne. Diese Ungleichbehandlung muss zum einen jedoch im Einzelfall angemessen, zum anderen vorher klar, bestimmt und abstrakt-generell für die Belegschaft erkennbar geregelt sein.

Bei wechselnder Höhe des Weihnachtsgelds gilt: Zahlt der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld dreimal vorbehaltlos, jeweils zum Jahresende und in jährlich unterschiedlicher Höhe, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, in jedem Jahr eine solche Sonderzahlung zu erhalten.

7. Was gilt bei Teilzeitbeschäftigten?

Das Weihnachtsgeld berechnet sich bei Teilzeit anteilig im Verhältnis der jeweiligen reduzierten Arbeitszeit zur Vollzeitbeschäftigung. Das gilt auch für geringfügig Beschäftigte. Nicht zulässig ist eine tarifliche Regelung, die eine Kürzung des Weihnachtsgelds um 1.000 EUR sowohl für Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigte vorsieht.

Das BAG entschied hierzu: „Eine tarifliche Regelung, die eine Kürzung des Weihnachtsgelds um 1.000 DM einheitlich für Voll- und Teilzeitbeschäftigte vorsieht, führt zu einer Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten i. S. d. § 2 Abs. 1 BeschFG. Der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot führt zur Unwirksamkeit dieser tariflichen Berechnungsweise und damit zur Wiederherstellung der tariflichen Grundregelung, wonach Teilzeitbeschäftigte einen Anspruch auf ein Weihnachtsgeld haben, das sich nach dem Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zur tariflichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollzeitbeschäftigten bemisst.“

8. Weihnachtsgeld und tariflicher Mindestlohn: Wie geht das?

Arbeitgeber dürfen das Weihnachtsgeld nur dann auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen, wenn das Weihnachtsgeld in jedem Monat zu 1/12 als Entgelt für tatsächliche Arbeitsleistungen vorbehaltlos und unwiderruflich gezahlt wird. Hierzu das BAG:

  • Einmalzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind anrechenbar, sofern die Normalarbeitsleistung vergütet werden soll. Jedoch nur in dem Monat, in dem die Zahlung erfolgt und auch nur, wenn die Zahlung vom Arbeitgeber nicht zurückgefordert werden kann, etwa bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers. Ist durch Betriebsvereinbarung die Sonderzahlung ratierlich jeden Monat gezahlt worden, ist sie anrechenbar.
  • Wird die Einmalzahlung ohne Rücksicht auf die erbrachte Arbeitsleistung geleistet, ist diese nach BAG unter Umständen nicht anrechenbar. Ob damit auch solche Leistungen gemeint sind, die selbst dann geschuldet sind, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig krank ist und keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach EFZG hat, ist zurzeit offen.

9. Der Arbeitnehmer ist krank: Weihnachtsgeld kürzen?

Erkrankte haben Anspruch auf Weihnachtsgeld, sofern der Arbeits- oder Tarifvertrag nicht Kürzung bzw. Wegfall vorsieht. Im Falle einer langen Erkrankung kann der Anspruch auf Weihnachtsgratifikation unter bestimmten Umständen entfallen, wenn er auf einer betrieblichen Übung beruht und ohne besondere Leistungsvoraussetzungen oder -einschränkungen gezahlt wurde.

10. Gibt es Weihnachtsgeld für eine Arbeitnehmerin im Mutterschutz?

Ein Arbeitgeber darf das Weihnachtsgeld, das als 13. Monatsgehalt gewährt wird, nicht anteilig kürzen, weil eine Beschäftigte in Mutterschutz ist. Es ist unzulässig, in den Arbeitsvertrag zu schreiben, dass sämtliche Zeiten, in denen Beschäftigte ihre Arbeitsleistung nicht erbringen, zu einer zeitanteiligen Minderung des Anspruchs auf das Weihnachtsgeld führen. Denn das umfasst ebenfalls die Zeiten, in denen eine Mutter vor und nach der Entbindung nicht beschäftigt werden darf.

Kündigungsrecht: Wer seine kranken Kinder mit zur Arbeit nimmt, kann nicht fristlos gekündigt werden

Nimmt eine Arbeitnehmerin ihre erkrankten und betreuungsbedürftigen Kinder mit zur Arbeit, verletzt sie damit zwar ihre arbeitsvertraglichen Pflichten. Dies rechtfertigt jedoch keine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber.

Das folgt aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg im Fall einer Altenpflegefachkraft. Die Frau befand sich noch in der Probezeit. Während der Arbeit erkrankten ihre Kinder. Der behandelnde Arzt stellte fest, dass sie betreuungsbedürftig seien. Die Frau ging zunächst ihrer Arbeitstätigkeit weiter nach. Dabei nahm sie jedoch ihre Kinder zeitweise mit. Einige Tage später erkrankte sie dann selbst. Daraufhin kündigte ihr der Arbeitgeber fristlos. Es sei ihr u.a. verboten gewesen, die Kinder mit zur Arbeit zu nehmen. Die Frau erhob Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung. Sie verlangte, dass die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten wird.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Es entschied, dass das Arbeitsverhältnis nicht fristlos, sondern erst mit Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist in der Probezeit beendet worden ist. Die fristlose Kündigung sei ungerechtfertigt. Zwar war das Verhalten der Frau sowohl aus versicherungsrechtlichen Gründen als auch wegen der bestehenden Ansteckungsgefahr für die älteren Patienten problematisch und eine Pflichtverletzung. Einen Grund für eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sah das Gericht jedoch nicht. Grundsätzlich reiche in einem solchen Fall eine Abmahnung. Auch andere Gründe für eine sofortige Beendigung konnte der Arbeitgeber nicht darlegen. (Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 4.9.2019, 3 Ca 642/19)

Kündigungsrecht: Wann ist der eigenmächtige Antritt einer Pause ein Kündigungsgrund?

Der eigenmächtige weisungswidrige Antritt einer Pause kann unter dem Gesichtspunkt der beharrlichen Arbeitsverweigerung gegebenenfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Legt der Arbeitnehmer eigenmächtig eine Pause ein, weil er in der vorgesehenen Pausenzeit durcharbeiten musste, kann im Regelfall die Beharrlichkeit der Arbeitsverweigerung nicht festgestellt werden.

So entschied es das LAG Mecklenburg-Vorpommern. Die Richter wiesen zudem darauf hin, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür trägt, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss er diese Gründe genau angeben. Trägt der Arbeitnehmer ausreichend konkret einen Sachverhalt vor, der ihn entlastet, ist es am Arbeitgeber nun nachzuweisen, dass das Entlastungsvorbringen nicht zutrifft. (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 6.11.2018, 2 Sa 225/17)

Kündigungsrecht: Keine Kündigung wegen Abkehrwillens

Spricht ein Arbeitnehmer eine Eigenkündigung mit längerer Kündigungsfrist aus, reicht der darin liegende Abkehrwille nicht ohne Weiteres für eine arbeitgeberseitige Kündigung mit der kürzest möglichen Frist aus.

Das folgt aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg im Fall eines Arbeitnehmers, der bei der Beklagten seit 2016 als Teamleiter beschäftigt war. Der Mann informierte seinen Arbeitgeber über seine Kündigungsabsicht und seine Absicht, sich nach einer in den Monaten März und April 2019 anstehenden Kur einen neuen Job zu suchen. Er kündigte mit Schreiben vom 22.1.2019 zum 15.4.2019. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin seinerseits mit Schreiben vom 31.1.2019 zum 28.2.2019. Er begründete die Kündigung mit dem zum Ausdruck gekommenen Abkehrwillen des Arbeitnehmers.

Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers statt. Es konnte keine rechtfertigenden Gründe für die Kündigung erkennen. Insbesondere war die Arbeitgeberkündigung nicht durch den in der Eigenkündigung zum Ausdruck kommenden Abkehrwillen des Klägers begründet. Zwar kann der Abkehrwille eines Arbeitnehmers (im Ausnahmefall) eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Dies gilt aber nur, wenn Schwierigkeiten mit der Nachbesetzung der Stelle zu erwarten sind und der Arbeitgeber eine sonst schwer zu findende Ersatzkraft gerade an der Hand hat.

Nach Auffassung des Gerichts war der Arbeitgeber nicht darauf angewiesen, die Stelle des Klägers durch Suche eines schwierig zu findenden Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt neu zu besetzen. Er konnte vielmehr auf eine bereits bei ihm beschäftigte Mitarbeiterin zurückgreifen. Auch war der Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb klar. Das Arbeitsverhältnis endete mit der Eigenkündigung entsprechend erst am 15.4.2019.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden. (Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 17.7.2019, 3 Ca 500/19)

Kündigungsrecht: Vernehmungsunfähigkeit des Belastungszeugen bei Verdachtskündigung geht zulasten des ArbG

Die Unterschlagung einer im Eigentum des Arbeitgebers oder seines Auftraggebers stehenden Sache (hier: Sauerstoffgerät im Wert von mindestens 1.500 EUR) stellt ebenso wie der dringende Verdacht einer solchen Tatbegehung an sich einen wichtigen Grund zur fristlosen (Tat- bzw. Verdachts-)Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Der kündigende Arbeitgeber muss allerdings die Tatbegehung bei der Tatkündigung bzw. die den dringenden Verdacht begründenden Tatsachen bei der Verdachtskündigung nachweisen.

Diese grundsätzliche Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf. Zum Nachweis des Arbeitgebers wies das Gericht auf die prozessualen Regeln hin. Fehlen im erstinstanzlichen Urteil Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des maßgeblichen Belastungszeugen oder sind diese nicht schlüssig begründet worden, sondern wird begründungslos allein mit einem Wort pauschal die Glaubwürdigkeit attestiert, obwohl diese bereits erstinstanzlich ein Kernstreitpunkt der Parteien war und sich aufklärungsbedürftige Zweifel an der Glaubwürdigkeit durch ein naheliegendes Eigeninteresse des Zeugen und durch seine Bekundungen im Rahmen der erstinstanzlichen Vernehmung aufdrängen, entfalten die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen insoweit keine Bindungswirkung. Auf eine entsprechende Rüge im Berufungsverfahren muss das Berufungsgericht die Feststellungen selbst vornehmen, indem es den Zeugen erneut vernimmt.

Kann das Berufungsgericht jedoch keine erneute Feststellung mehr treffen, weil das angebotene Hauptbeweismittel – Vernehmung des Belastungszeugen – aufgrund dauerhafter Vernehmungsunfähigkeit des Zeugen unerreichbar ist, geht dies zulasten der beweispflichtigen Partei. Es kann dann nicht ersatzweise doch wieder auf die unvollständigen, weil die Frage der Glaubwürdigkeit offenlassenden Feststellungen des Arbeitsgerichts zurückgegriffen werden. Das entsprechende Beweismittel gilt bei über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus und auf absehbare Zeit fortdauernd attestierter Vernehmungsunfähigkeit als unerreichbar. (LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.2.2019, 3 Sa 559/17)

Arbeitszeit: Anspruch auf Korrektur eines Arbeitszeitkontos

Ist ein Arbeitszeitkonto eingerichtet, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, dass dieses Konto korrekt geführt wird.

Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern. Die Richter erläuterten, dass ein Arbeitszeitkonto festhält, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste. Es drückt damit – in anderer Form – seinen Vergütungsanspruch aus. Wird das Arbeitszeitkonto falsch geführt, kann der Arbeitnehmer eine Korrektur des Fehlers verlangen und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen. Das gilt nicht nur für den Fall, dass der Arbeitgeber unberechtigt zuvor gebuchte Stunden streicht. Es gilt nach der Entscheidung auch, wenn der Arbeitgeber tatsächlich geleistete Arbeitsstunden nicht verbucht. (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.3.2019, 2 Sa 11/18)

Sachgrundlose Befristung: Zwei Jahre sind zwei Jahre und ein Tag zu viel ist ein Tag zu viel

Eine sachgrundlose Befristung ist nur für die Dauer von bis zu zwei Jahren zulässig. Sie wird bereits unwirksam, wenn die Dauer auch nur um einen Tag überschritten ist.

Diese Klarstellung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf kam einem Arbeitnehmer zugute, der sich Mitte August 2016 auf eine Ausschreibung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beworben hatte. Die Bewerbung war erfolgreich und der Mann wurde zunächst befristet für sechs Monate am Standort Düsseldorf eingestellt. Das Arbeitsverhältnis begann ausweislich des Arbeitsvertrags am Montag, den 5.9.2016. In der Zeit vom 5.9.2016 bis zum 23.9.2016 besuchte der Mann eine Schulung in Nürnberg. Hierzu reiste er im Einvernehmen mit dem BAMF bereits am Sonntag, den 4.9.2016 an. Das BAMF erstattete ihm die Reisekosten und die Hotelkosten für die Übernachtung vom 4.9.2016 auf den 5.9.2016. Im Februar 2017 wurde das Arbeitsverhältnis bis zum 4.9.2018 verlängert. Nach Ablauf der Befristung erhielt der Arbeitnehmer keine unbefristete Stelle. Seine darauf gerichtete Bewerbung war erfolglos.

Daraufhin erhob der Arbeitnehmer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Er wollte festgestellt wissen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch Befristung zum 4.9.2018 beendet worden ist, sondern weiter fortbesteht. Mit dieser Klage war er vor dem LAG erfolgreich. Die sachgrundlose Befristung seines Arbeitsvertrags ist unwirksam. Diese ist nach dem Gesetz nur bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Diese Zeitdauer war hier um einen Tag überschritten, weil die Dienstreise am 4.9.2016 bereits Arbeitszeit war. Die einvernehmliche und von der Arbeitgeberin bezahlte Dienstreise wurde nicht in der Freizeit des Arbeitnehmers, sondern bereits innerhalb des Arbeitsverhältnisses erbracht. Sie war Teil der arbeitsvertraglich versprochenen Dienste. Das Arbeitsverhältnis hatte damit nicht erst am 5.9.2016, sondern bereits am 4.9.2016 begonnen. Der Zwei-Jahres-Zeitraum endete mit Ablauf des 3.9.2018. Die Überschreitung der Höchstdauer von zwei Jahren für die sachgrundlose Befristung auch um nur einen Tag aufgrund der Dienstreise führt dazu, dass mit dem Arbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. (LAG Düsseldorf, Urteil vom 9.4.2019, 3 Sa 1126/18)

Kündigungsrecht: Auch nach 40 Jahren kann Arbeitszeitbetrug zur Kündigung führen

Eine schwerwiegende Verletzung der Pflicht zur korrekten Erfassung der Arbeitszeit und die Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit können die außerordentliche Kündigung eines annähernd 40 Jahre bestehenden, bisher unbelasteten Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Das folgt aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern. Für die Richter war es im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere von Bedeutung, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis eines Kollegen gefährdet hat, indem er diesen dazu verleitet hat, für ihn die Arbeitszeit in der Stempeluhr falsch zu erfassen. (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.7.2019, 5 Sa 246/18)

Kündigungsrecht: Fristlose Kündigung wegen gefälschter Pflegedokumentation

Macht eine Pflegekraft in der Pflegedokumentation vorsätzlich Falschangaben und trägt ein, bei einer Patientin in der Wohnung gewesen zu sein, obwohl sie nur telefonischen Kontakt zur Patientin hatte, kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.

Das folgt aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg. Geklagt hatte eine Altenpflegerin. Sie wurde von ihrem Arbeitgeber mehrfach abgemahnt, unter anderem weil sie eine Patientin nicht richtig versorgt hatte und dies auch nicht richtig dokumentiert worden war. Anfang April 2019 fuhr die Pflegerin nicht persönlich zu einer Patientin, um dieser die Nachttablette zu geben, sondern telefonierte lediglich mit ihr. Den Leistungsnachweis für den nächtlichen Besuch zeichnete sie jedoch trotzdem ab und bestätigte auf dem Tagestourennachweis, die Patientin in der Zeit von 22:55 Uhr bis 23:06 Uhr versorgt zu haben. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Altenpflegerin erhob Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht Siegburg wies die Klage ab. Es hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt. Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Nach Auffassung des Gerichts muss der Arbeitgeber auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt der Arbeitgeber den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Nach Auffassung des Gerichts hatte die Altenpflegerin trotz vorheriger Abmahnung vorsätzlich falsche Eintragungen gemacht. (Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 7.8.2019, 3 Ca 992/19)