Bundesfinanzhof: Erste Tätigkeitsstätte bei Leiharbeitnehmern: Steuerzahlerfreundliche Entscheidung
Besonders bei Leiharbeitnehmern stellt sich die Frage, ob sie eine (steuerlich ungünstige) erste Tätigkeitsstätte haben und falls ja, wo diese liegt. Eine der letzten offenen Fragen hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun zugunsten der Leiharbeiter entschieden.
Je nachdem, ob es sich beim Tätigkeitsort um eine Auswärtstätigkeit handelt, hat das u. a. folgende steuerliche Konsequenzen:
Erste Tätigkeitsstätte:
- Entfernungspauschale (0,30 EUR je Entfernungskilometer zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte; ab dem 21. Kilometer werden 0,38 EUR gewährt)
- grundsätzlich keine Verpflegungspauschale
Auswärtstätigkeit:
- „Dienstreisepauschale“ (0,30 EUR je gefahrenen Kilometer)
- grundsätzlich Verpflegungspauschale je nach Abwesenheitszeiten
Nach der Regelung im Einkommensteuergesetz (§ 9 Abs. 4 S. 1 EStG) ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 Aktiengesetz) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.
Die Zuordnung erfolgt vorrangig anhand der dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen durch den Arbeitgeber.
Typische Fälle einer dauerhaften Zuordnung sind im EStG (hier: § 9 Abs. 4 S. 3 ) aufgeführt:
- unbefristetes Tätigwerden,
- Tätigwerden für die Dauer des Dienstverhältnisses,
- Tätigkeit über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten.
Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung,
- an der der Arbeitnehmer dauerhaft,
- typischerweise arbeitstäglich oder
- je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
Für die Frage, ob der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung i. S. des EStG (hier: § 9 Abs. 4 Sätze 1 bis 3) dauerhaft zugeordnet ist, ist das zwischen dem Arbeitgeber (Verleiher) und dem (Leih-)Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis maßgeblich.
Besteht der Einsatz eines beim Verleiher unbefristet beschäftigten Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher in wiederholten, aber befristeten Einsätzen, fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung i. S. des EStG (hier: § 9 Abs. 4 S. 3). Und so verhielt es sich auch im aktuellen Streitfall: Der weitere Einsatz des Leiharbeitnehmers beim Verleiher war nämlich davon abhängig, dass dieser nach Ablauf der jeweiligen Frist mit dem Verleiher eine weitere (wiederum befristete) Arbeitnehmerüberlassung vereinbarte.
Beachten Sie: Ist das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer unbefristet und wird der Leiharbeitnehmer befristet für nicht mehr als 48 Monate bei einem Entleiher eingesetzt, erfolgt die Zuordnung nicht dauerhaft. Eine ungünstige erste Tätigkeitsstätte ergibt sich beim Betrieb des Entleihers nicht.
Das gilt auch, wenn die Entleihung später (mehrfach) verlängert wird und sich dadurch (rückblickend betrachtet) ein Einsatz von mehr als 48 Monaten für den identischen Entleiher ergeben sollte.
Quelle: BFH, Urteil vom 12.5.2022, VI R 32/20