Gesetzgebung: Steuerfreie Corona-Prämie bis 31.3.2022 verlängert

Mit der Corona-Prämie können Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gespart werden. Aktuell hat der Gesetzgeber die Zahlungsmöglichkeit erneut verlängert und zwar bis zum 31.3.22.

Nach dem Einkommensteuergesetz (§ 3 Nr. 11a EstG) sind steuerfrei: „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 1.3.20 bis zum 30.6.21 aufgrund der Coronakrise an seine Arbeitnehmer in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500 Euro.“

Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde die Befristung der Corona-Prämie bereits vom 31.12.20 bis zum 30.6.21 verlängert. Nunmehr erfolgte durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) eine erneute Verlängerung bis zum 31.3.22.

Beachten Sie: Der Höchstbetrag je Arbeitnehmer wurde nicht geändert. Die Fristverlängerung bewirkt also nicht, dass z. B. im ersten Quartal 2022 nochmals 1.500 Euro steuerfrei zusätzlich zu einem z. B. in 2021 gezahlten Betrag von 1.500 Euro gezahlt werden können. (AbzStEntModG, BR-Drs. 353/21 (B) vom 28.5.2021)

Coronaschutzverordnung NRW: Schließung einer Wasserski-Anlage rechtswidrig, eines Kletterparks jedoch rechtmäßig

Die von einer Gemeinde in Nordrhein-Westfalen verfügte Schließung einer Wasserskianlage nach Maßgabe der Coronaschutzverordnung NRW (CoronaSchVO) ist rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und einem entsprechenden Eilantrag der Betreiberin stattgegeben.

Wasserski-Anlage: Sportanlage unter freiem Himmel

Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt: Bei der Wasserskianlage der Betreiberin handele es sich um eine Sportanlage unter freiem Himmel im Sinne der CoronaSchVO. Die dort angebotenen Betätigungen des Wasserskifahrens und Wakeboardens seien als Freizeit- und Amateursport zu qualifizieren. Es handele sich um anerkannte Sportarten. Für die Kammer sei nicht erkennbar, welche Gesichtspunkte der Freizeitgestaltung diese sportliche Betätigung überlagern und sie insgesamt zu einer untersagten Freizeitaktivität im Sinne der CoronaSchVO machen sollten. Angesichts der übrigen Einschränkungen durch die CoronaSchVO sei die Betreiberin auf ihr Kerngeschäft beschränkt, ihren Gästen das Wasserskifahren und Wakeboarden unter Nutzung eines Wasserskilifts zu ermöglichen. Dagegen entfielen insbesondere sämtliche Angebote, die zu einem Verweilen oder geselligen Beisammensein an der Wasserskianlage einladen könnten. Nach dem Hygienekonzept der Betreiberin werde unter anderem der Zugang zum Gelände nur zu den vereinbarten Zeiten gestattet, in der Regel für eine oder zwei Stunden. Die Anzahl der Besucher auf dem etwa 11 Hektar großen Gelände sei auf maximal 25 Personen pro Stunde beschränkt. Zuschauer seien nicht zugelassen.

Das Risiko von weiteren Sozialkontakten, etwa durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf dem Weg zu derart privilegierten Sportanlagen, habe der Verordnungsgeber jedoch bewusst in Kauf genommen.

Kletterpark: Freizeitanlage unter freiem Himmel

Demgegenüber hat so das VG eine Gemeinde in NRW den Betrieb eines Kletterparks zu Recht auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes und der CoronaSchVO NRW untersagt. Es hat einen Eilantrag der Betreibergesellschaft des Kletterparks abgelehnt.

Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt: Es handele sich um einen Freizeitpark, dessen Betrieb nach der CoronaSchVO NRW untersagt sei, und nicht etwa um eine Sportanlage unter freiem Himmel, auf der Sport getrieben werden dürfe. Entscheidend sei hierfür, dass der Kletterpark vorrangig, wenn nicht sogar ausschließlich, unter Gesichtspunkten der Freizeitgestaltung aufgesucht werde, wenn seine Nutzung auch gewisse körperliche Anstrengungen mit sich bringe oder Anforderungen an die Geschicklichkeit der Nutzer stelle. Dies bestätige auch der Internetauftritt der Antragstellerin, der ein, vor allem auch auf Familien zugeschnittenes, Angebot nach Art eines typischen Freizeitparks aufliste. Auch werde mit dem Motto des Parks „Spaß für alle“ sehr zutreffend der Zweck der Nutzung beschrieben. Die zahlreichen „Abenteuer-Angebote“, wie „Todesschleuder“ oder „Banana-Jump“, hätten allenfalls höchst mittelbar mit einer sportlichen Betätigung zu tun.

Das Verbot von Freizeitparks, Indoor-Spielplätzen und ähnlichen Einrichtungen für Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen) diene in nicht zu beanstandender Weise der Reduzierung von Kontakten. Bei den genannten Einrichtungen handele es sich um solche, die typischerweise gleichzeitig von einer Vielzahl von Personen besucht würden und in denen diese sich für eine nicht unerhebliche Dauer aufhielten. Dies begünstige Infektionsrisiken, zumal sich in der betreffenden Zeit die britische Variante B 1.1.7 des Corona-Virus auch in NRW massiv ausbreitete, bei der auch schon kürzere Kontakte zu einer Infektion führen könnten.

Gegen beide Beschlüsse kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster eingelegt werden. (VG Düsseldorf, Beschluss vom 14.4.2021, 29 L 737/21, PM vom 14.4.2021; VG Düsseldorf, Beschluss vom 8.4.2021, 26 L 693/21, PM vom 8.4.2021)

Gesetzesvorhaben: Zweites Führungspositionen-Gesetz: Mehr Frauen in Vorständen gefordert

Die Bundesregierung möchte mehr Frauen in die Vorstände großer Unternehmen bringen. Dafür hatte das Kabinett eine Reform des Gesetzes für mehr Frauen in Führungspositionen auf den Weg gebracht. Die Regelung betrifft die Vorstände von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Der Bundestag hat diesem Gesetzentwurf nun zugestimmt.

Unter anderem gibt es neue Berichtspflichten: Sollen einem Vorstand ausschließlich Männer angehören, muss das Unternehmen dies künftig gesondert begründen.

Ausführliche Informationen zu den Zielvorgaben in Bezug auf unterschiedliche Unternehmensformen und -gremien sowie behördliche Institutionen finden Sie unter www.iww.de/s5067.

(Bundesregierung, Zweites Führungspositionen-Gesetz: Mehr Frauen in Vorstände vom 11.6.2021)

Vertragsgestaltung: Behandlung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen

Bei Ehegatten-Arbeitsverhältnissen schauen die Finanzämter regelmäßig ganz genau hin. Denn während Vertragsgestaltungen zwischen fremden Dritten von Interessengegensätzen geprägt sind, fehlen diese bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen. Somit steht zumindest die Vermutung im Raum, dass die Vereinbarung nur aus Steuerersparnisgründen geschlossen wurde. Grund genug, auf zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zu dieser Thematik hinzuweisen.

Nachweise: Stundenzettel und Aufzeichnungen

Ein Ehegatten-Arbeitsverhältnis ist nicht allein deshalb steuerlich unwirksam, weil der Arbeitgeber keine Aufzeichnungen (z. B. Stundenzettel) zur Arbeitszeit des angestellten Ehegatten geführt hat. Stundenzettel dienen „nur“ Beweiszwecken und sind für die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen nahen Angehörigen nicht zwingend erforderlich.

Beachten Sie: Die Entscheidung ist richtig einzuordnen. Der BFH hat nämlich den strengen Nachweisanforderungen, die für ein Ehegatten-Arbeitsverhältnis gelten, keine Absage erteilt. Erforderlich (aber auch ausreichend) ist das, was auch bei Arbeitsverhältnissen zwischen fremden Dritten üblich ist.

Wertguthabenvereinbarung: Auf Wahlfreiheit kommt es an

Wird im Zuge eines Arbeitsverhältnisses zusätzlich eine Wertguthabenvereinbarung im Sinne des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) abgeschlossen, muss für diese gesondert ein Fremdvergleich erfolgen.

Bei der Gesamtwürdigung ist vor allem entscheidend, ob die Vertragschancen und -risiken fremdüblich verteilt sind. Eine einseitige Verteilung zulasten des Arbeitgeber-Ehegatten ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer-Ehegatte unbegrenzt Wertguthaben ansparen sowie Dauer, Zeitpunkt und Häufigkeit der Freistellungsphasen nahezu beliebig wählen kann. (BFH, Urteil vom 18.11.2020, VI R 28/18)

Einkommensteuer: Kostenlose Online-Weiterbildung

Durch die Corona-Pandemie kommt es vermehrt zur Wahrnehmung von Online-Formaten im Seminarbereich. Für die Beurteilung von Online-Weiterbildungen als Arbeitslohn hat die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt nun Stellung bezogen.

Die Einräumung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts durch den Arbeitgeber für nicht arbeitsplatzbezogene Online-Weiterbildungsmaßnahmen stellt beim Arbeitnehmer Arbeitslohn dar. Weiterbildungsleistungen sind aber nach dem Einkommensteuergesetz (§ 3 Nr. 19 EStG) steuerfrei, wenn sie der Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers dienen. Hierzu müssen durch die Bildungsmaßnahme Kenntnisse bzw. Fertigkeiten vermittelt werden, die ganz allgemein der Berufstätigkeit förderlich sein können. Das Format der Weiterbildungsmaßnahme ist dabei unerheblich. Deshalb können sowohl Video-Schulungen als auch eLearning-Angebote ohne einen Dozenten begünstigt sein. (OFD Frankfurt, Verfügung vom 25.2.2021, S 2342 A – 89 – St 210)

BFH-Rechtsprechung: Urteile zur Doppelbesteuerung der Renten: Finanzverwaltung kündigt Änderungen nach der Bundestagswahl an

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 19.5.21 zwei Klagen zur Doppelbesteuerung der Renten als unbegründet abgewiesen. Allerdings ergibt sich auf der Grundlage der Berechnungsvorgaben des BFH, dass spätere Rentenjahrgänge von einer doppelten Besteuerung betroffen sein dürften. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat bereits angekündigt, sich nach der Bundestagswahl mit etwaigen Änderungen zu beschäftigen.

Hintergründe

Ursprünglich mussten Rentenbeiträge aus dem bereits versteuerten Einkommen abgeführt werden, während die Rentenbezüge später steuerfrei waren. Die Versteuerung war also vorgelagert. Beamtenpensionen mussten dagegen voll versteuert werden. Dies bewertete das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2002 als unzulässige Ungleichbehandlung. Daraufhin entschied der Gesetzgeber, ab 2005 schrittweise auf eine nachgelagerte Besteuerung umzustellen und zwar für die Besteuerungs- und für die Beitragsseite:

Schrittweise bis 2025 sind immer größere Anteile der Rentenbeiträge von der Steuer absetzbar (in 2021 sind es 92 %). Ab 2025 sind dann sämtliche Altersvorsorgeaufwendungen ungekürzt als Sonderausgaben abziehbar.

Bezieht ein Rentner seit 2005 oder früher eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, beträgt der Besteuerungsanteil 50 %. Für nachfolgende Rentenjahrgänge erhöht sich der Prozentsatz um jährlich 2 % (ab 2021 um 1 %), sodass ab 2040 der Besteuerungsanteil 100 % beträgt.

Beachten Sie: Für Rentner, die bis 2039 erstmals Rente erhalten, wird ein Freibetrag ermittelt. Dieser bleibt grundsätzlich für die gesamte Laufzeit der Rente unverändert.

Sachverhalt

Ein Steuerpflichtiger war während seiner aktiven Erwerbstätigkeit überwiegend selbstständig tätig. Antragsgemäß war er in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Seine Rentenbeiträge zahlte er größtenteils aus eigenem Einkommen. Seit 2007 erhält der Steuerpflichtige eine Altersrente.

Das Finanzamt hatte im Streitjahr 2008 entsprechend der gesetzlichen Übergangsregelung 46 % der Rente als steuerfrei behandelt und die verbleibenden 54 % der Einkommensteuer unterworfen.

Der Steuerpflichtige legte eine eigene Berechnung vor, wonach er rechnerisch deutlich mehr als 46 % seiner Rentenversicherungsbeiträge aus seinem bereits versteuerten Einkommen geleistet hat. Nach seiner Auffassung liegt deshalb eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Teilen seiner Rente vor.

Bundesfinanzhof: Keine Doppelbsteuerung gesehen…

Dies sah der BFH jedoch anders. Eine doppelte Besteuerung wird vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge. Angesichts des noch recht hohen Rentenfreibetrags von 46 % der Rentenbezüge des Steuerpflichtigen ergab sich nach Ansicht des BFH keine doppelte Besteuerung.

Die zwischen der früheren Beitragszahlung und dem heutigen bzw. künftigen Rentenbezug eintretende Geldentwertung ist bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen. Für eine solche Abweichung vom Nominalwertprinzip sah der BFH keine Grundlage. Infolgedessen können Wertsteigerungen der Renten unabhängig davon, ob sie inflationsbedingt sind oder eine reale Erhöhung darstellen besteuert werden.

… aber erstmals konkrete Berechnungsparameter vorgelegt

Für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Renten hat der BFH nun erstmals konkrete Berechnungsparameter festgelegt. Dabei hat er klargestellt, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind.

Beachten Sie: Alle anderen Beträge, die die Finanzverwaltung ebenfalls als „steuerfreien Rentenbezug“ in die Vergleichsrechnung einbeziehen möchte, bleiben allerdings unberücksichtigt. Damit bleibt insbesondere auch der Grundfreibetrag (9.744 Euro in 2021), der das steuerliche Existenzminimum jedes Steuerpflichtigen sichern soll, bei der Berechnung des „steuerfreien Rentenbezugs“ unberücksichtigt.

Beachten Sie: Auch für die Ermittlung des aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Teils der Rentenversicherungsbeiträge hat der BFH konkrete Berechnungsparameter formuliert.

Doppelbesteuerung für spätere Jahrgänge abzusehen

Für spätere Rentenjahrgänge, für die der Rentenfreibetrag nach der gesetzlichen Übergangsregelung immer weiter abgeschmolzen wird, zeichnet sich für den BFH eine Doppelbesteuerung ab. Denn auch diese Rentenjahrgänge haben erhebliche Teile ihrer Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet.

Beachten Sie: Es ist zwar positiv, dass der BFH erstmals konkrete Berechnungsparameter festgelegt hat. Allerdings liegt hier auch das Problem: Denn es muss erst aufwendig gerechnet werden. Das BMF hat bereits angekündigt, sich nach der Bundestagswahl mit etwaigen Änderungen zu beschäftigen.

Keine Doppelbesteuerung bei privaten Renten

Nach einer weiteren Entscheidung des BFH vom 19.5.2021 kann es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung, die anders als gesetzliche Altersrenten lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine unzulässige Doppelbesteuerung geben.

Der gesetzlich festgelegte Ertragsanteil typisiert in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs. Diese Art der Besteuerung verlangt nach Meinung des BFH nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.

Zudem stellte der BFH in dieser Entscheidung Folgendes heraus: Die gesetzliche Öffnungsklausel, die bei überobligatorisch hohen Einzahlungen in ein Altersvorsorgesystem der Gefahr einer doppelten Besteuerung von Renten vorbeugen soll, ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur auf Antrag des Steuerpflichtigen anwendbar. (BFH, Urteil vom 19.5.2021, X R 33/19)

Frontalaufprall: Wann ist ein Unfall ein Unfall?

Ein Unfall im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung liegt auch vor, wenn der Schaden durch den Versicherungsnehmer freiwillig herbeigeführt wurde. Ob dies vorsätzlich in Suizidabsicht geschah, was dazu führen würde, dass der Versicherer von seiner Leistung frei würde, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Indizien festgestellt werden. Die Beweislast hierfür trägt der Versicherer. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Dresden klargestellt.

Was war geschehen?

Der Versicherungsnehmer prallte mit seinem Kfz frontal gegen einen Straßenbaum, nachdem er beim Anfahren das Fahrzeug stark beschleunigt hatte. Das Fahrzeug erlitt hierbei einen Totalschaden. Der Versicherer hat eine Regulierung des Schadens abgelehnt, weil der Versicherungsnehmer den Unfall vorsätzlich in Suizidabsicht herbeigeführt habe. Damit greife die vereinbarte Ausschlussklausel.

Das Landgericht (LG) hat ein unfallanalytisches Gutachten eingeholt. Danach lasse sich keine Suizidabsicht beweisen. Gleichwohl hat es die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Sein Verhalten stelle sich jedenfalls deswegen als grob fahrlässig dar, weil er es versäumt habe, den durch die Beschleunigung ausgelösten Driftvorgang dadurch abzuwenden, dass er den Fuß vom Gaspedal genommen hätte. Dies stelle sich als so schwerwiegendes Versäumnis dar, dass hier ausnahmsweise eine Leistungskürzung auf Null gerechtfertigt sei.

So sieht es das OLG

Das OLG Dresden hat auf die Berufung des Versicherungsnehmers das Urteil geändert und den Versicherer antragsgemäß verurteilt. Es stellt klar: Es handelt sich bei dem o. g. Ereignis um einen „Unfall“ im Sinne des Versicherungsrechts. Ein solcher liege auch vor, wenn der Schadensfall vorsätzlich herbeigeführt worden sei. Für das Vorliegen eines Unfalls komme es allein darauf an, dass der Schaden durch eine von außen plötzlich einwirkende mechanische Kraft herbeigeführt werde. Dies sei hier durch den Zusammenprall mit dem Straßenbaum der Fall.

Ein Haftungsausschluss wegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Unfalls kommt nach den eindeutigen Versicherungsvereinbarungen nicht in Betracht. Dort heißt es nämlich ausdrücklich: „Wir verzichten in der Fahrzeugversicherung auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens.“ Gegen die Wirksamkeit dieser Verzichtsklausel hatte das OLG keine Bedenken. (OLG Dresden, Urteil vom 10.11.2020, 4 U 1106/20)

Nutzungsausfall: Trotz abgelaufener Hauptuntersuchung sind Mietwagenkosten zu erstatten

Der Schädiger muss Mietwagenkosten erstatten, auch wenn das verunfallte Fahrzeug bereits vor dem Unfall einen Riss in der Frontscheibe aufwies und die HU-Plakette abgelaufen war. Das hat das Landgericht (LG) Stuttgart entschieden und damit ein Urteil des Amtsgerichts (AG) Stuttgart korrigiert.

Die Begründung des LG: Die Benutzung des verunfallten Fahrzeugs vor dem Unfall und die gedachte weitere Nutzung nach dem Unfall stelle zwar evtl. eine Ordnungswidrigkeit dar. Dennoch hatte der Geschädigte ein Fahrzeug, das er auch genutzt hat.

Wie lange der HU-Termin schon überzogen war, ist nicht bekannt. Ein solches Fahrzeug würde aber bei einer Kontrolle nicht sofort festgesetzt, wenn die HU nicht bereits jahrelang überfällig gewesen ist. So war für das LG entscheidend, dass der Geschädigte sowohl die Nutzungsmöglichkeit und auch den Nutzungswillen hatte. (LG Stuttgart, Urteil vom 4.3.2021, 5 S 195/20)

Unfallhaftung: Wenn der Notfallbremsassistent ohne Not bremst

Löst sich auf der Autobahn unverschuldet während freier Fahrt der Notfallbremsassistent eines vorausfahrenden Fahrzeugs und fährt der nachfolgende LKW ohne Einhalten des Sicherheitsabstands von mindestens 50 Metern auf das abrupt abgebremste Fahrzeug auf, überwiegt der Haftungsanteil des nachfolgenden LKW.

Die unbegründete und erhebliche Unterschreitung des Sicherheitsabstands ist auf ein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen, während das vorausfahrende Fahrzeug aufgrund eines technischen Versagens abgebremst wurde. Dies rechtfertige eine Haftungsverteilung von 2/3 zulasten des LKW-Fahrers, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Die Klägerin nahm die Beklagten auf Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall auf der A5 Richtung Kassel/Hannover in Anspruch. Sie fuhr vor dem Beklagtenfahrzeug, einem Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse von über 3,5 Tonnen. Während ihrer Fahrt löste sich der Notfallbremsassistent. Der Beklagte konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und kollidierte mit dem klägerischen Fahrzeug.

Das Landgericht (LG) hatte der Klägerin 1/3 des geltend gemachten Schadens zugesprochen. Ihre hiergegen gerichtete Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das OLG sprach der Klägerin nun 2/3 ihres Schadens zu.

Bei dem erforderlichen Haftungsausgleich zwischen den Beteiligten sei, so das OLG, zu berücksichtigen, dass der Unfall durch das Beklagtenfahrzeug mitverursacht worden sei. Dieses habe aufgrund des zu geringen Sicherheitsabstands zum vorausfahrenden klägerischen Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig abbremsen können. Angesichts der Größe des Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 Tonnen hätte auf Autobahnen zu vorausfahrenden Fahrzeugen ein Mindestabstand von 50 Metern eingehalten werden müssen, wenn die Geschwindigkeit mehr als 50 km/h betrage. Sachverständig geklärt war im vorliegenden Fall, dass dieser Sicherheitsabstand trotz der gefahrenen Geschwindigkeit nicht eingehalten worden war.

Die Klägerin müsse sich aber als Verursachungsbeitrag vorwerfen lassen, dass sie ihr Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund auf freier Strecke abrupt abgebremst habe.

Die gebotene Abwägung dieser beiderseitigen Verursachungsbeiträge führe zu einer Haftungsverteilung von 2/3 zulasten der Beklagten und 1/3 zulasten der Klägerin. Hinsichtlich des LKW-Fahrers sei von einem Verschulden auszugehen, da der erforderliche Sicherheitsabstand ohne zwingende Gründe um etwa 30 Prozent unterschritten worden sei. Das abrupte Abbremsen der Klägerin sei dagegen unstreitig auf das Versagen der technischen Einrichtung ihres Kraftfahrzeugs zurückzuführen, sodass sie kein Verschulden treffe. (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 9.3.2021, 23 U 120/20)

Schadenersatz: So können sich Reparaturverzögerungen auf den Nutzungsausfallschaden auswirken

Zu Störungen im Reparaturablauf nach einem Unfall kann es aus verschiedenen Gründen kommen. Unter dem Blickwinkel des Nutzungsausfallschadens können sie zulasten des Schädigers gehen, andererseits aber auch vom Geschädigten zu verantworten sein. Worauf es ankommt und welche Seite wofür darlegungs- und beweispflichtig ist, hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf geklärt.

Zwischen dem Unfalltag und dem Tag der Fahrzeugrückgabe lagen 190 Tage. Die beklagte Versicherung sah sich nur für 31 Tage in der Ersatzpflicht. Die in diesem Zeitraum angefallenen Mietwagenkosten hat sie reguliert, jeden weiteren Ersatz aber abgelehnt. Das OLG Düsseldorf hat eine „abstrakte“ Nutzungsausfallentschädigung für weitere 104 Tage Zug um Zug gegen Abtretung eines (möglichen) Ersatzanspruchs gegen die Werkstatt zugesprochen. Den weitergehenden Anspruch hat es wegen Verstoß gegen die sog. Schadensminderungspflicht zurückgewiesen (hier: Verzögerungen bei der Erteilung des Gutachter- und des Werkstattauftrags).

Ohne Erfolg ist der Einwand der Beklagten geblieben, die Klägerin habe für den streitigen Ausfallzeitraum schon deshalb keinen Ersatzanspruch, weil sie auf einen „Zweitwagen“ habe zurückgreifen können. Nach dem unwiderlegten Vortrag der Klägerin handelte es sich um den Pkw ihres Sohnes und damit um eine den Schädiger nicht entlastende freiwillige Leistung eines Dritten. Damit stellte sich dem OLG die Frage, zu wessen Lasten die Verzögerung der Reparaturarbeiten geht. Die Werkstatt keine Markenwerkstatt begründet sie mit Lieferschwierigkeiten bei der Beschaffung eines Airbag-Moduls für die Beifahrerseite.

Was ein Geschädigter in dieser Situation nicht tun muss, also lassen darf, macht das OLG u. a. deutlich:

  • Den Geschädigten trifft kein Auswahlverschulden, wenn er eine freie Werkstatt beauftragt.
  • Er begeht keine sog. Obliegenheitsverletzung, wenn er die Reparatur nicht überwacht.
  • Er muss die Ausfallzeit nicht durch eine Teilreparatur verkürzen, also z. B. den Pkw vorübergehend ohne Beifahrerairbag weiternutzen.

Das OLG hält schließlich noch fest: Der Klägerin wird nur eine sog. sekundäre Darlegungslast auferlegt, der sie nicht zuletzt durch Vorlage des Reparaturablaufplans hier genügt hatte.

Beachten Sie | Den gegnerischen Versicherer bei längeren Verzögerungen zu informieren, ist ratsam, zumal bei Inanspruchnahme eines Mietwagens. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.3.2021, I-1 U 77/20)