Verwaltungsrecht: Autokennzeichen „HH 1933“ darf eingezogen werden

Die Kfz-Zulassungsbehörde durfte das Auto-Kennzeichen „HH 1933“ einziehen. Es erinnert an die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ist daher sittenwidrig.

Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden. Das Straßenverkehrsamt des Kreises Viersen hatte das Kennzeichen „HH 1933“ zunächst als Wunschkennzeichen vergeben. Auf eine Bürgerbeschwerde zog es das Kennzeichen jedoch wieder ein. Dagegen wandte sich der Fahrzeughalter im Wege der Klage und eines Eilrechtschutzverfahrens.

Das VG hat im Eilrechtsschutzverfahren festgestellt, dass das Straßenverkehrsamt bei der Einziehung des Kennzeichens rechtmäßig gehandelt hat. Der durchschnittliche Bürger assoziiere „HH 1933“ mit dem Nationalsozialismus im Dritten Reich. 1933 sei das Jahr, das zeitgeschichtlich für die Machtergreifung der Nationalsozialisten stehe, und „HH“ sei eine Abkürzung des im Dritten Reich üblichen Grußes „Heil Hitler“, der in der rechtsextremistischen Szene verwendet werde.

Nur soweit das Straßenverkehrsamt den Halter zugleich dazu verpflichtet hat, die alten Kennzeichen entwerten und neue prägen und anbringen zu lassen, ist die Behörde nach Auffassung des Gerichts zu weit gegangen. Die Fahrzeug-Zulassungsverordnung sehe nicht vor, die Behebung von Mängeln des Fahrzeugs mit Befehl und Zwang durchzusetzen. Ob der Halter den Wagen mit einem neuen Kennzeichen ausstatte, entscheide er allein. Ohne neues Kennzeichen könne das Straßenverkehrsamt den Wagen allerdings stilllegen. Er dürfe dann auf öffentlichen Straßen nicht mehr gefahren werden. (VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.4.2019, 6 L 175/19)

Abstandsverstoß: Vertrauen auf Abstandspiloten wird nicht geschützt

Bei einem Abstandsverstoß kann sich der Betroffene nicht darauf berufen, auf die Funktion eines in seinem Fahrzeug als Teil eines Fahrerassistenz-Pakets verbauten sog. Abstandspiloten vertraut zu haben.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg. Die Richter wiesen darauf hin, dass dies mit der ordnungsgemäßen Erfüllung der Pflichten eines Fahrzeugführers unvereinbar sei. Folge dieser Ansicht ist, dass damit auch die Anerkennung eines privilegierenden sog. Augenblicksversagens ausscheidet. (OLG Bamberg, Beschluss vom 6.11.2018, 3 Ss OWi 1480/18)

Haftungsrecht: Wer bei Tempo 200 das Navi bedient, handelt grob fahrlässig

Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit liegenden Tempo fährt – hier 200 km/h –, muss in besonderem Maße seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des sog. Infotainmentsystems (Navigationssystem) kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen.

Folge einer solchen groben Fahrlässigkeit war in dem Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg der zumindest teilweise Verlust der Haftungsfreistellung in den einer Kaskoversicherung nachgebildeten Bedingungen eines Mietvertrags. Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw, Typ Mercedes Benz CLS 63 AMG. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.

Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 EUR – bei ihm geltend machen.

Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht. (OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17)

Haftungsrecht: Einkaufszentrum haftet für defekten Personenaufzug

Der Betreiber eines Einkaufszentrums haftet wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten für Schäden durch einen defekten Personenaufzug, wenn dessen Türschließmechanismus nicht regelmäßig gewartet und daher der Arm einer Benutzerin eingequetscht wird.

Mit dieser Begründung sprach das Landgericht (LG) Köln einer Frau ein Schmerzensgeld von 550 EUR zu. Die Frau hatte ein Einkaufszentrum besucht. Als sie einen Aufzug betrat, schlossen sich die Aufzugtüren ohne Vorwarnung schnell und ruckartig. Die Frau erlitt ein stark schmerzendes Hämatom. Sie musste über drei Wochen einen Verband tragen und Schmerzmittel nehmen.

Das Gericht machte deutlich, dass das Einkaufszentrum seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. So reiche allein eine turnusmäßige TÜV-Prüfung auf Basis der gesetzlich vorgeschriebenen Intervalle angesichts der denkbaren Vielzahl technischer Fehlfunktionen nicht aus, um der Verkehrssicherheitspflicht des Aufzugbetreibers zu genügen. Bei einem viel genutzten Aufzug ist es nötig, dass dieser täglich durch geschultes Personal kontrolliert wird, etwa im Rahmen von Testfahrten. Dieser Pflicht sei der Betreiber vorliegend nicht nachgekommen. (LG Köln, Urteil vom 14.6.2019, 2 O 174/17)

Autokauf: Gebrauchtwagen: Autohaus muss auf Einsatz als Mietwagen hinweisen

Wurde ein Gebrauchtwagen zuvor als Mietwagen genutzt, muss das Autohaus in seiner Werbung darauf hinweisen.

Das entschied aktuell das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg in einem wettbewerbsrechtlichen Fall. Der Kläger, ein Verein, der sich für die Einhaltung von Wettbewerbsregeln einsetzt, hatte gegen ein Autohaus aus Lingen auf Unterlassung geklagt. Das Autohaus hatte im Internet ein Fahrzeug als Gebrauchtwagen angeboten, das zuvor knapp ein Jahr lang als Mietwagen in Spanien eingesetzt war. Hierauf hatte das Autohaus nicht hingewiesen. Vermerkt war in der Anzeige, dass das Fahrzeug bislang nur einen Halter hatte. Der klagende Verein hielt die Anzeige für wettbewerbswidrig. Der Hinweis auf die Mietwageneigenschaft sei für potenzielle Käufer eine wesentliche Information.

Der Autohändler widersprach dem und hatte damit vor dem Landgericht Osnabrück zunächst Erfolg. Die Annahme, eine Nutzung als Mietfahrzeug sei eine negative Eigenschaft, sei heutzutage nicht mehr gerechtfertigt. Denn die Mietwagenfirmen seien darauf angewiesen, dass die Fahrzeuge stets in einem technisch wie optisch einwandfreien Zustand seien. Außerdem sei es heute üblich, dass relativ viele, nur kurz genutzte Mietfahrzeuge auf dem Markt seien. Ein Käufer könne sich hierauf einstellen.

Das sahen die Richter am OLG anders. Bei der Mietwageneigenschaft handele es sich um eine wesentliche Information, die für die geschäftliche Entscheidung des Käufers ein erhebliches Gewicht habe. Im Allgemeinen werde es als abträglich angesehen, wenn ein Fahrzeug als Mietwagen verwendet wurde. Das folge daraus, dass die zahlreichen Nutzer keine Veranlassung hätten, das Fahrzeug sorgsam zu behandeln. Zu rechnen sei mit Fahrern mit wechselnden Temperamenten, wechselnder Fahrfähigkeit und unterschiedlichen Sorgfaltseinstellungen. All dies könne einen Einfluss auf die Verschleißteile und den Pflegezustand eines Fahrzeugs haben. Unabhängig davon, ob die Bedenken gegen einen Mietwagen tatsächlich berechtigt seien, messe der durchschnittliche Verbraucher der Mietwageneigenschaft jedenfalls eine wesentliche Bedeutung für seine Kaufentscheidung bei. Für den Verkäufer sei die Information hierüber auch ohne Weiteres möglich. Die fehlende Information sei somit ein Wettbewerbsverstoß nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Das beklagte Autohaus wurde daher verurteilt, in Zukunft keine Anzeigen mehr ohne den Hinweis auf die Mietwageneigenschaft eines Fahrzeugs zu schalten. (OLG Oldenburg, Az. 6 U 170/18, Urteil vom 15.3.2019, 6 U 170/18)

Private Krankenversicherung: Versicherer kann nicht anfechten, wenn Versicherungsnehmer für ihn unbedeutende Krankheit verschweigt

Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers kommt es auf seinen Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Versicherungsantrags an. Ein vier Jahre zurückliegender Hinweis der Hausärztin rechtfertigt die Feststellung von Vorsatz nicht, wenn der Versicherungsnehmer plausibel darlegt, dass ihm eine aus seiner Sicht länger zurückliegende unbedeutende Krankheitsepisode bei Antragstellung nicht mehr bewusst war.

Mit dieser Begründung wies das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe einen Versicherer darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht vorlägen. Der Versicherer nahm seine Berufung daher zurück. In der Sache ging es um eine zeitlich begrenzte Verordnung von Medikamenten bei einer Diabetes-Mellitus-Diagnose. Die Blutzuckerwerte befanden sich nach den Angaben der Hausärztin nur für einen begrenzten Zeitraum außerhalb des Normbereichs. Der Versicherungsnehmer hat plausibel dargelegt, dass er das Absetzen des Medikaments dahingehend verstanden hat, dass er nicht mehr an Diabetes mellitus erkrankt war. (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 1.10.18, 9 U 165/16)

Sozialrecht: Zahnersatz in Polen muss vorher genehmigt werden

Zahnersatz im Ausland kann eine preiswerte Alternative sein. Wurde die Behandlung aber zuvor nicht von der Krankenkasse genehmigt, kann die Auslandsreise für den Betroffenen sehr teuer werden.

Das zeigt eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall einer Frau, die große Brücken im Ober- und Unterkiefer brauchte. Der Heil- und Kostenplan ihres Helmstedter Zahnarztes belief sich auf 5.000 EUR. Die Kasse bewilligte den Festzuschuss von 3.600 EUR. Um keinen Eigenanteil zahlen zu müssen, ließ die Frau die Behandlung in Polen für 3.300 EUR durchführen. Die Rechnung reichte sie danach bei ihrer Krankenkasse ein. Die Kasse erstattete aber nur die Kosten für die Brücke im Oberkiefer. Für den Unterkiefer lehnte sie die Erstattung ab, da die Brücke nicht den in Deutschland geltenden Qualitäts- und Konstruktionskriterien entsprach. Dies ergab sich aus einem Gutachten des Medizinischen Dienstes (MDK).

Das LSG hat die Klage der Frau abgewiesen. Ob die Brücke mangelhaft war, spielte dabei keine Rolle. Entscheidend hat das Gericht vielmehr darauf abgestellt, dass die Auslandsbehandlung nicht zuvor von der Krankenkasse genehmigt wurde. Hierfür hätte ein Heil- und Kostenplan der polnischen Praxis vorgelegt werden müssen. Der Plan der Helmstedter Praxis ersetze dies nicht. Zwar könne ein Patient sich auch im EU-Ausland behandeln lassen. Gleichwohl müsse er vor der Behandlung einen Heil- und Kostenplan des behandelnden Zahnarztes vorlegen. Das Verfahren zur Prüfung des Heil- und Kostenplans gelte unterschiedslos im Inland wie im Ausland. Die Kasse müsse vor einer Auslandsbehandlung die Möglichkeit haben, den vorgesehenen Zahnersatz auf Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu überprüfen und ggf. auch begutachten zu lassen. Wenn diese Möglichkeit nicht besteht, sei der Anspruch des Patienten ausgeschlossen. (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.5.2019, L 4 KR 169/17)

WEG: Mehrere Bewerber für das Amt des Verwalters

Werden mehrere Bewerber um das Amt des Verwalters zur Wahl gestellt, muss über jeden Kandidaten abgestimmt werden, sofern nicht ein Bewerber die absolute Mehrheit erreicht und die Wohnungseigentümer nur eine Ja-Stimme abgeben können.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) in einem entsprechenden Fall. Bei der Wahl des Verwalters standen neben der bisherigen Verwalterin drei weitere Bewerber zur Verfügung. Bei der Abstimmung über den Beschlussvorschlag 1 entfielen auf die Ja-Stimmen 463,40/1.000 Miteigentumsanteile und auf die Nein-Stimmen 382,25/1.000 Miteigentumsanteile sowie 89,70/1.000 Miteigentumsanteile auf Enthaltungen. Der Versammlungsleiter stellte daraufhin fest, dass die bisherige Verwalterin wiedergewählt sei und es daher keiner weiteren Abstimmungen bedürfe.

Diese Vorgehensweise hielt der BGH für unwirksam. Bedingt durch den vorzeitigen Abbruch des Wahlaktes fehle es an der notwendigen Stimmenmehrheit. Würden die Stimmenthaltungen nicht mitgezählt, wäre zwar die bisherige Verwalterin wiedergewählt. Dieses Abstimmungsergebnis genüge aber nicht, da mehrere Kandidaten zur Wahl gestanden hätten. Es sei nicht auszuschließen, dass alle diejenigen, die sich bei dem ersten Kandidaten enthalten oder gegen ihn gestimmt hätten, sich für einen anderen Kandidaten entschieden hätten, auf diesen also mehr Stimmen entfallen wären als auf den ersten Kandidaten. Bei der gewählten Vorgehensweise sei das Ergebnis ein zufälliges, denn es hänge davon ab, über welchen Vorschlag zuerst abgestimmt werde. (BGH, Urteil vom 18.1.2019, V ZR 324/17)

WEG: Beschluss über Fortgeltung eines konkreten Wirtschaftsplans ist wirksam

Die Wohnungseigentümer haben die Kompetenz zu beschließen, dass ein konkreter Wirtschaftsplan bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan fortgelten soll.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH). Die Richter machten aber auch deutlich, dass eine abstrakt-generelle Regelung des Inhalts, dass jeder künftige Wirtschaftsplan bis zur Verabschiedung eines neuen fortgelten soll, hingegen besonders vereinbart werden müsse.

Im vorliegenden Fall bezog sich der gefasste Beschluss nur auf die Fortgeltung des konkreten Wirtschaftsplans 2015. Er ordnete nicht an, dass alle zukünftig beschlossenen Wirtschaftspläne generell fortgelten würden. Die Eigentümer wurden nicht grundsätzlich von der jährlichen Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan entbunden. Vielmehr sorgte der Beschluss lediglich für den Fall vor, dass sich die Eigentümer nicht über einen neuen Plan einigen konnten. Damit wurde die Teilungserklärung nicht dauerhaft abgeändert. Im Ergebnis hat die Eigentümerversammlung ihren Beschluss damit wirksam getroffen. (BGH, Urteil vom 14.12.2018, V ZR 2/18)

Mietminderung: Wer eine provisorische Mangelbeseitigung ablehnt, kann sein Minderungsrecht verlieren

Lehnt der Mieter eine vom Vermieter angebotene provisorische Zwischenlösung zur Beseitigung eines von ihm angezeigten Mangels ab, kann er das Recht zur Mietminderung ab dem Zeitpunkt verlieren, ab dem die provisorische Zwischenlösung voraussichtlich abgeschlossen worden wäre.

So entschied es das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg im Fall einer Wohnung, in der die Gastherme ausgefallen war. Sie versorgte die Wohnung sowohl mit Wärme als auch mit Warmwasser. Da sich der Mangel nicht innerhalb kurzer Zeit beheben ließ, schlug der Vermieter vor, die Wohnung zunächst mit Radiatoren zu beheizen und provisorisch einen Warmwasserboiler einzubauen. Dies lehnte der Mieter allerdings ab.

Das Amtsgericht stellte klar, dass grundsätzlich eine Mietminderung von 50 Prozent berechtigt wäre. Diese Mietminderung gelte aber nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Versorgung mit Wärme und Warmwasser provisorisch hätte wiederhergestellt werden können. Danach bestehe kein Minderungsrecht des Mieters mehr. (Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 4.12.2018, 224 C 297/18)