Personengesellschaften und deren Gesellschafter: Erschütterung des Anscheinsbeweises für private Pkw-Nutzung

Befindet sich ein Pkw im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Pkw auch privat genutzt wird. Dieser Anscheinsbeweis kann jedoch durch weitere Fahrzeuge im Privatvermögen der Gesellschafter erschüttert werden.

So entschied es das Finanzgericht (FG) Münster im Fall einer GmbH & Co. KG, die im Betriebsvermögen einen BMW X3 hielt. Dieser wurde von verschiedenen Arbeitnehmern für Technikereinsätze, Botengänge, Auslieferungen und als Ersatzfahrzeug genutzt. Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt. An der Gesellschaft waren drei Kommanditisten (ein Vater und zwei Söhne) beteiligt. Das Finanzamt setzte für den BMW X3 einen Privatnutzungsanteil an, den es nach der Ein-Prozent-Regelung berechnete. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, dass allen Gesellschaftern ausreichend Fahrzeuge zur Verfügung gestanden hätten, die dem Betriebsfahrzeug in Status und Gebrauchswert zumindest vergleichbar seien. Das FG Münster gab der Klage vollumfänglich statt.

Zwar entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein betriebliches Kraftfahrzeug, das zum privaten Gebrauch geeignet ist und zur Verfügung steht, auch privat genutzt wird. Insoweit besteht ein Anscheinsbeweis, der ausnahmsweise erschüttert werden kann. Der Steuerpflichtige muss zwar nicht beweisen, dass keine private Nutzung stattgefunden hat. Allerdings ist es erforderlich, dass vom Steuerpflichtigen ein Sachverhalt dargelegt – und im Zweifelsfall nachgewiesen – wird, der es ernstlich möglich erscheinen lässt, dass sich die Sache anders als nach den allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen abgespielt hat.

Im Streitfall war das FG davon überzeugt, dass der BMW X3 tatsächlich nicht privat genutzt worden ist, da den Kommanditisten im Streitzeitraum in Status und Gebrauchswert zumindest vergleichbare Fahrzeuge zur Verfügung gestanden haben.

Hinweis: Bei Arbeitnehmern verhält sich die Rechtslage anders. Hier führt die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung eines Dienstwagens für die Privatnutzung zu einem lohnsteuerlichen Vorteil – und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer den betrieblichen Pkw tatsächlich privat nutzt. Ob der Arbeitnehmer den Anscheinsbeweis zu entkräften vermag, ist für die Besteuerung des Nutzungsvorteils unerheblich.

Hat der Arbeitgeber allerdings ein Nutzungsverbot ausgesprochen, liegt kein geldwerter Vorteil vor. Das Nutzungsverbot muss durch entsprechende Unterlagen (z. B. eine arbeitsvertragliche oder andere arbeits- oder dienstrechtliche Rechtsgrundlage) nachgewiesen werden.

Nach einem aktuellen Schreiben des Bundesfinanzministeriums steht dem Nutzungsverbot ein ausdrücklich mit Wirkung für die Zukunft erklärter schriftlicher Verzicht des Arbeitnehmers auf die Privatnutzung gleich, wenn aus außersteuerlichen Gründen ein Nutzungsverbot des Arbeitgebers nicht in Betracht kommt und der Nutzungsverzicht dokumentiert wird. Die Nutzungsverzichtserklärung ist als Beleg zum Lohnkonto aufzubewahren. (FG Münster, Urteil vom 21.3.2018, 7 K 388/17 G,U,F)

Freiberufler und Gewerbetreibende: Größenklassen als Anhaltspunkt für die Häufigkeit einer Betriebsprüfung

Nach Verwaltungsmeinung sind größere Unternehmen prüfungswürdiger als kleinere. Also kommt es für die Wahrscheinlichkeit einer Betriebsprüfung nicht zuletzt darauf an, ob ein Unternehmen als Kleinst,- Klein-, Mittel- oder Großbetrieb eingestuft wird. Die neuen Abgrenzungsmerkmale, die ab dem 1.1.2019 gelten, hat das Bundesfinanzministerium nun veröffentlicht.

Die Einordnung in Größenklassen erfolgt nach der Betriebsart (z. B. Handelsbetriebe und Fertigungsbetriebe), dem Umsatz und dem steuerlichen Gewinn. Alle drei Jahre werden neue Abgrenzungsmerkmale festgelegt, sodass die ab 1.1.2019 geltenden Umsatz- und Gewinngrößen für den Prüfungsturnus 2019 bis 2021 maßgebend sind.

Für Handelsbetriebe gilt z. B. die nachfolgende Klassifizierung. Dabei reicht es aus, dass eine der beiden Grenzen überschritten wird. Zum besseren Vergleich sind auch die Umsatz- und Gewinngrößen ab 1.1.2016 (Prüfungsturnus 2016 bis 2018) aufgeführt:

Klassifizierung für Handelsbetriebe

Größenklasse

Umsatz (in EUR)

Gewinn (in EUR)

Großbetrieb

ab 1.1.2016

ab 1.1.2019

8.000.000

8.600.000

310.000

335.000

Mittelbetrieb

ab 1.1.2016

ab 1.1.2019

1.000.000

1.100.000

62.000

68.000

Kleinbetrieb

ab 1.1.2016

ab 1.1.2019

190.000

210.000

40.000

44.000

(BMF-Schreiben vom 13.4.2018, IV A 4 – S 1450/17/10001)

Strafprozessrecht: Bei Verdacht der Insolvenzverschleppung ist eine Wohnungsdurchsuchung unverhältnismäßig

Um bei einem Beschuldigten eine Durchsuchung anordnen zu können, muss der konkrete Verdacht bestehen, dass eine Straftat begangen wurde. Vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen dafür nicht aus.

Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem aktuellen Beschluss erneut hervorgehoben. Aufgrund einer Anzeige hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche einer GmbH wegen Insolvenzverschleppung eingeleitet. Anschließend beantragte sie für die Firmenräume und die Privatwohnung des Geschäftsführers beim Ermittlungsrichter sofort einen Durchsuchungsbeschluss. Der wurde auch zeitnah vollzogen. Nachdem sich die Ermittlungen ein Jahr hingezogen hatten, wurde das Verfahren mangels Nachweis einer Straftat eingestellt. Eine vorangegangene Beschwerde des Beschuldigten gegen die richterliche Anordnung war erfolglos geblieben. Das BVerfG stellte demgegenüber einen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) fest.

Die Richter machten deutlich, dass mit einer Durchsuchung stets ein schwerwiegender Eingriff in die vom Grundgesetz geschützte räumliche Lebenssphäre des Einzelnen verbunden ist. Um diesen zu rechtfertigen, ist ein erheblicher Anfangsverdacht erforderlich. Dieser muss über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen und auf konkreten Tatsachen beruhen. Eine Durchsuchung darf daher nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines solchen Anfangsverdachts erst erforderlich sind. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der allgemeingültige Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine derartige staatliche Maßnahme ist unverhältnismäßig, wenn naheliegende grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des im jeweiligen Verfahrensabschnitt bestehenden Tatverdachts steht.

Diese Prinzipien sahen die Richter als verletzt an, weil aus ihrer Sicht schon kein hinreichender Anfangsverdacht gegeben war. Nähere Erkenntnisse zu den finanziellen Verhältnissen der GmbH fehlten zu Beginn der Ermittlungen vollständig. Außerdem hatte der Geschäftsführer explizit erklärt, die – unstreitigen – offenen Mietforderungen sollten mit konkreten Gegenforderungen verrechnet werden. Bei dieser Sachlage hätten die Ermittlungsbehörden vor einer Durchsuchung zuerst alle naheliegenden, weniger eingriffsintensiven Ermittlungsmaßnahmen in Betracht ziehen müssen. (BVerfG, Beschluss vom 10.1.2018, 2 BvR 2993/14)

Gesellschaftsrecht: GbR als Außengesellschaft ist kein Verbraucher

Eine als Außengesellschaft rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter eine natürliche Person und eine juristische Person sind, ist kein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB in der bis zum 13. Juni 2014 geltenden Fassung.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) in einem entsprechenden Streitfall. Die Richter verdeutlichten, dass dies unabhängig davon gelte, ob die Gesellschaft lediglich zu privaten Zwecken und nicht gewerblich oder selbstständig beruflich tätig ist. (BGH, Urteil vom 30.3.2017, VII ZR 269/15)

Sachbezüge: 44 EUR-Freigrenze bei vergünstigter Fitnessstudio-Nutzung

Der geldwerte Vorteil aus der vergünstigten Nutzung von Fitness-Studios fließt Arbeitnehmern monatlich zu, wenn sie keinen über die Dauer eines Monats hinausgehenden, unentziehbaren Nutzungsanspruch haben. Somit ist, so das Finanzgericht (FG) Niedersachsen, die monatliche Freigrenze von 44 EUR anwendbar.

Ein Arbeitgeber hatte eine Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung mit einer Firma geschlossen, die über 1.300 Anlagen der ihrem Verbund angeschlossenen Partnereinrichtungen anbietet. Das Programm sieht vor, dass Unternehmen Nutzungslizenzen zu einem ermäßigten Preis erwerben und den Beschäftigten die Trainingsmöglichkeit bei den Partnern einräumen. Die Vertragslaufzeit galt für 12 Monate und verlängerte sich ohne fristgerechte Kündigung.

Das Finanzamt war der Meinung, dass die monatliche 44 EUR-Freigrenze für Sachbezüge überschritten sei, weil den Arbeitnehmern der geldwerte Vorteil im Zeitpunkt der Überlassung der Teilnahmeberechtigung für den gesamten Zeitraum eines Jahres zufließe.

Doch das sah das FG Niedersachsen anders. Die monatliche Freigrenze wurde im Streitfall nach Anrechnung der von den Arbeitnehmern gezahlten Entgelte nicht überschritten. Entgegen der Auffassung des Finanzamts fließt den Beschäftigten der geldwerte Vorteil nicht für den Zeitraum eines Jahres, sondern vielmehr während der Dauer ihrer Teilnahme fortlaufend monatlich zu.

In seiner Urteilsbegründung grenzte das FG seine Entscheidung insbesondere von einem Urteil des Bundesfinanzhofs aus 2012 ab. Dieser hatte entschieden: Räumt der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern durch Vereinbarung mit einem Verkehrsbetrieb das Recht zum Erwerb einer vergünstigten Jahresnetzkarte (Job-Ticket) ein, fließt der Vorteil den Arbeitnehmern bereits in dem Zeitpunkt zu, in dem sie die Jahresnetzkarten erwerben.

Praxistipp: Bei der monatlichen Überlassung einer Monatsmarke oder einer monatlichen Fahrberechtigung für ein Job-Ticket, das für einen längeren Zeitraum gilt, ist die Freigrenze demgegenüber anwendbar. Dies ergibt sich aus den Lohnsteuerrichtlinien.

Im Gegensatz zum vergünstigten Erwerb einer Jahresfahrkarte erlangen die Beschäftigten durch die Aushändigung des Mitgliedsausweises keinen unentziehbaren Anspruch, sondern nur das (entziehbare) Recht zur Nutzung der Einrichtungen für die Dauer der aktivierten Karte. Im Streitfall konnten die Arbeitnehmer den Wert des Nutzungsrechts nicht im Zeitpunkt der Einräumung in vollem Umfang, sondern nur monatlich realisieren, sodass von einem fortlaufenden, monatlichen Zufluss auszugehen ist. (FG Niedersachsen, Urteil vom 13.3.2018, 14 K 204/16)

Sonderausgaben: Kein Sonderausgabenabzug für selbst gezahlte Krankheitskosten

Trägt ein privat krankenversicherter Steuerpflichtiger seine Krankheitskosten selbst, um dadurch die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung zu schaffen, können diese Kosten nicht als Sonderausgaben abgezogen werden.

Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. In dem Fall hatten privatversicherte Eheleute Beiträge zur Erlangung des Basisversicherungsschutzes gezahlt. Um in den Genuss von Beitragserstattungen zu kommen, hatten sie Krankheitskosten selbst getragen und nicht bei ihrer Krankenkasse geltend gemacht. Zur Ermittlung der als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge kürzte der Ehemann die gezahlten Beiträge um die erhaltenen Beitragserstattungen, rechnete aber die selbst getragenen Krankheitskosten gegen, da er und seine Ehefrau insoweit wirtschaftlich belastet seien. Weder das Finanzamt noch das Finanzgericht folgten seiner Auffassung. Und auch in der Revision war er erfolglos.

Nach dem gesetzlichen Wortlaut muss es sich um „Beiträge zu Krankenversicherungen“ handeln. Daraus folgt, dass nur solche Ausgaben als Beiträge zu Krankenversicherungen anzusehen sind, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen und damit – als Vorsorgeaufwendungen – letztlich der Vorsorge dienen. Daher hatte der BFH bereits in 2016 entschieden, dass Zahlungen aufgrund von Selbst- bzw. Eigenbeteiligungen an entstehenden Kosten keine Beiträge zu einer Versicherung sind.

Beachten Sie: Die selbst getragenen Krankheitskosten waren im Streitfall auch nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Der Abzug scheiterte, weil die zumutbare Eigenbelastung (abhängig vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und der Anzahl der Kinder) nicht überschritten war.

Praxistipp: Da der Abzug selbst getragener Kosten regelmäßig scheitern wird, sollte vorher durchgerechnet werden, ob sich eine Beitragsrückerstattung unter dem Strich überhaupt lohnt. Vereinfacht: Trägt ein Steuerpflichtiger mit einem unterstellten Steuersatz von 30 Prozent Krankheitskosten in Höhe von 400 EUR selbst, um eine Beitragsrückerstattung von 500 EUR zu erhalten, ergibt sich unter dem Strich „ein Minus“ von 50 EUR. Denn dem finanziellen Vorteil von zunächst 100 EUR (500 EUR abzüglich 400 EUR) steht eine steuerliche Mehrbelastung von 150 EUR (30 Prozent von 500 EUR) gegenüber. (BFH, Urteil vom 29.11.2017, X R 3/16)

Richtiger Steuerpflichtiger: Zur Zurechnung von Verkäufen über eBay

Umsätze aus Verkäufen über die Internet-Auktions-Plattform eBay sind der Person zuzurechnen, unter deren Nutzernamen die Verkäufe ausgeführt worden sind. Diese Person ist der umsatzsteuerliche Unternehmer, der die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen muss.

Das folgt aus einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg. Findet die Internetauktion ausschließlich unter Verwendung des Nutzernamens statt, wird dem Meistbietenden Folgendes suggeriert: Die Person, die das Verkaufsangebot unterbreitet, ist die gleiche Person, die sich den anonymen Nutzernamen hat zuweisen lassen. Nur diese Person kann bei Leistungsstörungen zivilrechtlich auf Vertragserfüllung in Anspruch genommen werden und ist folglich auch der Unternehmer.

Ob die Umsätze eines „privaten“ eBay-Verkäufers der Umsatzsteuer unterliegen, ist mitunter schwierig zu beurteilen und hängt von dem Gesamtbild der Verhältnisse ab. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht fehlt, Gewinn zu erzielen. Zu berücksichtigen sind u. a. die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Entgelte, die Beteiligung am Markt und die Zahl der ausgeführten Umsätze.

Wenn der Umsatz im laufenden Jahr voraussichtlich maximal 50.000 EUR beträgt und im Vorjahr nicht mehr als 17.500 EUR betragen hat, wird keine Umsatzsteuer erhoben. Auf diese Kleinunternehmerregelung kann aber per Antrag verzichtet werden. (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2017, 1 K 2431/17)

Betreuungsfreibetrag: Widerspruch bei Übertrag des Betreuungsfreibetrags

Jeder Elternteil hat grundsätzlich Anspruch auf den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes (BEA-Freibetrag) in Höhe von 1.320 EUR. Sind die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung aber nicht erfüllt, kann der Elternteil, bei dem das minderjährige Kind gemeldet ist, beantragen, dass ihm der BEA-Freibetrag des anderen Elternteils übertragen wird. Zu den Voraussetzungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun Stellung genommen.

In dem Fall hatten die getrennt lebenden Eltern vereinbart, dass sich die Kinder von Freitag 15 Uhr bis Sonntag um 19 Uhr und die Hälfte der Ferien bei ihrem Vater aufhalten. Das waren rund 86 Tage und knapp 25 Prozent der Tage eines Kalenderjahrs. Die Mutter beantragte die Übertragung des BEA-Freibetrags. Der Vater berief sich indes auf die gesetzliche Regelung, wonach der Übertragung widersprochen werden kann, wenn der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut. Die Mutter meinte, 86 Tage p. a. seien zu wenig.

Das sahen das Finanzgericht und der BFH jetzt aber anders. Der BFH stellte aus Vereinfachungsgründen heraus: Bei einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 Prozent ist das Kriterium in einem „nicht unwesentlichen Umfang“ grundsätzlich erfüllt. Weitere Indizien können in diesem Fall regelmäßig vernachlässigt werden. Anders als im Schrifttum vorgeschlagen, ist insoweit nicht erst ab einem Betreuungsanteil von ca. 25 Prozent oder einer Betreuung an durchschnittlich zwei von sieben Tagen in der Woche von einer Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang auszugehen. Denn der Gesetzgeber fordert nur, dass der Betreuungsumfang nicht unwesentlich ist.

Beachten Sie: Eine besondere Form für den Widerspruch ist nicht gesetzlich festgelegt. Nach der Entscheidung des BFH reicht es für einen wirksamen Widerspruch zumindest aus, wenn der Steuerpflichtige der Übertragung seines BEA-Freibetrags im Zuge eines Einspruchs gegen seinen Einkommensteuerbescheid widerspricht. (BFH, Urteil vom 8.11.2017, III R 2/16)

Diesel-Fahrverbot: Vorläufiger Rechtsschutz gegen Betriebsuntersagung für Diesel-PKW

Will die Behörde den Betrieb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Diesel-Pkw untersagen, muss die dies sehr exakt begründen. Anderenfalls ist die einstweilige Anordnung rechtswidrig.

Das zeigt eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Sigmaringen. Antragsteller in dem Verfahren ist der Halter eines VW Passat. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Das Landratsamt Sigmaringen setzte ihn davon in Kenntnis, dass nach einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts an seinem Fahrzeug ein Mangel bestehe, weil er nicht fristgerecht an der Rückrufaktion zur Umrüstung seines Fahrzeugs teilgenommen habe. Es sei nach wie vor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, die entfernt werden müsse. Das Landratsamt forderte den Antragsteller zur Mängelbeseitigung bis spätestens 28.2.2018 auf. Andernfalls werde der Betrieb des Fahrzeugs untersagt und das Fahrzeug zwangsweise außer Betrieb gesetzt. Nachdem keine Reaktion des Antragstellers erfolgte, untersagte das Landratsamt dem Antragsteller den Betrieb des Fahrzeugs und ordnete die sofortige Vollziehung der Untersagung an. Hiergegen legte der Antragsteller bei der Behörde Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz, um der Betriebsuntersagung vorläufig nicht Folge leisten zu müssen.

Der Antrag hatte Erfolg. Das Gericht führt aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Betriebsuntersagung sei bereits nicht ausreichend schriftlich begründet worden. Das Landratsamt habe einen ersichtlich unpassenden Textbaustein als (alleiniges) Begründungselement verwendet. Das genüge dem gesetzlichen Begründungserfordernis nicht. Im Übrigen spreche vieles dafür, dass die Betriebsuntersagung ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sei. Das Landratsamt habe zur knappen Begründung der Betriebsuntersagung formelhaft auf die „Sicherheit und Gesundheit von Personen“ abgestellt, die durch „Art und Umfang des Mangels“ erheblich gefährdet seien. Umweltschutzgesichtspunkte oder Belange der Luftreinhaltung würden nicht erwähnt. Damit liege der Ermessensausübung derzeit ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde, da vom Fahrzeug des Antragstellers keine unmittelbaren Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer ausgingen. Selbst wenn man der Ermessensausübung das Bemühen um Luftreinhaltung und allgemeinen Gesundheitsschutz zugrunde legen wollte, fehlte es an der hierfür erforderlichen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, um eine verhältnismäßige Entscheidung treffen zu können. Denn weder aus dem Bescheid noch aus der Verwaltungsakte oder dem gerichtlichen Vorbringen des Landratsamts ergebe sich, weshalb die Betriebsuntersagung eines einzelnen Fahrzeugs erforderlich und im Einzelfall auch angemessen sein sollte.

Hinweis: Um Missverständnisse zu vermeiden, weist die Kammer darauf hin, dass der Erlass sofort vollziehbarer Betriebsuntersagungen für den Fall des trotz Mängelbeseitigungsfrist weiter festzustellenden Vorhandenseins unzulässiger Abschalteinrichtungen nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheine. (VG Sigmaringen, Beschluss vom 4.4.2018, 5 K 1476/18)

Haftungsrecht: Überschreiten der Richtgeschwindigkeit muss keine Haftungsquote begründen

Verursacht ein vom rechten auf den linken Fahrstreifen einer Autobahn wechselnder Verkehrsteilnehmer einen Auffahrunfall, weil er den rückwärtigen Verkehr nicht beachtet, kann dem auffahrenden Verkehrsteilnehmer 100-prozentiger Schadenersatz zustehen. Das gilt auch, wenn er die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h vor dem Zusammenstoß – maßvoll – überschritten hat.

Unter Hinweis auf diese Rechtslage hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm ein Urteil des LG Essen bestätigt. In dem Fall befuhr der seinerzeit 30 Jahre alte Sohn des Klägers mit dessen Pkw die linke Fahrspur der Autobahn. Er beabsichtigte, den auf der rechten Fahrspur fahrenden Beklagten mit einer Geschwindigkeit von ca. 150 km/h zu überholen. Als er sich dem Fahrzeug des Beklagten bereits genähert hatte, wechselte dieser ohne ersichtlichen Grund und ohne zu blinken auf die linke Fahrspur. Es kam zum Auffahrunfall.

Das LG hat dem Kläger vollen Ersatz des Unfallschadens zuerkannt. Der Beklagte habe den Unfall verschuldet. Er habe den Fahrstreifenwechsel nicht rechtzeitig und deutlich angekündigt. Zudem habe er ihn auch nicht so ausgeführt, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen sei. Das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit sei wegen dieses groben Verschuldens nicht zu berücksichtigen.

Mit ihrer Berufung haben die Beklagten geltend gemacht, das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit habe die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs so erhöht, dass eine Mithaftung des Klägers in Höhe von 25 Prozent gerechtfertigt sei.

Dieser Argumentation hat sich das OLG nicht angeschlossen und die Berufung zurückgewiesen. Das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit begründe im vorliegenden Fall keine Mithaftung des Klägers, so der Senat. Dies folge aus der gebotenen Haftungsabwägung. Den Beklagten treffe ein erhebliches Verschulden. Aus Unachtsamkeit und ohne den rückwärtigen Verkehr zu beobachten habe er sein Fahrzeug auf die linke Fahrspur herübergezogen. Demgegenüber sei nicht bewiesen, dass der Sohn des Klägers einen mitverursachenden Verkehrsverstoß begangen habe. Er habe nicht mit einem plötzlichen Spurwechsel des Beklagten rechnen müssen, weil die Autobahn vor dessen Fahrzeug frei war. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung sei auf dem Streckenabschnitt der BAB nicht angeordnet. Die Geschwindigkeit von 150 km/h sei mit den Straßen- und Sichtverhältnissen vereinbar gewesen.

Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs falle aufgrund des erheblichen Verschuldens des Beklagten im Abwägungsverhältnis nicht mehr ins Gewicht. Aus der maßvollen Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um 20 km/h habe sich keine Gefahrensituation für den vorausfahrenden Beklagten ergeben. Im Unfall habe sich die mit der Überschreitung der Richtgeschwindigkeit für einen vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer häufig verbundene Gefahr, dass die Annäherungsgeschwindigkeit des rückwärtigen Verkehrs unterschätzt werde, nicht verwirklicht. Der Beklagte habe aus Unachtsamkeit und ohne den rückwärtigen Verkehr überhaupt zu beobachten einen ungewollten Fahrstreifenwechsel ausgeführt. In diesem Fall habe das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit für den Beklagten nicht gefahrerhöhend gewirkt. Davon habe auch der Sohn des Klägers ausgehen dürfen. Er habe aufgrund der freien Autobahn darauf vertrauen dürfen, dass der Beklagte den rechten Fahrstreifen nicht grundlos verlasse. (OLG Hamm, Beschlüsse vom 21.12.2017 und 8.2.2018, 7 U 39/17)