Ausbildungsförderung: Arbeitslosengeld II für behinderten Teilzeit-Studenten

Ein Teilzeitstudium ist nicht nach dem BAföG förderungsfähig. Denn es nimmt die Arbeitskraft des Studierenden nicht voll in Anspruch. Teilzeit-Studierende können aber Arbeitslosengeld II beanspruchen. Dies entschied jetzt das Landessozialgericht (LSG) Darmstadt.

Behinderter Teilzeit-Student beantragt Arbeitslosengeld II

Ein 1978 geborener und an Epilepsie erkrankter Mann studierte ab dem Jahr 2012 Theologie. Er brach dieses Studiums wieder ab und nahm im Jahr 2018 ein Studium der Geschichts- und Kulturwissenschaften auf. Die Universität gewährte dem Studenten aufgrund seiner chronischen Erkrankung ein Studium in Teilzeit.

Sein BAföG-Antrag wurde im Februar 2020 wegen des Fachrichtungswechsels abgelehnt. Daraufhin lehnte das Jobcenter den Antrag des Studenten auf Arbeitslosengeld II ab.

Teilzeit-Studierende ohne BAföG nicht von Arbeitslosengeld II ausgeschlossen

Das LSG verurteilte das Jobcenter im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Studenten Arbeitslosengeld II zu gewähren. Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, hätten über die Leistungen nach dem SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die gesetzliche Regelung bezwecke, dass Ausbildungsförderung nur über das dafür vorgesehene System (BAföG) gewährleistet werde. Ein Teilzeitstudium sei nach dem BAföG jedoch nicht förderungswürdig, weil es die Arbeitskraft des Studierenden nicht voll in Anspruch nehme. Sogenannte Hartz IV-Leistungen seien in diesen Fällen nicht ausgeschlossen.

Ob in Teilzeit studiert werde, sei für das jeweilige Semester zu entscheiden und richte sich nicht nach den Verhältnissen der gesamten Ausbildung.

Der Beschluss ist unanfechtbar. (LSG Hessen, Beschluss vom 15.12.2020, L 9 AS 535/20 B ER; PM Nr. 1/21 vom 12.1.2021)

Corona-Pandemie: Hunde dürfen weiter frisiert werden

Viele Menschen warten nach der fortdauernden Schließung im Friseurhandwerk darauf, dass sie ab dem 1. März 2021 endlich wieder einen akkuraten Haarschnitt erhalten dürfen. Neid auf Vierbeiner könnte die folgende Entscheidung auslösen: Die Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Hundefriseurin in einem Hundesalon ist nicht durch die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7.1.2021 verboten. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster jetzt festgestellt.

Mit dem Beschluss hat das Gericht dem Eilantrag einer Hundefriseurin aus Emsdetten stattgegeben. Die Stadt Emsdetten hatte der Antragstellerin am 17.12.2020 auf Anfrage mitgeteilt, nach den Regelungen des neuerlichen Lockdowns, nach denen das öffentliche Leben bis auf die Versorgung mit Lebensmitteln und wichtigen Gütern des täglichen Bedarfs praktisch komplett herunterzufahren sei, sei der Hundefriseursalon der Antragstellerin vorläufig bis zum 10.1.2021 zu schließen. Hiergegen hatte sich die Antragstellerin mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das VG gewandt.

Das Gericht gab dem Antrag nun mit der Begründung statt: Die Coronaschutzverordnung auch in der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Fassung vom 7.1.2021 verbiete die Ausübung der beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin nicht. Hiernach seien Dienstleistungen und Handwerksleistungen untersagt, bei denen ein Mindestabstand von 1,5 Metern zum Kunden nicht eingehalten werden könne, insbesondere Friseurdienstleistung, Gesichtsbehandlung, Kosmetik, Nagelpflege, Maniküre, Massage, Tätowieren und Piercen. Im Übrigen blieben Einrichtungen des Handwerks und des Dienstleistungsgewerbes geöffnet, z. B. Reinigungen, Waschsalons, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten und Autovermietung. Die Antragstellerin biete als Hundefriseurin Dienst- bzw. Handwerksleistungen an. Der Mindestabstand von 1,5 Metern zum Kunden werde nach deren Angaben eingehalten. Danach werde der Hund des Kunden unter Wahrung eines Abstands von 1,5 Metern an der Tür in Empfang genommen und das Entgelt in einer vor dem Haus auf einer Bank liegenden Dose deponiert, wobei sich einzelne Kunden nicht begegneten.

Soweit in der Coronaschutzverordnung exemplarisch aufgeführt sei, dass Friseurdienstleistungen untersagt seien, beziehe sich dies allein auf Friseurdienstleistungen, die an Menschen erbracht würden. Dies werde durch den Vergleich zu den ebenfalls aufgeführten Beispielen in der Verordnung bestätigt, wonach z. B. Kfz- und Fahrradwerkstätten geöffnet blieben. Auch hier komme es notwendigerweise zu einem Kontakt zwischen Dienstleister bzw. Handwerker und Kunde, wobei aber bei der Übergabe der zu reparierenden Sache die Unterschreitung eines Abstands von 1,5 Metern zur Erfüllung der Dienstleistung nicht erforderlich sei. Ebenso verhalte es sich bei der Übergabe eines Hundes zu Zwecken des Frisierens und Krallenschneidens. (VG Münster, Beschluss vom 11.1.2021, 5 L 7/21; PM vom 13.1.2021)

Vertragsrecht: Wenn die Bank den Darlehensvertrag unberechtigt kündigt …

Eine Bank, die einen Darlehensvertrag unberechtigterweise kündigt, verletzt ihre vertraglichen Pflichten. Sie muss dem Darlehensnehmer den hieraus entstehenden Schaden ersetzen. So hat es das Landgericht (LG) Bonn jetzt entschieden.

Die Bank hatte wegen der angeblichen Verschlechterung der Einkommensverhältnisse des Darlehensnehmers das Darlehen gekündigt. Doch das stimmte nicht. Sie muss dem Darlehensnehmer nun die kündigungsbedingten Anwaltskosten und die Abschlusskosten für den darlehensabsichernden Bausparvertrag erstatten. Der Darlehensnehmer muss sich nicht einmal die ersparten Zinsen anrechnen lassen. Der Deckungsdarlehensvertrag wurde nämlich niedriger verzinst.

Das LG: Die Bank genügt ihren Pflichten nicht, wenn sie den Kündigungsgrund nur auf Plausibilität prüft. Sie muss vielmehr vollständig prüfen und alle Erkenntnisquellen ausschöpfen. Ist der Kündigungsgrund also falsch, wird auf das Verschulden der Bank geschlossen. (LG Bonn, Urteil vom 17.9.2020, 19 O 251/19)

Corona-Pandemie: Kita- und Schulschließung: Eltern erhalten Entschädigung

Eltern haben Anspruch auf Entschädigung, wenn aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Kita-Ferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in der Schule ausgesetzt wird und sie deshalb Urlaub nehmen müssen. So steht es im „Gesetz über eine Corona-Sonderzahlung für Besoldungs- und Wehrsoldempfänger“, das von Bundestag und -rat beschlossen ist und rückwirkend ab dem 16.12.2020 in Kraft treten soll.

Voraussetzung für den Anspruch auf Entschädigung ist, dass keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind besteht. Anspruchsberechtigt sind Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und hilfebedürftig sind.

Betroffene Eltern haben Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des Verdienstausfalls, maximal jedoch von 2.016 Euro monatlich. Der Anspruch gilt für insgesamt 20 Wochen: jeweils zehn Wochen für Mütter und zehn Wochen für Väter bzw. 20 Wochen für Alleinerziehende. Der Maximalzeitraum kann über mehrere Monate verteilt werden.

Beachten Sie: Auch der Anspruch auf Kinderkrankentage (Bezug des Kinderkrankengeldes über die Krankenkasse) wurde rückwirkend zum 1.1.2021 erhöht. Kinderkrankentage können demnach nicht nur im Krankheitsfall des Kindes, sondern auch bei zwingender Betreuung zu Hause (z. B. Homescooling aufgrund der Corona-Pandemie) beantragt werden. (Gesetz über eine Corona-Sonderzahlung für Besoldungs- und Wehrsoldempfänger)

„Hilfe-Info“: Neues Onlineportal für Betroffene von Straftaten

Das Bundesjustizministerium hat mit „Hilfe-Info“ ein neues Portal für Personen konzipiert, die direkt oder indirekt von einer Straftat betroffen sind. Dazu zählen sowohl die Opfer als auch deren Angehörige sowie Zeugen. Das Portal bündelt allgemeine Informationen, nennt lokale Beratungsstellen und informiert über Rechte auf Entschädigung.

Vor allem Senioren sind häufig von Betrugsversuchen am Telefon oder in der Wohnung betroffen. Ältere Menschen profitieren von dem neuen Portal „Hilfe-Info“, auf dem sich übersichtlich gegliedert wichtige Informationen abrufen lassen: www.hilfe-info.de.

Das neue Portal hält außerdem Merkblätter zum Download bereit, die den Ablauf eines Ermittlungsverfahrens erklären oder zeigen, wie man sich nach einem Einbruch oder körperlichen Angriff verhält. Das Portal informiert über psychologische Unterstützung und nennt Kontaktstellen für Personen, die sich akut von einer Straftat bedroht fühlen. Die Beratungsstellen arbeiten auf Wunsch auch anonym.

Das Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend bietet begleitend die Broschüre „Sicher leben im Alter“ (Stand: Januar 2020) an, die Sie herunterladen bzw. deren Inhalt Sie sich direkt online vorlesen lassen können: www.iww.de/s4316.

Schulstreitigkeiten: Kinder haften nicht für ihre Eltern

Ein Schüler kann nicht allein wegen des Verhaltens seines Vaters gegenüber Schulleitung und Lehrer an eine andere Schule überwiesen werden. Das hat jetzt das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden.

Der 15-jährige Antragsteller besucht eine Schule in Berlin-Tempelhof. Seit mehr als zwei Jahren gibt es erhebliche Auseinandersetzungen zwischen dessen Vater und der Schule. Der Vater stellte zahlreiche Dienstaufsichtsbeschwerden, Petitionen, Befangenheitsanträge und Strafanzeigen. Er erschien vor der Schule, sprach Schüler und Lehrkräfte an und erstellte Videos, die er auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte. Ein Großteil der Lehrkräfte der Schule fühlte sich vom Vater bedroht; die beiden Klassenlehrerinnen und die Schulleiterin waren zwischenzeitlich dienstunfähig erkrankt. Der Antragsteller selbst weist nach dem Zeugnis des Schuljahres 2019/2020 durchgängig gute bis sehr gute Leistungen auf. Seine Lern- und Leistungsbereitschaft, Arbeitshaltung, Zuverlässigkeit, Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Teamfähigkeit und Verhalten werden mit „sehr ausgeprägt“ bewertet. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie sprach mit sofort vollziehbarem Bescheid die Überweisung des Antragstellers an eine andere Schule desselben Bildungsgangs aus. Zur Begründung berief sie sich auf das gestörte Verhältnis zwischen Vater und Schulleitung.

Der Eilantrag des Antragstellers war erfolgreich. Für seine Überweisung an eine andere Schule fehlt es an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Bei der Maßnahme handelt es sich wegen ihrer erheblichen Grundrechtsrelevanz um eine wesentliche Entscheidung, deren Voraussetzungen vom Gesetzgeber getroffen werden müssen und die nicht der Schulverwaltung überlassen werden darf. Die Überweisung auf eine andere Schule kann nicht als Ordnungsmaßnahme angesehen werden. Denn Voraussetzung hierfür ist eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Unterrichts- und Erziehungsarbeit oder eine Gefährdung anderer am Schulleben Beteiligter durch den Antragsteller selbst, woran es hier fehlt. Das Verhalten des Vaters kann dem Antragsteller nicht zugerechnet werden. Das Gericht ließ ausdrücklich offen, ob die Schule ggf. Maßnahmen gegen den Vater selbst richten kann, um Störungen zu unterbinden und den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. (VG Berlin, Beschluss vom 23.11.2020, VG 3 L 612/20; PM Nr. 62/2020 vom 27.11.2020)

Datenschutz: Eine E-Mail-Adresse ist noch keine Anschrift

Betreiber einer Videoplattform müssen keine E-Mail-Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen ihrer Nutzer herausgeben, falls diese urheberrechtlich geschützte Inhalte widerrechtlich auf die Plattform hochgeladen haben. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, nachdem er vorher den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefragt hatte.

Der Begriff „Anschrift“ im Sinne des Urheberrechts deckt sich nämlich mit dem Begriff „Adressen“ in einer einschlägigen EU-Richtlinie. Diese Richtlinienvorschrift ist nach dem EuGH dahin auszulegen, dass der darin genannte Begriff „Adressen“ sich, was einen Nutzer anbelangt, der durch das Hochladen von Dateien ein Recht des geistigen Eigentums verletzt hat, nicht auf die E-Mail-Adresse und Telefonnummer dieses Nutzers sowie die für das Hochladen dieser Dateien genutzten IP-Adresse oder die bei seinem letzten Zugriff auf das Benutzerkonto verwendete IP-Adresse bezieht. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Umfangs der Auskunft im deutschen Urhebergesetz über die Regelung der europäischen Richtlinie hinausgehen wollte. Es gibt, so der BGH, auch keinen darüberhinausgehenden Auskunftsanspruch aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 242 BGB, Leistung nach Treu und Glauben). (BGH, Urteil vom 10.12.2020, I ZR 153/17, PM Nr. 159/20)

Verbraucherschutz: Inkassoregulierung mit zweistufigem Inkrafttreten

Ende 2020 hat auch der Bundesrat dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht zugestimmt. Es wird teilweise am 1.1.21 (§ 25 RVG) und teilweise zum 1.10.21 in Kraft treten. Es betrifft u. a. die Anwaltsvergütung beim Erbringen von Inkassodienstleistungen.

Betroffen sind Inkassodienstleistungen, d. h. die Einziehung von fremden Forderungen, die im Wesentlichen unstreitig sind. Unerheblich bleibt nun, ob diese Leistung von Rechtsanwälten oder Inkassodienstleistern erbracht werden. Geschäfts- und Einigungsgebühr werden massiv gekürzt, vor allem bei Hauptforderungen unter 50 Euro und bei einer direkten Zahlung auf die erste Zahlungsaufforderung des Rechtsanwalts oder Inkassodienstleisters.

Neue Hinweispflichten für Inkassodienstleister sowie Anwälte gibt es, wenn diese Adressen von Schuldnern nicht vom Gläubiger mitgeteilt bekommen, sondern anderweitig ermittelt haben. Dann kann ein Identitätsdiebstahl vorliegen, bei dem unter fremdem Namen Waren bestellt werden. (Bundesgesetzblatt I 2020, Seite 3327)

Aktuelle Gesetzgebung: Neuregelung der Verbraucherinsolvenz

Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat kurz vor Weihnachten die Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens beschlossen. Das Gesetz tritt rückwirkend zum 1.10.20 in Kraft.

Das Gesetz verkürzt die Restschuldbefreiung in Insolvenzverfahren von sechs auf drei Jahre: Verbraucher sind damit unter bestimmten Voraussetzungen früher als bisher von nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber ihren Gläubigern befreit. Dies soll ihnen die Chance auf einen zügigen wirtschaftlichen Neuanfang nach der Insolvenz geben.

Damit auch durch die Corona-Pandemie in finanzielle Schieflage Geratene profitieren, gilt das Gesetz rückwirkend für alle ab dem 1.10.20 beantragten Insolvenzverfahren. Für Anträge, die zwischen dem 17.12.19 und dem 30.9.20 gestellt wurden, gibt es eine Übergangsregelung. („Bundesrat kompakt“ vom 18.12.2020 zu Tagesordnungspunkt 41)

Versicherungsrecht: Verspätete Anzeige des Versicherungsfalls nicht immer schuldhaft

Eine Versicherung kann sich nicht auf die verspätete Anzeige eines Versicherungsfalls berufen, wenn der Versicherungsnehmerin aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands weder die eigene Anzeige des Versicherungsfalls noch die Information ihres bevollmächtigten Ehemanns möglich war und der Ehemann keine Kenntnis von dem Versicherungsvertrag (Pflegetagegeldversicherung) besaß. So hat es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. entschieden.

Der Kläger begehrt von der beklagten Versicherung die rückwirkende Leistung von Pflegetagegeld für seine inzwischen verstorbene Frau. Diese unterhielt bei der Versicherung eine Pflegetagegeldversicherung für den Fall einer Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III). In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen hieß es u. a.: Wird der Antrag nach Ablauf des Monats gestellt, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, ist der Leistungsanspruch vom Beginn des Monats der Antragstellung gegeben. Bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls werden die Leistungen jedoch rückwirkend erbracht.

Der Kläger besaß eine Vorsorgevollmacht für seine Frau. Diese erlitt 2012 einen schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, vollständigem Verlust der Sprachfähigkeit und erheblichen Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens. Im Jahr 2013 erhielt sie die Pflegestufe III. Der Kläger meldete den Versicherungsfall im Jahr 2015 und beantragte eine rückwirkende Leistungserbringung ab 2013. Dies lehnte die Versicherung ab.

Das LG hat die Klage zwar abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung war aber erfolgreich. Die Versicherung kann sich nicht auf eine verspätete Anzeige des Versicherungsfalls gem. den Allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen. Die verspätete Anzeige ist unverschuldet erfolgt. Grundsätzlich muss der Versicherungsnehmer selbst den Versicherungsfall anzeigen. Der Frau war aber aufgrund des Schlaganfalls weder die eigene Anzeige noch eine Information des Klägers über die streitgegenständliche Versicherung möglich gewesen. Sie musste auch nicht im Sinne einer vorausschauenden Verhaltenspflicht den Kläger vor dem Eintritt des Versicherungsfalls über das Bestehen des Versicherungsvertrags informieren. Eine solche „Vorsorgeobliegenheit“ existiert nicht.

Der Kläger selbst hat auch nicht schuldhaft und in einer seiner Frau zuzurechnenden Weise eine frühere Meldung des Versicherungsfalls unterlassen. Er hatte unverschuldet keine Kenntnis vom Bestehen dieses Vertrags. Die ihm bekannten monatlichen Abbuchungen der Versicherungsbeiträge in Höhe von 20 Euro hatten keinen Anlass geboten, von einer derartigen Versicherung auszugehen. Aus dem Buchungstext hat sich allein ergeben, dass irgendein Versicherungsvertrag bei der Versicherung bestanden hat, nichts jedoch zur Art der Versicherung. (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.11.2020, 7 U 36/19)