Religionsfreiheit: Referendare dürfen Kippa tragen

Referendaren an Berliner Gerichten und bei der Berliner Staatsanwaltschaft ist es jetzt erlaubt, in Verhandlungen religiöse Symbole zu tragen (z. B. Kopftuch, Kreuz oder Kippa). Sie dürfen mit diesen religiösen Symbolen bekleidet etwa Sitzungen leiten, Zeugen befragen oder Anklagen verlesen.

Die Leitungen des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamts von Berlin und Brandenburg sowie des Kammergerichts und die Justizverwaltung erlauben dies mit Wirkung zum 1.8.2020 für den dann neuen Referendarsjahrgang. (dpa, Meldung vom 4.9.2020)

Kündigungen: Erst Leiharbeitnehmer kündigen, dann Stammmitarbeiter

Ein Arbeitgeber muss zunächst den bisher fortlaufend beschäftigten Leiharbeitskräften kündigen. Erst dann darf er den Stammbeschäftigten aus betriebsbedingten Gründen kündigen. Hält er sich nicht an diese Vorgehensweise, sind betriebsbedingte Kündigungen unwirksam. So entschied es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

Was war geschehen? Ein Arbeitgeber hatte einen Personalüberschuss. Aus diesem Grund kündigte er u. a. den Klägern, die zur Stammbelegschaft gehörten. Sie wehrten sich dagegen. Ihr Argument: Der Arbeitgeber hatte bereits ca. zwei Jahre, bevor die Kündigungen ausgesprochen wurden, dauerhaft mit nur kurzen Unterbrechungen sechs Zeitarbeitskräfte beschäftigt. Sie verlangten, dass zunächst diesen Zeitarbeitskräften gekündigt werde.

Die Kläger fanden sowohl beim Arbeitsgericht (ArbG) als auch beim LAG Gehör. Die Gerichte bewerteten die Kündigung als unwirksam. Denn im Kündigungszeitpunkt gab es eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit für die Kläger. Die Beklagte hat im Kündigungszeitpunkt einen dauerhaft bestehenden Arbeitsbedarf gehabt, den sie dem Kläger hätte zuweisen können. Die Leiharbeitnehmer seien auch keine bloße Personalreserve gewesen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen. (LAG Köln, Urteile vom 2.9.2020, 5 Sa 14/20)

Datenschutz: Zeiterfassung per Finger-Scan nicht verpflichtend

Ein Arbeitnehmer ist nicht zu einer Zeiterfassung per Fingerabdruck-Scanner verpflichtet. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Fall eines medizinisch-technischen Assistenten in einer radiologischen Praxis entschieden.

Begründung: Das System verarbeite biometrische Daten. Dies ist nur ausnahmsweise erlaubt. Nach der Datenschutz-Grundverordnung muss die Verarbeitung erforderlich sein, damit Arbeitgeber oder Arbeitnehmer die ihnen aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechte ausüben und ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen können. Das hatte der Arbeitgeber hier nicht dargelegt. Ein Erfassen ist daher nur mit Einwilligung des Arbeitnehmers zulässig. Der Arbeitgeber dürfe eine Weigerung auch nicht arbeitsrechtlich mit einer Abmahnung bestrafen. (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.6.2020, 10 Sa 2130/19)

Verbeamtete Lehrerin: Spirituelle Lebensberaterin ohne Nebentätigkeitsgenehmigung

Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat entschieden: Eine Lehrerin darf ohne Nebentätigkeitsgenehmigung nicht entgeltlich als spirituelle Lebensberaterin tätig sein. Eine Genehmigung für die Vergangenheit muss sie hierfür allerdings nachträglich nicht mehr beantragen. Sie hat ihrem Dienstherrn auch Auskunft über Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten zu geben. |

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin verbeamtete Lehrerin eines Berliner Gymnasiums. Gegen sie wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet wegen des Verdachts, dass sie ohne Nebentätigkeitsgenehmigung auf verschiedenen Internetplattformen, die unter anderem eine „seriöse und professionelle Zukunftsdeutung“ anbieten, entgeltlich spirituelle Beratungen offerierte. Die Senatsverwaltung forderte die Klägerin mit zwei Bescheiden auf, diese Beratertätigkeit einzustellen und für die Vergangenheit noch eine Genehmigung zu beantragen sowie Auskunft über Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten zu erteilen.

Dies wollte die Klägerin nicht hinnehmen. Sie bestritt die ihr vorgeworfene Beratungstätigkeit. Allenfalls zeitweilig habe sie als Beraterin gewirkt, aktuell jedoch nicht mehr. Sie bestätigte, zwei Bücher publizieren zu wollen, was sie jedoch nicht als Nebentätigkeit ansah, sondern als eine bloße Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Kommunikation „teilweise außerhalb des logischen Systems“.

Die Weisungen seien im Wesentlichen nicht zu beanstanden, so das VG Berlin. Es gebe keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Klägerin Beratungsleistungen im Internet gegen Entgelt auch heute noch erbringt. Eine solche Tätigkeit sei genehmigungspflichtig. Ohne eine Genehmigung dürfe der Dienstherr der Klägerin die Tätigkeit untersagen. Auch die Weisung, Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten offenzulegen, sei rechtmäßig. Schriftstellerische Tätigkeiten seien zwar nicht genehmigungs-, aber anzeigepflichtig, falls hierfür ein Entgelt oder geldwerter Vorteil geleistet werde. Vorliegend habe es für die Senatsverwaltung einen begründeten Anlass gegeben, die Anzeigepflicht dieser Tätigkeit zu prüfen. Lediglich die Weisung, für die Vergangenheit eine Genehmigung zu beantragen, sei rechtswidrig.

Gegen das Urteil ist bereits Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt worden. (VG Berlin, Urteil vom 22.7.2020, VG 5 K 95.17)

Beweispflicht: Arbeitnehmer: Entschädigungsanspruch bei Mobbing

Ein Anspruch auf eine „billige Entschädigung in Geld“ wegen einer Gesundheitsbeschädigung aufgrund von Mobbing setzt voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer konkret darlegt, wann welcher Arzt welche Erkrankung bei ihm diagnostiziert haben will. Allein der Umstand, dass sich der Kläger in ärztlicher Behandlung befindet, genügt nicht. Das hat jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden.

Die Richter machten deutlich: Der betroffene Arbeitnehmer muss zudem beweisen, aufgrund welcher Umstände gesundheitlich neutrale Maßnahmen (z. B. Abmahnung, Kündigung oder arbeitsrechtliche Weisungen) konkret geeignet sein sollen, eine Gesundheitsbeschädigung hervorzurufen.

Im vorliegenden Fall standen 14 Abmahnungen in acht Jahren, eine verhaltensbedingte Kündigung, zwei erfolglose Anhörungsverfahren beim Integrationsamt wegen des mittlerweile einem Schwerbehinderten gleichgestellten Klägers, ein Entgeltrechtsstreit und mehr im Raum. Nach Ansicht des LAG stelle dies aber weder einzeln noch in der Gesamtschau eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn es jeweils wie vorliegend einen konkreten sachlichen Anlass für die Maßnahmen des Arbeitgebers gab. Hier kam hinzu, dass der Kläger gegen nahezu sämtliche Handlungen des Arbeitgebers gerichtlich vorgegangen war und hierbei überwiegend obsiegt hatte. (LAG Köln, Urteil vom 10.7.2020, 4 Sa 118/20)

Krankengeld: Ein-Wochen-Frist bei der Krankmeldung: Das ist zu beachten

Regelmäßig zahlt die Krankenkasse kein Krankengeld, wenn ihr die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (AU) nicht rechtzeitig vorlag. Der Arbeitnehmer trägt aber keine Schuld, wenn sein Arzt kurzfristig einen Termin verschiebt und die Bescheinigung deshalb verspätet zugeht. Das hat das Sozialgericht (SG) München entschieden.

Der Arbeitnehmer (Kläger) war arbeitsunfähig geschrieben und erhielt Krankengeld. Er suchte seinen behandelnden Klinikarzt auf, um eine weitere AU-Bescheinigung zu erhalten. Dessen Termine hatten sich jedoch an diesem Tag verschoben, sodass der Kläger erst um 17 Uhr statt wie vorgesehen um 16 Uhr mit dem Arzt sprechen konnte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Schreibkräfte nicht mehr anwesend. Daher stellte der Arzt die AU-Bescheinigung nicht am selben Tag aus. Der Kläger erhielt die Bescheinigung vielmehr erst fünf Tage später per Post zugeschickt. Er leitete die Bescheinigung sofort an seine Krankenkasse (Beklagte) weiter. Diese zahlte kein Krankengeld, da die Bescheinigung nicht innerhalb einer Woche bei ihr eingegangen sei. Das SG hat den Anspruch auf Krankengeld bestätigt. Der Kläger habe die Frist eingehalten.

Eine Krankenkasse kann sich nicht auf einen verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung berufen, wenn dieser auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste. Hier hatte die Beklagte diese Bescheinigung nicht am Tag der Untersuchung, sondern erst mit fünftägiger Verspätung erhalten. Dies könne jedoch nicht dem Kläger angelastet werden. Krankenkassen müssten sicherstellen, dass Ärzte als Leistungserbringer AU-Bescheinigungen unverzüglich aushändigen, so das SG.

Gegenüber dem Leistungserbringer habe die Krankenkasse zudem Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten, die ein Versicherter nicht habe. Keinesfalls darf die Krankenkasse die Ein-Wochen-Frist „kürzen“, indem sie auf den Tag der Untersuchung abstellt und nicht auf den Tag, an dem die AU-Bescheinigung dem Versicherten auch ausgehändigt wird bzw. zugeht. (SG München, Urteil vom 17.6.2020, S 7 KR 1719/19)

Ungleichbehandlung: Aufforderung zur Angabe der Konfession in Stellenanzeige

Wird der Bewerber in einer Stellenanzeige dazu aufgefordert, seine Konfession anzugeben, kann dies ein ausreichendes Indiz für einen Verstoß (unterschiedliche Behandlung wegen der Religion) nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sein. So hat es nun das Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe entschieden.

Es ging um die Stellenanzeige in Bezug auf eine Sekretariatsstelle im Büro einer geschäftsleitenden Oberkirchenrätin. Die Klägerin hatte angegeben, konfessionslos zu sein. Sie war bei der Besetzung der Stelle nicht berücksichtigt worden.

Die Klägerin wurde, so das ArbG, wegen ihrer Religion benachteiligt. Eine berufliche Anforderung hier: Angehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft wäre nur gerechtfertigt gewesen, wenn sie angesichts des Ethos der Kirche und der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Erbringung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Die Beweislast hierfür trägt der Arbeitgeber.

Hier ging es jedoch (lediglich) um eine Mitarbeit im Sekretariat. Die Klägerin hätte die Beklagte also nicht in ihren Glaubensgrundsätzen und in Fragen der Verkündigung oder des Selbstverständnisses der Kirche vertreten (sog. verkündungsferne Tätigkeit). Am Ende musste die Beklagte der Klägerin über 5.000 EUR als Entschädigung zahlen. (ArbG Karlsruhe, Urteil vom 18.9.2020, 1 Ca 171/19)

Pflichtverletzung: Rechnungen besser genau prüfen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hat jetzt verdeutlicht: Ein Arbeitnehmer, der eine Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig zeichnet, ohne dies geprüft zu haben bzw. in dem Wissen, dass dieses nicht zutrifft, haftet für einen Schaden, der durch die Begleichung der Rechnungssumme entsteht.

Im Streitfall ging es um eine aufaddierte Rechnungssumme von über 260.000 Euro im Baugewerbe, die trotz eines sog. Vier-Augen-Prinzips im betrieblichen Ablauf beglichen wurde, ohne dass entsprechende Leistungen erbracht wurden. Das Arbeitsgericht (AG) Stralsund als Vorinstanz erkannte eine Schadenersatzsumme von rund 170.000 Euro an.

Im vorliegenden Fall erfülle das Verhalten des Arbeitnehmers zumindest die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit, die regelmäßig eine volle Haftung bewirke, so das LAG Mecklenburg-Vorpommern. (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.5.2020, 2 Sa 180/19)

Arbeitnehmerrechte: Nachschieben von Kündigungsgründen nicht immer möglich

Bei Kündigungsstreitigkeiten ist das Nachschieben von Kündigungsgründen sehr beliebt. Die kann sich aber auch als Falle erweisen. Das zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln.

In dem Fall war ein schwerbehinderter Arbeitnehmer betroffen. Das LAG machte deutlich, dass hier Kündigungsgründe nicht nachgeschoben werden können. Dies scheitere daran, dass diese Kündigungsgründe dem Integrationsamt regelmäßig vorher nicht mitgeteilt wurden.

Beachten Sie: Die Anhörung des Integrationsamts ist anders als die Betriebsratsanhörung nicht nachholbar. (LAG Köln, Urteil vom 15.7.2020, 3 Sa 736/19)

Disziplinarmaßnahme: Vorläufige Dienstenthebung nach Weitergabevon Dienstgeheimnissen

Wenn ein Polizeibeamter Dienstgeheimnisse an die Presse weitergibt, muss er mit der vorläufigen Enthebung aus dem Dienst und mit späterer Entfernung rechnen, so das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig, da es sich um ein schwerwiegendes Dienstvergehen handelt.

Im vorliegenden Fall bestand für das Gericht hinreichender Tatverdacht, dass ein Polizeibeamter Informationen bezüglich der Entlassung eines als gefährlich eingestuften Strafgefangenen und die in diesem Zusammenhang getroffenen Schutzmaßnahmen sowie Informationen bezüglich einer bevorstehenden Entlassung eines Polizeianwärters unberechtigt an einen Zeitungsredakteur weitergegeben hatte. Dieser hatte die Informationen anschließend veröffentlicht.

Das OVG hat damit die Entscheidung des Innenministeriums bestätigt, einen Polizeioberkommissar und ehemaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden und Pressesprecher einer Polizeigewerkschaft vorläufig des Dienstes zu entheben.

Da die genannten Handlungen strafrechtlich mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bewehrt seien, sei disziplinarrechtlich auch die Höchstmaßnahme Entfernung aus dem Dienst möglich und im konkreten Fall auch überwiegend wahrscheinlich.

Der Beschluss ist unanfechtbar. (OVG Schleswig, Beschluss vom 21.8.2020, Az. 14 MB 1/20)