Aktuelle Gesetzgebung: Neuer Bußgeldkatalog zum 9.11.2021

Am 9.11.2021 ist der neue Bußgeldkatalog in Kraft getreten. Er beinhaltet zum Teil deutlich höhere Geldbußen als bisher. Hier ein Auszug der wichtigsten Änderungen.

1. Parken und Halten

Verbotswidriges Parken auf Geh- und Radwegen sowie das jetzt verbotene Halten auf Schutzstreifen und das Parken und Halten in zweiter Reihe ist teurer geworden. Verstöße kosten bis zu 110 Euro. Bei schwereren Verstößen kann darüber hinaus ein Punkt im Fahreignungsregister („Flensburg“) eingetragen werden.

Darüber hinaus sind für das unberechtigte Parken auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz Geldbußen von 55 Euro vorgesehen. Ebenfalls für das unberechtigte Parken auf einem Parkplatz für elektrisch betriebene Fahrzeuge oder einem Parkplatz für Carsharing-Fahrzeuge werden 55 Euro fällig. Für das rechtswidrige Parken an engen oder unübersichtlichen Straßenstellen bzw. im Bereich einer scharfen Kurve sieht der neue Bußgeldkatalog eine Geldbuße von 35 Euro vor.

Für einen allgemeinen Halt- und Parkverstoß werden jetzt bis zu 25 Euro fällig.

2. Rettungsgasse

Die unerlaubte Nutzung einer Rettungsgasse wird jetzt genauso verfolgt und geahndet wie das Nichtbilden einer Rettungsgasse. Es drohen Bußgelder zwischen 200 und 320 Euro sowie ein Monat Fahrverbot. Als Folge dieser Sanktionen ist die Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungsregister vorgesehen.

3. Sonstige Regelverstöße

Die vorschriftswidrige Nutzung von Gehwegen, linksseitig angelegten Radwegen und Seitenstreifen durch Fahrzeuge wird nun mit bis zu 100 Euro Geldbuße geahndet.

Für das sogenannte Auto-Posing (Verursachen von unnötigem Lärm und einer vermeidbaren Abgasbelästigung sowie unnützes Hin- und Herfahren) sind Bußgelder bis zu 100 Euro vorgesehen.

Für rechtsabbiegende Kraftfahrzeuge über 3,5 t ist innerorts Schrittgeschwindigkeit (4 bis 7, max. 11 km/h) vorgeschrieben. Verstöße hiergegen können nun mit einem Bußgeld in Höhe von 70 Euro sanktioniert werden. Außerdem wird ein Punkt im Fahreignungsregister eingetragen.

4. Geschwindigkeitsverstöße

Für normale Pkw bis 3,5 t gelten bei Geschwindigkeitsüberschreitungen künftig folgende Geldbußen:

  • Überschreitung bis 10 km/h: 30 Euro innerorts / 20 Euro außerorts
  • Überschreitung 11 bis 15 km/h: 50 Euro innerorts / 40 Euro außerorts
  • Überschreitung 16 bis 20 km/h: 70 Euro innerorts / 60 Euro außerorts
  • Überschreitung 21 bis 25 km/h: 115 Euro innerorts / 100 Euro außerorts
  • Überschreitung 26 bis 30 km/h: 180 Euro innerorts / 150 Euro außerorts
  • Überschreitung 31 bis 40 km/h: 260 Euro innerorts / 200 Euro außerorts
  • Überschreitung 41 bis 50 km/h: 400 Euro innerorts / 320 Euro außerorts
  • Überschreitung 51 bis 60 km/h: 560 Euro innerorts / 480 Euro außerorts
  • Überschreitung 61 bis 70 km/h: 700 Euro innerorts / 600 Euro außerorts
  • Überschreitung über 70 km/h: 800 Euro innerorts / 700 Euro außerorts

Für Pkw mit Anhänger und Fahrzeuge, die schwerer als 3,5 Tonnen sind, sowie Fahrzeuge mit gefährlichen Gütern oder Passagierbusse gelten andere Geldbußen.

Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Informationen zum neuen Bußgeldkatalog vom 21.10.2021

Allgemeine Geschäftsbedingungen: Mahnspesen nur in Höhe der Sachkosten erstattungsfähig

Ein Anspruch auf Mahngebühren für per E-Mail versandte Mahnungen besteht grundsätzlich nicht. Dies gilt auch bei einem pauschalierten Mahnspesenersatzanspruch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Gläubigers. Das hat das Amtsgericht (AG) Stuttgart entschieden.

Dabei hat sich das AG auf die Rechtsprechung des BGH bezogen. Ersatzfähig und durch AGB pauschalierbar ist danach nur der Verzugsschaden, der nicht im grundsätzlich nicht zu erstattenden Zeit- und Arbeitsaufwand des Geschädigten liegt. Bei der die materielle Mahnwirkung nicht beeinträchtigenden Versendung einer Mahnung per E-Mail ist für das Entstehen erstattungsfähiger Sachkosten, etwa Druck- und Portokosten, nichts ersichtlich. Das AG hatte deshalb auch keine Grundlage für eine Schadensschätzung. Die Sachkosten müssen vorgetragen werden.

Quelle: AG Stuttgart, Urteil vom 22.6.2021, 3 C 22/21

Schmerzensgeld: Unfall beim Überholvorgang mit einem Fahrrad

Fast 44 Prozent der Deutschen benutzen regelmäßig ihr Fahrrad. Bei den Oldenburgern sind es sogar fast 80 Prozent. Dabei kommt es manchmal auch zu Gefahrensituationen und Unfällen. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat jetzt in einem solchen Fall ein Urteil gefällt.

Der Kläger war mit seinem Rad auf einer Straße unterwegs. Der Beklagte kam mit seinem Fahrrad aus der Einfahrt des dort befindlichen Häuserblocks. Er fuhr langsam und unsicher. Der Kläger fuhr eine kurze Strecke hinter dem Beklagten her und setze dann zum Überholen an. Weil der Beklagte in diesem Moment mit seinem Fahrrad erheblich nach links ausschwenkte, kam es zu einer Kollision. Der Kläger fiel zu Boden, seine Schulter war verrenkt, eine Sehne abgerissen. Er musste zwei Tage im Krankenhaus behandelt werden und war eine Woche krankgeschrieben. Es folgte eine längere Physiotherapie.

Das Landgericht (LG) hatte das Begehren des Klägers nach Schmerzensgeld und Schadenersatz zurückgewiesen. Der Kläger, so das LG, hätte nicht überholen dürfen, weil er den erforderlichen Sicherheitsabstand von 1,5 bis 2 m zu dem Beklagten nicht habe einhalten können.

Das OLG sah dies anders: Ein Überholen setze nicht generell einen Sicherheitsabstand von 1,5 bis 2 m voraus dies würde bedeuten, dass Fahrradfahrer sich fast im gesamten Stadtgebiet nicht überholen dürften. Es komme vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Im konkreten Fall weise der Radweg eine ausreichende Breite zum Überholen aus, zumal der Radweg nur optisch von dem breiten Fußweg abgegrenzt ist. Der Beklagte habe durch seinen Linksschwenk gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 1 Straßenverkehrsordnung) verstoßen, nach dem sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten müsse, dass kein anderer gefährdet oder behindert werde. Den Kläger treffe aber ein Mitverschulden von 50 Prozent, weil er hätte erkennen können, dass der Beklagte unsicher fuhr. Der Beklagte muss dem Kläger jetzt ein Schmerzensgeld von 3.500 Euro zahlen, sowie die Hälfte seines Sachschadens ersetzen (Fahrten zur Physiotherapie, beschädigte Kleidung). Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 21.9.2021, 2 U 121/21, PM vom 27.9.2021

Lebensversicherung: Nach irrtümlicher Auszahlung kann Leistungshöhe nicht herabgesetzt werden

Hat eine Lebensversicherung irrtümlich den Rückkaufswert ausgezahlt, kann sie die Höhe der künftigen Leistungen aus dem Rentenversicherungsvertrag nicht einseitig unter Verrechnung mit seinem (vermeintlichen) Rückforderungsanspruch herabsetzen. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken.

Die Versicherung hatte versehentlich eine Lebensversicherung abgewickelt und war verurteilt worden, den Vertrag wiederherzustellen. Dabei legte sie aber nicht die ursprünglichen Bestimmungen zugrunde, sondern die derzeit aktuellen. Der Versicherungsnehmer stand sich dadurch schlechter.

Das OLG: Die Versicherung hatte dazu weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Änderungsbefugnis. Sie muss also den versehentlich von ihr aufgelösten Vertrag zu den ursprünglich vereinbarten Bestimmungen wieder herstellen.

Das OLG betont, dass die Versicherung dem wiederhergestellten Vertrag nicht andere aktuellere, den Versicherungsnehmer schlechter stellende Bedingungen zugrunde legen darf.

Quelle: OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.7.2021, 5 U 2/21

Zusatzversorgungskasse: Falsche Rentenauskunft: Kein Erfüllungsanspruch, aber Schadenersatzanspruch

Eine fehlerhafte, weil zu hohe Rentenauskunft einer Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes begründet keinen Erfüllungsanspruch des Versicherungsnehmers. Die Rentenauskunft ist weder ein Verwaltungsakt mit Bindungswirkung noch eine zivilrechtliche Willenserklärung im Sinne eines Anerkenntnisses. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe.

Das OLG wies aber auch darauf hin, dass eine falsche Rentenauskunft einer Zusatzversorgungskasse eine Pflichtverletzung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist (§ 280 Abs. 1 BGB). Sie kann daher einen Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers auslösen, wenn die Auskunft ursächlich für eine wirtschaftlich nachteilige Entscheidung des Versicherungsnehmers ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn sich der Versicherungsnehmer aufgrund der fehlerhaften Auskunft für ein Altersteilzeitmodell oder für eine vorgezogene Altersrente ab 63 entscheidet.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.5.2021, 9 U 30/18

Corona-Sonderregeln: Telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 31.12.2021 verlängert

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die Corona-Sonderregeln für die telefonische Krankschreibung bei leichten Atemwegsinfekten um weitere drei Monate bis zum 31.12.2021 verlängert. Die Beschlüsse sind zum 1.10.2021 in Kraft getreten.

Patienten, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, können wie bisher telefonisch für bis zu sieben Kalendertage krankgeschrieben werden. Eine einmalige Verlängerung der Krankschreibung kann telefonisch für weitere sieben Kalendertage ausgestellt werden.

Quelle: GB-A, „G-BA verlängert Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung und weitere Corona-Sonderregeln bis 31. Dezember 2021“, PM vom 16.9.2021

Vereinsrecht: Virtuelle Mitgliederversammlungen können weiter stattfinden

Virtuelle Mitgliederversammlungen sind auch ohne entsprechende Satzungsregelung nun bis zum 31.8.2022 möglich. Das sehen die neuen Übergangsregelungen im „Aufbauhilfegesetz 2021“ vor (zuletzt bis Ende 2021). Es empfiehlt sich aber, die Möglichkeit zur virtuellen Versammlung in der Vereinssatzung zu regeln, wenn diese weiter genutzt werden soll.

Quelle: AufbhG 2021 vom 10.9.2021, Art. 16 des „Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze“

Patienteninformationsblätter: Ärztliche Aufklärungsformulare unterliegen nur eingeschränkt der AGB-Kontrolle

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ärztliche Aufklärungsformulare unterliegen nur einer eingeschränkten Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Das war geschehen

Der Beklagte ist ein Verband von Augenärzten. Er empfiehlt seinen Mitgliedern, ein Patienteninformationsblatt zu verwenden. Dort werden die Patienten zunächst darüber aufgeklärt, dass ab einem Alter von 40 Jahren die Gefahr besteht, dass sich ein Glaukom (sog. Grüner Star) entwickelt, ohne dass frühzeitig Symptome auftreten. Deshalb werde eine allerdings von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlte Früherkennungsuntersuchung angeraten. Das Formular enthält anschließend folgende Passage: „Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.“

Darunter kann der Patient die Erklärungen „Ich wünsche eine Untersuchung zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom).“ oder „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung.“ ankreuzen. Schließlich sind die Unterschriften des Patienten und des Arztes vorgesehen.

Verbraucherschutzverband klagt

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, meint, bei der Erklärung, die Patienteninformation gelesen und darüber aufgeklärt worden zu sein, dass die Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten sei, handele es sich um eine unzulässige Tatsachenbestätigung. Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, seinen Mitgliedern die Verwendung dieser Klausel (ggf. mit dem Zusatz „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung“) zu empfehlen.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Das Landgericht (LG) hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat sie das Oberlandesgericht (OLG) abgewiesen. Die Revision des Klägers beim BGH hatte keinen Erfolg.

Der BGH: Die angegriffene Klausel ist wirksam. Das Informationsblatt unterrichtet die Patienten über das Risiko eines symptomlosen Glaukoms und über die Möglichkeit einer (auf eigene Kosten durchzuführenden) Früherkennungsuntersuchung. Die umstrittene Klausel dient der Dokumentation der hierüber erfolgten Aufklärung und der Entscheidung des Patienten, ob er die angeratene Untersuchung vornehmen lassen möchte.

Vom Patienten unterzeichnetes Aufklärungs- oder Einwilligungsformular

Für die ärztliche Aufklärung gelten durch die Rechtsprechung des BGH entwickelte eigenständige Regeln, die auch das Beweisregime erfassen. Hiernach können unter anderem die Aufzeichnungen des Arztes im Krankenblatt herangezogen werden. Einen wesentlichen Anhaltspunkt für den Inhalt der dem Patienten erteilten Aufklärung stellt in positiver wie auch in negativer Hinsicht insbesondere ein dem Patienten zur Verfügung gestelltes oder von diesem unterzeichnetes Aufklärungs- oder Einwilligungsformular dar. Dem Umstand, dass es sich um formularmäßige Mitteilungen, Merkblätter oder ähnliche allgemein gefasste Erklärungen handelt, hat der BGH dabei jeweils keine einer Beweiswirkung entgegenstehende Bedeutung beigemessen. Vielmehr hat er auf die Vorteile vorformulierter Informationen für den Patienten hingewiesen und diesen selbst dann einen Beweiswert beigemessen, wenn sie nicht unterschrieben sind. An diese Grundsätze hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 angeknüpft.

In dieses besondere Aufklärungs- und Beweisregime des Rechts des Behandlungsvertrags fügt sich die angegriffene Klausel ein, sodass sie mit der Rechtslage übereinstimmt. (BGH, Urteil vom 2.9.2021, III ZR 63/20, PM 168/21)

Mietbeendigung: Renovierung „um des lieben Friedens willen“

Führt ein Mieter nach Mietende unter Vorbehalt Schönheitsreparaturen durch, die er, wie sich später zeigt, nicht schuldete, hat er gegenüber dem ehemaligen Vermieter einen Zahlungsanspruch. Das entschied jetzt das Landgericht (LG) Berlin.

Zwar gilt der Grundsatz, dass das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht mehr zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende (hier: der Mieter) positiv gewusst hat, dass er zur Leistung (hier: zur Renovierung) nicht verpflichtet ist. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, wenn er „um des lieben Friedens willen“ oder unter Druck leistet. (LG Berlin, Urteil vom 20.7.2020, 65 S 112/20)

Wohnungseigentum: Eigentümergemeinschaft muss die Selbstbeteiligung aus der Gebäudeversicherung bei Leitungswasserschaden tragen

Der Selbstbehalt bei einer Gebäudeversicherung ist bei einem Leitungswasserschaden nicht anteilig zwischen geschädigtem Sondereigentümer und ebenfalls geschädigter Wohnungseigentümergemeinschaft aufzuteilen. Vielmehr trägt die Gemeinschaft diesen allein. So hat nun das Landgericht (LG) Frankfurt/Main entschieden.

Ein Leitungswasserschaden führte zu Schäden an Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Die Versicherung regulierte und zog die Selbstbeteiligung ab. Da 85 Prozent des Schadens auf das Sondereigentum entfielen, meint der Verwalter, dass auch die zu zahlende Versicherungssumme an den Sondereigentümer um 85 Prozent des Selbstbehalts zu kürzen sei.

Das LG: Dem Eigentümer steht die auf den Schaden am Sondereigentum gezahlte Versicherungsleistung in voller Höhe zu, ohne dass ein Abzug in anteiliger Höhe für den Selbstbehalt erfolgen darf. Die Wohnungseigentümergemeinschaft muss auch bei einem Schadenseintritt in nur einer Sondereigentumseinheit mit eigenen finanziellen Mitteln die Schadensbeseitigung dort in vollem Umfang ermöglichen und den Aufwand für den Selbstbehalt auf der zweiten Stufe in der Jahresabrechnung (auf alle Eigentümer) umlegen. Denn eigentlich ist der Selbstbehalt nur ein verkappter Bestandteil der Versicherungsprämie, weshalb alle von der wegen des Selbstbehalts niedrigeren laufenden Prämie profitieren. Im Zuge der Treuepflicht sind dann aber im Schadensfall auch solche Kosten zu „solidarisieren“. Der Ort des Schadenseintritts kann nicht zu einer ungleichen Kostenbelastung dadurch führen, dass der volle oder anteilige Selbstbehalt denjenigen Eigentümern aufgebürdet wird, bei denen sich (gegebenenfalls zufällig wie hier bei einem Leitungswasserschaden) das Schadensergebnis zeigt. (LG Frankfurt/Main, Urteil vom 20.5.2021, 2-13 S 149/19)