Kapitalgesellschaften: Keine Organschaft bei fehlendem Ausweis des Verlustausgleichsanspruchs in der Bilanz

Eine ertragsteuerliche Organschaft ist an viele Voraussetzungen geknüpft, wie ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Schleswig-Holstein verdeutlicht. Danach wird der Gewinnabführungsvertrag nicht tatsächlich durchgeführt, wenn die Organgesellschaft den ihr gegenüber der Organträgerin zustehenden Anspruch auf Verlustübernahme in ihrer Bilanz nicht ausweist. Das soll selbst dann gelten, wenn die Organträgerin den Verlustbetrag tatsächlich erstattet. Gegen diese Entscheidung ist die Revision anhängig.

Hintergrund: Verpflichtet sich eine Organgesellschaft durch einen Gewinnabführungsvertrag ihren Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen (Organträger) abzuführen, ist das Einkommen der Organgesellschaft unter gewissen Voraussetzungen dem Organträger zuzurechnen. Eine der Voraussetzungen ist, dass der Gewinnabführungsvertrag eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren hat und tatsächlich durchgeführt wird.

Beachten Sie: Der korrekten bilanziellen Abbildung der Organschaft und der tatsächlichen Durchführung des Gewinnabführungsvertrags muss erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es spricht viel dafür, dass selbst geringfügige Verstöße als schädlich beurteilt werden, gleichgültig, ob die steuerlichen Folgen für die Beteiligten günstig oder nachteilig sind. Der Nichtausweis der Forderung in der Bilanz stellt im Übrigen so die Ansicht des Finanzgerichts Schleswig-Holstein von vornherein keinen nur geringfügigen Mangel dar. (FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.6.2019, 1 K 113/17)

Geschäftsführereignung: Amtsunfähigkeit des GmbH-Geschäftsführers bei Teilnahme an bestimmten Straftaten

Ein GmbH-Geschäftsführer verliert auch seine Amtsfähigkeit, wenn er lediglich wegen Teilnahme an den im GmbH-Gesetz bezeichneten Katalogtaten (Betrug, Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen, Bilanz- und Insolvenzstraftaten, etc.) rechtskräftig verurteilt wird.

Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell klargestellt. Das Gericht lässt hierfür außerdem die bloße Verurteilung durch Strafbefehl ausreichen. Bereits die Teilnahmeverurteilung mittels Strafbefehl lässt die Eignungsvoraussetzungen eines Geschäftsführers daher entfallen.

Folge: Das Registergericht muss die Eintragung des GmbH-Geschäftsführers von Amts wegen im Handelsregister löschen. (BGH, Urteil vom 3.12.2019, II ZB 18/19)

Aktuelle Gesetzgebung: Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts

Die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzte Kommission von Expertinnen und Experten hat ihren Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vorgelegt. Mit dem im Koalitionsvertrag verabredeten Reformvorhaben soll das teilweise aus dem 19. Jahrhundert stammende Recht der Personengesellschaften an die Bedürfnisse des modernen Wirtschaftslebens angepasst werden. Personengesellschaften sind die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Partnerschaftsgesellschaft und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

Mit dem Gesetzentwurf sollen die Gesellschaften nach außen transparenter werden. Zudem sollen interne Abstimmungsprozesse der Unternehmen durch klare Regelungen einfach und rechtssicher werden. Auch soll der Wechsel der Gesellschaftsformen erleichtert werden.

Das von der Kommission vorgelegte Gesetzespaket, das einschließlich aller Folgeanpassungen eine Änderung von 39 Gesetzen vorsieht, umfasst insbesondere folgende Vorschläge:

  • Für Gesellschaften bürgerlichen Rechts soll ein Register ähnlich dem Handelsregister eingeführt werden, in das sie sich eintragen lassen können.
  • Die handelsrechtlichen Rechtsformen, also auch die Rechtsform der GmbH & Co. KG, sollen für freiberufliche Tätigkeiten wie beispielsweise von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zugänglich sein.
  • Für Personengesellschaften soll ein gesetzlich geregeltes Beschlussmängelrecht eingeführt werden, damit Unternehmen die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen schnell klären und lähmende Schwebezustände vermeiden können.

Der Kommission von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis gehörten der frühere Vorsitzende des Gesellschaftsrechtssenats des Bundesgerichtshofs Professor Dr. Alfred Bergmann, die Professorinnen und Professoren Barbara Grunewald (Köln), Carsten Schäfer (Mannheim), Frauke Wedemann (Münster) und Johannes Wertenbruch (Marburg) sowie aus der Praxis Notar Dr. Marc Hermanns, Rechtsanwalt Professor Dr. Thomas Liebscher und Rechtsanwältin Dr. Gabriele Roßkopf an.

Vermieter: Verbilligte Vermietung: Bestimmung der „ortsüblichen Marktmiete“

Eine Vermietung zu Wohnzwecken gilt als vollentgeltlich, wenn die Miete mindestens 66 Prozent des ortsüblichen Niveaus beträgt. In diesen Fällen erhalten Vermieter den vollen Werbungskostenabzug. Liegt die Miete darunter, sind die Kosten aufzuteilen.

Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Thüringen ist als Vergleichsgrundlage („ortsübliche Marktmiete“) jedenfalls dann nicht der ggf. günstigere örtliche Mietspiegel heranzuziehen, wenn der Steuerpflichtige zugleich eine entsprechende, im selben Haus liegende Wohnung an einen Dritten (teurer) vermietet. Da gegen diese Entscheidung die Revision (IX R 7/20) anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof entscheiden. (FG Thüringen, Urteil vom 22.10.2019, 3 K 316/19)

Aktuelle Gesetzgebung: Neue Corona-Maßnahmen: Höheres Kurzarbeitergeld, Lockerungen beim Elterngeld …

Auch in dieser Ausgabe stehen wieder Maßnahmen im Mittelpunkt, mit denen soziale und wirtschaftliche Härten infolge der Corona-Pandemie „abgefedert“ werden sollen.

1. Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld sollen erhöht werden

Der Bundestag hat am 14.5.2020 ein Gesetz zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutz-Paket II) beschlossen. Dabei geht es u. a. um Verbesserungen beim Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld.

Hintergrund: Das Kurzarbeitergeld berechnet sich nach dem ausgefallenen Netto-Entgelt. Beschäftigte in Kurzarbeit erhalten grundsätzlich 60 Prozent des pauschalierten Netto-Entgelts. 67 Prozent werden gezahlt, wenn mindestens ein Kind mit im Haushalt lebt.

Nun soll das Kurzarbeitergeld für diejenigen, die mindestens 50 Prozent weniger arbeiten, erhöht werden und zwar ab dem 4. Monat des Bezugs auf 70 Prozent des pauschalierten Netto-Entgelts und ab dem 7. Monat auf 80 Prozent. Für Haushalte mit Kindern gelten 77 Prozent bzw. 87 Prozent. Die Aufstockung soll längstens bis zum 31.12.2020 gelten.

Für Arbeitnehmer in Kurzarbeit sollen befristet bis Ende 2020 die bestehenden Hinzuverdienstmöglichkeiten mit einer Hinzuverdienstgrenze bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens für alle Berufe geöffnet werden. Zuvor war ein Zuverdienst nur in den Bereichen privilegiert, die notwendig sind, um die Infrastruktur und Versorgung aufrechtzuerhalten.

Wer schon vor der Krise arbeitsuchend war und Arbeitslosengeld nach dem SGB III bezogen hat, hat derzeit geringe Aussichten auf eine neue Beschäftigung. Daher soll das Arbeitslosengeld nach dem SGB III für diejenigen um drei Monate verlängert werden, deren Anspruch zwischen dem 1.5. und 31.12.2020 enden würde.

2. Umsatzsteuer für die Gastronomie wird auf 7 Prozent gesenkt

Bei der Umsatzsteuer, die Gastronomen an das Finanzamt abführen müssen, wird derzeit (vereinfacht) wie folgt unterschieden: Essen zum Mitnehmen unterliegt dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent. Speisen, die vor Ort verzehrt werden, werden mit 19 Prozent besteuert.

Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung („Corona-Steuerhilfegesetz“) soll nun für die Zeit ab dem 1.7.2020 bis zum 30.6.2021 generell der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent erhoben werden.

3. Vorauszahlungen zur Einkommen-/Körperschaftsteuer sollen herabgesetzt werden

Steuerpflichtige mit Gewinn- und Vermietungseinkünften, die coronabedingt in diesem Jahr mit einem Verlust rechnen, erhalten eine Liquiditätshilfe. Sie können die nachträgliche Herabsetzung der Vorauszahlungen zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer für 2019 auf der Grundlage eines pauschal ermittelten Verlustrücktrags beantragen.

Merke: Von einer Betroffenheit geht die Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 24.4.2020, Az. IV C 8 – S 2225/20/10003 :010) regelmäßig aus, wenn die Vorauszahlungen für 2020 bereits auf null EUR herabgesetzt wurden und der Steuerpflichtige versichert, dass er für 2020 aufgrund der Corona-Krise eine nicht unerhebliche negative Summe der Einkünfte erwartet.

Der pauschal ermittelte Verlustrücktrag aus 2020 beträgt 15 Prozent des Saldos der maßgeblichen Gewinneinkünfte und/oder der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, welche der Festsetzung der Vorauszahlungen für 2019 zugrunde gelegt wurden (max. eine Million EUR bzw. zwei Millionen EUR bei Zusammenveranlagung). Auf dieser Basis werden die Vorauszahlungen für 2019 neu berechnet. Eine Überzahlung wird erstattet.

Beispiel: A erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und hat für 2019 bereits 24.000 EUR Einkommensteuer vorausgezahlt. Dieser Vorauszahlung lag ein erwarteter Gewinn von 80.000 EUR zugrunde. Für das 1. Quartal 2020 hat A 6.000 EUR vorausgezahlt. Wegen der Corona-Pandemie bricht der Umsatz nahezu komplett ein, während die unvermeidlichen Ausgaben (Fixkosten) weiter zu bezahlen sind. Das Finanzamt hat daher die Vorauszahlungen für das 1. Quartal 2020 bereits antragsgemäß erstattet.

Zusätzlich beantragt A die nachträgliche Herabsetzung der Vorauszahlungen für 2019. Das Finanzamt setzt die Vorauszahlungen auf Basis eines pauschal ermittelten Verlustrücktrags von 12.000 EUR (15 Prozent von 80.000 EUR) auf 18.000 EUR herab. Die Überzahlung von 6.000 EUR wird erstattet.

Bei der erstmaligen Veranlagung für 2019 in 2020 ergibt sich (mangels Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus 2020) eine Nachzahlung von 6.000 EUR, welche das Finanzamt bis einen Monat nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids für 2020 unter dem Vorbehalt der Zinsfestsetzung und unter dem Vorbehalt des Widerrufs zinslos stundet.

In 2021 gibt A seine Einkommensteuererklärung für 2020 ab. Hier gibt es nun zwei Varianten:

Variante 1: Für 2020 ergibt sich ein Verlust, der durch den Verlustrücktrag zu einer Steuerminderung für 2019 um mindestens 6.000 EUR führt. Die anlässlich der vorherigen Steuerfestsetzung bewilligte Stundung entfällt. Stundungszinsen werden nicht festgesetzt.

Variante 2: Für 2020 ergibt sich entgegen der ursprünglichen Prognose kein rücktragsfähiger Verlust. Die gestundete Nachzahlung für 2019 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids für 2020 zu entrichten. Stundungszinsen sind nicht festzusetzen.

4. Elterngeld

Nach einem Gesetzesbeschluss des Bundestags (die zu erwartende Zustimmung des Bundesrats stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch aus) werden die Regelungen zum Elterngeld rückwirkend zum 1.3.2020 gelockert. Nachfolgende Informationen basieren auf einer Mitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 22.4.2020:

Eltern, die in systemrelevanten Branchen und Berufen arbeiten, sollen ihre Elterngeldmonate aufschieben können. Sie können diese auch nach dem 14. Lebensmonat ihres Kindes nehmen, wenn die Situation gemeistert ist, spätestens zum Juni 2021. Die später genommenen Monate verringern bei einem weiteren Kind nicht die Höhe des Elterngelds.

Der Partnerschaftsbonus, der die parallele Teilzeit der Eltern fördert, soll nicht entfallen oder zurückgezahlt werden müssen, wenn Eltern wegen der Corona-Pandemie mehr oder weniger arbeiten als geplant.

Während des Bezugs von Elterngeld sollen Einkommensersatzleistungen (z. B. Kurzarbeitergeld), die Eltern wegen der Corona-Pandemie erhalten, die Höhe des Elterngelds nicht reduzieren.

Um Nachteile bei der späteren Elterngeldberechnung auszugleichen, können werdende Eltern diese Monate bei der Elterngeldberechnung ausnehmen.

5. Lohnsteuer-Anmeldungen

Arbeitgebern können die Fristen zur Abgabe monatlicher oder vierteljährlicher Lohnsteuer-Anmeldungen während der Corona-Krise im Einzelfall auf Antrag verlängert werden. Dies gilt nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (23.4.2020, Az. IV A 3 – S 0261/20/10001 :005) soweit sie selbst oder der mit der Lohnbuchhaltung und Lohnsteuer-Anmeldung Beauftragte nachweislich unverschuldet daran gehindert sind, die Lohnsteuer-Anmeldungen pünktlich zu übermitteln. Die Fristverlängerung beträgt maximal zwei Monate.

6. Offenlegung der Jahresabschlüsse

Offenlegungspflichtige Gesellschaften (insbesondere AG, GmbH und GmbH & Co. KG) müssen ihre Jahresabschlüsse spätestens zwölf Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs beim Bundesanzeiger elektronisch einreichen. Kommt das Unternehmen der Pflicht zur Offenlegung nicht rechtzeitig oder nicht vollständig nach, leitet das Bundesamt für Justiz (BfJ) ein Ordnungsgeldverfahren ein. Das Unternehmen wird dann aufgefordert, innerhalb einer sechswöchigen Nachfrist den Offenlegungspflichten nachzukommen. Gleichzeitig droht das Bundesamt ein Ordnungsgeld an (regelmäßig in Höhe von 2.500 EUR). Sofern das Unternehmen der Aufforderung nicht entspricht, wird das Ordnungsgeld festgesetzt.

Beachten Sie: Ordnungsgeldandrohungen und -festsetzungen können so lange wiederholt werden, bis die Veröffentlichung erfolgt ist. Die Ordnungsgelder werden dabei schrittweise erhöht.

Nach einer Mitteilung des BfJ vom 8.4.2020 besteht die Offenlegungsfrist zwar weiterhin. Es werden aber derzeit keine neuen Androhungs- und Ordnungsgeldverfügungen gegen Unternehmen erlassen.

Unternehmen, die nach dem 5.2.2020 eine Androhungsverfügung erhalten haben, können die Offenlegung bis zum 12.6.2020 nachholen, auch wenn die sechswöchige Nachfrist für die Offenlegung schon vorher abgelaufen ist bzw. ablaufen wird. Wird die Offenlegung bis zum 12.6.2020 nachgeholt, wird das angedrohte Ordnungsgeld nicht festgesetzt.

Fahrerlaubnisrecht: Bei Schlaganfallpatienten muss die Fahrerlaubnis für Lkw entzogen werden

Liegen kreislaufabhängige Störungen der Hirntätigkeit (Schlaganfall) vor, ist die Fahreignung für die Fahrerlaubnisklassen der zweiten Gruppe („LKW-Führerschein“) ohne Einschränkung zu verneinen.

Das bekräftigte das Verwaltungsgericht (VG) Aachen im Fall eines Lkw-Fahrers, der einen Schlaganfall erlitten hatte. Daraufhin entzog ihm die Behörde die Fahrerlaubnis für die Gruppe 2 („Lkw-Führerschein“). Die Klage des Mannes hiergegen blieb ohne Erfolg.

Das VG verwies auf das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach ist einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. So stellt die FeV ausdrücklich klar, dass beim Vorliegen von kreislaufabhängigen Störungen der Hirntätigkeit keine Fahreignung für die Fahrerlaubnisklassen der zweiten Gruppe (u.a. C1, C1E, C und CE) besteht.

Zwar kann der Entzug der Fahrerlaubnis die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch hinnehmen. Angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ist der Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben vorrangig.

Es lagen auch keine besonderen Umstände vor, aufgrund derer der Fall hätte ausnahmsweise abweichend bewertet werden können. Insbesondere reicht das geltend gemachte Abklingen der Symptome dafür nicht aus. Maßgeblich sind vielmehr die typischerweise bei Schlaganfallpatienten mit dem Risikohintergrund „arterieller Hypertonie und Nikotinabusus“ bestehenden Rückfallgefahren. Diese rechtfertigen im öffentlichen Interesse der Verkehrssicherheit den sofortigen Entzug des „Lkw-Führerscheins“. (VG Aachen, Beschluss vom 15.4.2020, 3 L 2/20)

Führerscheinentzug: Messis kann Führerschein entzogen werden

Kommt ein Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein Messi-Syndrom (Persönlichkeitsstörung im Sinne eines zwanghaften Hortens) vorliegt, kann dies zu einer bedingten Fahreignung führen. Dann sind Auflagen zur Fahrerlaubnis möglich, die sogar in einem Entzug der Fahrerlaubnis münden können.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe. Geklagt hatte eine Frau. Bei mehreren Polizeikontrollen war festgestellt worden, dass ihr Fahrzeug bis zum Dach mit Unrat gefüllt war und stark nach Müll roch. Ihre unsichere Fahrweise war darauf zurückzuführen, dass auch die Bedienelemente wie Pedale, Gangschaltung etc. mit Müll bedeckt waren. Eine verkehrsmedizinische Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass bei der Frau eine Zwangsstörung im Sinne eines zwanghaften Hortens, ein sog. Messi-Syndrom, vorliegt.

Die Behörde ordnete daraufhin an, dass die Frau in den nächsten zwei Jahren in halbjährlichen Abständen eine Bescheinigung eines sozialpsychologischen Dienstes vorlegen müsse, aus welcher ersichtlich sei, dass eine Aufarbeitung des pathologischen Hortens in Fahrzeug und Wohnhaus stattfinde und die Erfolge durch engmaschige Kontrollen des Fahrzeugs und des Wohnhauses sichergestellt würden. Zudem müsse sie durch eine entsprechende Bescheinigung nachweisen, dass sie die fachpsychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten des zwanghaften Hortens bzw. der zwanghaften Persönlichkeitsstörung mit einem Facharzt für Psychiatrie abgeklärt habe.

Widerspruch und Klage der Frau blieben erfolglos. Die Richter am VG machten deutlich, dass die Frau lediglich bedingt fahrgeeignet sei. Das Zustellen/Zumüllen von Bedienelementen in ihrem Fahrzeug sei fahrerlaubnisrelevant. Die Folgen dieser Störung und die fehlende Einsicht der Frau seien ein Sicherheitsrisiko. Die Frau halte ihr Fahrzeug durch das Beladen mit Gesammeltem bis unter das Dach nicht durchgehend in einem fahrbereiten Zustand. Daher sei sowohl die Sicht als auch die Bedienfunktion eingeschränkt. Die Frau erfülle die körperlichen und geistigen Anforderungen an das sichere Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1/2 (FE Klasse 3) nur unter Auflagen. Dies deckt sich mit den polizeilichen Feststellungen, wonach zum einen das Bedienen der Gangschaltung, der Handbremse und der Pedale wegen der gesammelten Dinge nur schwer möglich sei und zum anderen das Herausschauen aus dem Fahrzeug beeinträchtigt werde.

Es sei daher zulässig, dass die Behörde Auflagen zur Fahrerlaubnis erteile. Ein Entzug der Fahrerlaubnis im Falle einer noch bedingten Eignung wäre unverhältnismäßig, weil er nicht das mildeste Mittel darstelle. In einem solchen Fall sei vorrangig, die Fahrerlaubnis zu beschränken oder Auflagen anzuordnen, wenn die Mängel hierdurch ausgeglichen werden könnten. Die Anordnung der Behörde bewege sich in diesem Ermessensrahmen. (VG Karlsruhe, Urteil vom 25.2.2020, 9 K 4395/18)

Haftungsrecht: Rechtsabbieger muss auf Radfahrer achten

Ein wartender Lkw-Fahrer muss sich vor dem Rechtsabbiegen vergewissern, dass sich rechts neben seinem Fahrzeug keine Radfahrer eingeordnet haben.

Das verdeutlichte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einem Schadenersatz- und Schmerzensgeldprozess nach einem Verkehrsunfall. Die Richter erläuterten, dass der Lkw-Fahrer auch darauf achten müsse, ob ein bevorrechtigter Radfahrer zu ihm aufschließt oder an seinem Lkw vorbeifährt, während er vor der Ampel auf Grünlicht wartet. Es reicht insofern nicht aus, dass der Lkw-Fahrer den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts betätigt hat. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.7.2019, 1 U 170/18)

Abtretung: Unwirksame Klausel zur Abtretung an den Kfz-Sachverständigen

Kfz-Sachverständige lassen sich gerne den Schadenersatzanspruch des Geschädigten abtreten, um ihren Honoraranspruch zu sichern. Die entsprechenden Klauseln sind aber nicht unbedingt belastungssicher. Gerade hat der BGH eine Klausel für unwirksam erklärt.

Der 6. Senat entschied, dass die in einem Vertrag über die Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens enthaltene formularmäßige Klausel, nach der der geschädigte Auftraggeber dem Sachverständigen in Bezug auf dessen Honoraranspruch „erfüllungshalber“ seinen auf Ersatz der Sachverständigenkosten gerichteten Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger abtritt, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam ist, wenn die Klausel zugleich die Regelung enthält „Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich [geschädigter Auftraggeber] geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen.“ (BGH, Urteil vom 18.2.20, VI ZR 135/19)

Krankentagegeldversicherung: Altersteilzeit: Krankentagegeld in der Freistellungsphase

Tritt der Versicherungsnehmer einer Krankentagegeldversicherung in die Freistellungsphase einer in Blöcken wahrgenommenen Altersteilzeit ein, führt dies nicht zum Wegfall der Voraussetzungen für die Versicherungsfähigkeit. Die Versicherung bleibt daher im bisherigen Umfang bestehen.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH). Die Versicherungsfähigkeit des Versicherungsnehmers ist nicht dadurch entfallen, dass er in die Passivphase der Altersteilzeit eingetreten ist. Das Altersteilzeitverhältnis ist ein vollwertiges Arbeitsverhältnis sowohl in der Aktivphase als auch in der Passivphase einer in Blöcken wahrgenommenen Altersteilzeit. Der Versicherungsnehmer steht im maßgeblichen Zeitraum als Gehaltsempfänger in einem festen Arbeitsverhältnis. Er ist auch lohnsteuerpflichtig. Seine Versicherungsfähigkeit besteht entsprechend fort. Krankentagegeld, das der Versicherer in der Freistellungsphase geleistet hat, muss der Versicherungsnehmer daher nicht zurückgewähren. (BGH, Urteil vom 27.11.2019, IV ZR 314/17)