Entgeltleistung: Sind Sachbezüge auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen?

Ein Gastronom hatte seinen Arbeitnehmern freie Unterkunft und Verpflegung gewährt und diese Leistungen als geldwerte Vorteile auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet. Ein Betriebsprüfer sah das allerdings anders und zwar zu Recht, wie nun das Landessozialgericht (LSG) Bayern entschieden hat. Denn nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist der Mindestlohn nach der Entgeltleistung in Form von Geld zu berechnen. Sachbezüge bleiben außen vor.

Quelle: LSG Bayern, Beschluss vom 28.2.2022, L 7 BA 1/22 B ER; BAG, Urteil vom 25.5.2016, 5 AZR 135/16

Corona-Pandemie: Gibt es Entschädigungen wegen Betriebsschließungen nach dem Infektionsschutzgesetz?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt: Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) gewährt Gewerbetreibenden, die im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie als sog. infektionsschutzrechtliche Nichtstörer durch eine auf das IfSG gestützte flächendeckende Schutzmaßnahme wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, weder unmittelbar oder mittelbar noch im Wege verfassungskonformer Auslegung einen Entschädigungsanspruch. Das gilt insbesondere für Betriebsschließungen oder -beschränkungen.

Der Kläger ist Gastronom und Hotelier. Er begehrte von dem beklagten Land Entschädigung bzw. Schadenersatz für Einnahmeausfälle, die ihm entstanden sind, weil er die Gaststätte und das Hotel im Frühjahr 2020 aufgrund staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 und der dadurch verursachten COVID-19-Krankheit vorübergehend teilweise schließen musste.

Das lehnte der BGH in letzter Instanz nun ab. Er argumentierte dabei, dass das IfSG mit den Verdienstausfallentschädigungen (§ 56 Abs. 1, 1a), dem Anspruch auf Impfschadenversorgung (§ 60) und der Entschädigung für Nichtstörer (§ 65) nur punktuelle Anspruchsgrundlagen enthalte. Diesen wenigen Anspruchsgrundlagen liege das planmäßige Bestreben des Gesetzgebers zugrunde, die Entschädigungstatbestände auf wenige Fälle zu begrenzen und Erweiterungen ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen.

Der BGH weiter: Entschädigungsansprüchen aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht bzw. aus enteignendem Eingriff steht entgegen, dass die im Zwölften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes enthaltenen Entschädigungsbestimmungen jedenfalls für rechtmäßige infektionsschutzrechtliche Maßnahmen eine abschließende spezialgesetzliche Regelung mit Sperrwirkung darstellen.

Quelle: BGH, Urteil vom 17.3.2022, III ZR 79/21

Partnerschaftsgesellschaft: Partnerschaft zwischen Tierarzt und Betriebswirt

Eine Partnerschaft zwischen einem Tierarzt und einem Betriebswirt ist nach dem Heilberufekammergesetz des Landes Baden-Württemberg zulässig. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Das war geschehen

Als Gegenstand der Partnerschaft benannten die Tierärztin und der Betriebswirt „die gemeinschaftliche Berufsausübung als Tierarzt und beratender Betriebswirt im Rahmen des berufsrechtlich zulässigen Umfangs insbesondere Einrichtung, Ausstattung und Betrieb von tiermedizinischen Zentren, Praxen und dazugehörigen Hausapotheken sowie die Erbringung von Dienstleistungen für solche“. Das Registergericht nahm die Eintragung vor. Hiergegen wandte die Landestierärztekammer Baden-Württemberg ein, nach ihrer Berufsordnung sei eine Partnerschaftsgesellschaft nur unter Tierärzten möglich.

Gesetz hat Vorrang vor Berufsordnung

Der BGH: Die hier einschlägige Berufsordnung (§ 21a Abs. 1 S. 2 BO) verstößt gegen den Vorrang des Gesetzes. Gemäß dem Heilberufe-Kammergesetz Baden-Württemberg (HBKG BW) können Tierärzte als Kammermitglieder eine Praxis gemeinsam mit Personen führen, die einem im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (§ 1 Abs. 2 PartGG) in der jeweils geltenden Fassung genannten staatlichen Ausbildungsberuf lediglich im Gesundheitswesen, einem naturwissenschaftlichen oder einem sozialpädagogischen Beruf angehören. Die BO verbietet eine interprofessionelle Zusammenarbeit von Tierärzten in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft nach dem PartGG dagegen generell. Die demgegenüber nach der HBKG BW ausdrücklich erlaubten interprofessionellen Zusammenschlüsse von Kammermitgliedern können aber durch das Satzungsrecht der Kammern nicht eingeengt werden.

Quelle: BGH, Beschluss vom 15.2.2022, II ZB 6/21

Vermögensschaden-Haftpflicht: Umfang der D&O-Versicherung für ehemaligen Vorstandsvorsitzenden

Die „Directors and Officers“(D&O)-Versicherung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Wirecard AG umfasst bei kritischer Medienberichterstattung und aufgrund dessen drohendem karrierebeeinträchtigenden Reputationsschaden auch vorläufigen Deckungsschutz für Public-Relations-Kosten. Dies gilt insbesondere für eine kritische Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Der Höhe nach ist der Anspruch aber auf 100.000 Euro begrenzt. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat an seiner in einem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren vertretenen Auffassung festgehalten.

Das war geschehen

Der Kläger ist ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Wirecard AG (im Folgenden Wirecard). Er nimmt die Beklagte auf Deckung von Public-Relations-Kosten (im Folgenden PR-Kosten) aus einer D&O-Versicherung (Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung) in Anspruch, welche Wirecard bei der Beklagten für ihre Organmitglieder und leitenden Angestellten abgeschlossen hatte. Gegen den Kläger wird ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft München I u.a. wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betrugs, der Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) geführt. Er befindet sich seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft und weist die erhobenen Vorwürfe zurück. Inzwischen ist Anklage gegen ihn erhoben.

Wirecard: Kritische Medienberichterstattung

Die im Ermittlungsverfahren erhobenen Vorwürfe sind Gegenstand zahlreicher kritischer Medienberichte. Der Kläger beauftragte eine auf Presserecht spezialisierte Kanzlei sowie eine Presseagentur. Die insoweit anfallenden Kosten verlangt er von der beklagten Versicherung ersetzt. Die Beklagte lehnte die Deckung u.a. mit der Begründung ab, dass PR-Kosten nur in Bezug auf eine Berichterstattung über die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, nicht aber in Bezug auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu ersetzen seien.

Das sagen die gerichtlichen Instanzen

Das Landgericht (LG) hat die (u.a.) auf Gewährung vorläufiger Deckung für PR-Kosten gerichtete Feststellungsklage durch Urteil vom 20.7.2021 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Der Kläger habe Anspruch auf vorläufige Abwehrkosten. Diese umfassten auch den Ersatz von PR-Kosten, soweit der versicherten Person „durch kritische Medienberichterstattung über einen versicherten Haftpflicht-Versicherungsfall ein karrierebeeinträchtigender Reputationsschaden“ drohe. Es komme nicht darauf an, ob die Berichterstattung sich mit dem Versicherungsfall einer konkreten zivilrechtlichen Inanspruchnahme (Haftpflicht-Versicherungsfall) befasse oder sich auf den durch das Ermittlungsverfahren ausgelösten Versicherungsfall (Verfahrensrechtsschutz-Versicherungsfall) beziehe.

Bei verständiger Auslegung der Versicherungsbedingungen solle gerade Schutz vor existenzieller Beschädigung des Ansehens im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen gewährt werden. Soweit die Berichterstattung nicht ohnehin im Rahmen zulässiger Verdachtsberichterstattung hinzunehmen sei und durch die Einschaltung einer PR-Agentur oder durch gerichtliche Maßnahmen abgewendet oder gemindert werden könne, werde dem Versicherten ausdrücklich umfassender Reputationsschutz zugesagt. Dies umfasse nach den berechtigten Erwartungen des Versicherten insbesondere den Ersatz von PR-Kosten in Hinblick auf eine kritische Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, das im Mittelpunkt des medialen Interesses stehe. Anderenfalls liefe der Versicherungsschutz leer.

Begrenzung: 100.000 Euro pro versicherter Person

Der Höhe nach sei der Anspruch auf Gewährung von PR-Kosten allerdings auf 100.000 Euro pro versicherter Person und Versicherungsperiode begrenzt. Das zur Verfügung stehende Grundsublimit von 500.000 Euro werde „je versicherter Person und je Versicherungsfall“ auf 100.000 Euro limitiert, um einer vorschnellen Erschöpfung der Versicherungssumme entgegenzuwirken und eine möglichst gerechte Aufteilung im Kreise der Versicherten sicherzustellen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt werden.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.4.2022, 7 U 150/21 , PM Nr. 37/22 vom 29.4.2022

Gesetzesvorhaben: Mindestlohn und Grenze für Minijobs: Erhöhung ab 1.10.2022

Der Bundestag hat der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro mit Wirkung ab dem 1.10.2022 zugestimmt. Zudem wurden Änderungen bei Mini- und Midijobs beschlossen. Der Bundesrat hat am 10.6.2022 „grünes Licht gegeben“.

Die Mindestlohnkommission berät alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns. Von diesem Prozedere wurde nun einmalig abgewichen.

Im Jahr 2022 gelten diese Beträge:

  • ab 1.1.2022: 9,82 Euro pro Stunde
  • ab 1.7.2022: 10,45 Euro pro Stunde
  • ab 1.10.2022: 12 Euro pro Stunde

Derzeit gilt für eine geringfügige Beschäftigung eine monatliche (statische) Grenze von 450 Euro. Diese wurde nun dynamisch ausgestaltet: Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 S. 1 des Mindestlohngesetzes erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird. Das heißt: Bei einem Mindestlohn von 12 Euro ergibt sich daraus eine Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro (12 Euro x 130 / 3).

Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich hier gelten verminderte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung wurde von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben (Midijob). Oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze wird der Arbeitgeberbeitrag zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge in Höhe von 28 % angeglichen und gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen.

Quelle: Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung; Zustimmung des Bundestags am 3.6.2022

Auslagenersatz: Zählen Erstattungen für ein erweitertes Führungszeugnis zum Arbeitslohn?

Erstattet ein kirchlicher Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Kosten für die Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses, handelt es sich nicht um Arbeitslohn. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) Münster liegt vielmehr steuerfreier Auslagenersatz im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 3 Nr. 50 EStG) vor. Gegen diese Entscheidung ist bereits die Revision anhängig.

Die Einholung der erweiterten Führungszeugnisse erfolgte im Streitfall vor dem Hintergrund eines überwiegend betrieblichen Interesses der Kläger (Arbeitgeberkreis des Generalvikariats des Bistums X-Stadt). Hierfür spricht bereits, so das FG, dass sich die Regelungen der („Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen für die Diözese X-Stadt“ (PrävO) an die Kläger und nicht an die Beschäftigten richten.

Gemäß PrävO trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, sich im regelmäßigen Abstand von fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen zu lassen und nach den hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen die insoweit anfallenden Kosten hierfür zu tragen. Die Kläger sind nicht in der Lage, sich dieser Verpflichtung zu entziehen. Soweit die Arbeitnehmer diese Aufwendungen zunächst selbst tragen, tun sie dies im unmittelbaren Interesse der Kläger.

Das FG berücksichtigte u. a. auch, dass die Arbeitnehmer kein bedeutsames eigenes Interesse an der Einholung eines Führungszeugnisses hatten. Die mit der Kostenerstattung einhergehende „Bereicherung“ stufte es als sehr gering ein.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 23.3.2022, 7 K 2350/19 AO, Rev. BFH: VI R 10/22

9-Euro-Ticket: Lohnsteuerliche Behandlung von Zuschüssen des Arbeitgebers

Das Bundesfinanzministerium hat sich dazu geäußert, wie Zuschüsse des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für den öffentlichen Personennahverkehr während der Gültigkeitsdauer des 9-Euro-Tickets lohnsteuerlich zu behandeln sind.

Zuschüsse, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu deren Aufwendungen für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel gewähren, sind hinsichtlich der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 15 Einkommensteuergesetz (EStG) auf die Höhe der Aufwendungen des Arbeitnehmers beschränkt.

Für Juni, Juli und August 2022 wird es nicht beanstandet, wenn Zuschüsse des Arbeitgebers die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel im Kalendermonat übersteigen, soweit die Zuschüsse die Aufwendungen bezogen auf das Jahr 2022 insgesamt nicht übersteigen (Jahresbetrachtung). Werden für 2022 insgesamt höhere Zuschüsse gezahlt, als der Arbeitnehmer Aufwendungen hatte, ist der Differenzbetrag als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln.

Beachten Sie: Die steuerfreien Arbeitgeberleistungen nach dem Einkommensteuergesetz (§ 3 Nr. 15 EStG) mindern den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag und sind vom Arbeitgeber zu bescheinigen.

Quelle: BMF-Schreiben vom 30.5.2022, IV C 5 – S 2351/19/10002 :007

Steuerpauschalen: Erste Tätigkeitsstätte bei einem angestellten Bauleiter

Wird eine Niederlassung eines international tätigen Bauunternehmens im Arbeitsvertrag eines Bauleiters als „Einstellungsort” bezeichnet, ist nicht allein deswegen von einer dauerhaften Zuordnung durch den Arbeitgeber zu dieser Niederlassung auszugehen. Die Niederlassung stellt nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Mecklenburg-Vorpommern in diesen Fällen also keine erste Tätigkeitsstätte für den Bauleiter dar. Gegen diese Entscheidung ist die Revision anhängig.

Je nachdem, ob es sich beim Tätigkeitsort um eine erste Tätigkeitsstätte oder um eine Auswärtstätigkeit handelt, hat das u. a. folgende steuerliche Konsequenzen:

Erste Tätigkeitsstätte

  • Entfernungspauschale (0,30 Euro je Entfernungskilometer zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte; ab dem 21. Kilometer: 0,38 Euro)
  • grundsätzlich keine Verpflegungspauschale

Auswärtstätigkeit

  • „Dienstreisepauschale“ (0,30 Euro je gefahrenem Kilometer)
  • grundsätzlich Verpflegungspauschale je nach Abwesenheitszeiten

Nach dem Einkommensteuergesetz (§ 9 Abs. 4 S. 1 EStG) ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens gemäß Aktiengesetz (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung erfolgt vorrangig anhand der dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen durch den Arbeitgeber.

Typische Fälle einer dauerhaften Zuordnung sind im Einkommensteuergesetz (§ 9 Abs. 4 S. 3 EStG) aufgeführt:

  • unbefristetes Tätigwerden,
  • Tätigwerden für die Dauer des Dienstverhältnisses,
  • Tätigkeit über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten.

Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.

Entscheidung des Finanzgerichts

Die Niederlassung stellt auch dann keine erste Tätigkeitsstätte für den Bauleiter dar, wenn er

  • einem Gruppenleiter dieser Niederlassung zugewiesen ist,
  • ca. einmal wöchentlich an einer Arbeitsberatung, sowie
  • einige Mal im Kalenderjahr an sonstigen Besprechungen in dieser Niederlassung teilnimmt, und
  • zwar ein Büro in dieser Niederlassung zur Verfügung hat, jedoch tatsächlich den größeren Teil der Schreibtischarbeiten außerhalb dieses Büros erledigt.

Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, kommt es für die Geltendmachung von Verpflegungsmehraufwand nur darauf an, ob er ohne Übernachtung jeweils mehr als acht Stunden von seiner Wohnung entfernt war.

Beachten Sie: Auf die Dreimonatsfrist Verpflegungspauschalen sind auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt kommt es nur an, wenn der Steuerpflichtige an derselben Tätigkeitsstelle längerfristig tätig wird, und zwar an mindestens drei Tagen pro Woche. Das trifft jedoch bei einem Bauleiter nicht zu, wenn er die Arbeiten auf mehreren Baustellen zeitgleich leitet und damit typischerweise von Baustelle zu Baustelle fährt.

Quelle: FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.11.2021, 3 K 6/20, Rev. BFH: VI R 27/21

Kfz-Kaskoversicherung: „Nachtrunk“ befreit Versicherung von Leistungspflicht

Kommt es zu einem Unfall, ist eine KFZ-Versicherung darauf angewiesen, von ihrem Versicherungsnehmer umfassend über den Hergang informiert zu werden. Verstößt der Versicherungsnehmer gegen diese Obliegenheit, kann dies im Einzelfall dazu führen, dass die Versicherung von ihrer Leistungspflicht befreit ist. Über einen solchen Fall hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig entschieden.

Was war geschehen?

Der klagende Versicherungsnehmer fuhr mit seinem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h gegen eine Laterne. Er wartete nicht an der Unfallstelle, sondern begab sich zu dem nahegelegenen Haus seiner Eltern. Seine Eltern nahmen die Polizeibeamten am Unfallort in Empfang. Die von der Polizei ca. 1,5 Stunden nach dem Unfall entnommene Blutprobe des Klägers wies 2,79 Promille auf. Der Kläger behauptete, nach dem Unfall eine Flasche Wodka (0,7 Liter) getrunken und sich schlafen gelegt zu haben. Mit seiner Klage begehrte er den Ersatz der an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden sowie die Zahlung der Reparaturkosten für die Laterne. Die beklagte Versicherung lehnte dies aufgrund der erheblichen Alkoholisierung des Klägers ab. Den behaupteten „Nachtrunk“ erachtete sie nicht als plausibel.

Landgericht hat Klage abgewiesen

Das Landgericht (LG) Braunschweig hatte die Klage zunächst abgewiesen. Es sei aufgrund des gesamten Akteninhalts und der erhobenen Beweise von einer alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls auszugehen. Nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen bestehe danach kein Versicherungsschutz. Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Berufung mit der Begründung ein, der seitens des Gerichts bestellte Gutachter habe letztendlich nicht ausschließen können, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls nüchtern gewesen sei.

Oberlandesgericht bestätigt Vorinstanz

Das OLG sah hingegen keine Veranlassung, weiter aufzuklären, ob der Kläger das Fahrzeug alkoholisiert geführt habe, oder ob der hohe Blutalkoholwert auf einen „Nachtrunk“ zurückzuführen sei. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass der Kläger aufgrund des geltenden Versicherungsvertrags nebst den allgemeinen Versicherungsbedingungen nach Eintritt eines Versicherungsfalls verpflichtet ist, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadens dient. Die Auskunftspflicht erschöpft sich dabei nicht nur in der bloßen Weitergabe von Informationen. Sie erfasst auch das Verhalten des Versicherten am Unfallort.

Autofahrer hat Aufklärung vereitelt

Danach obliegt es dem Versicherten, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen, z. B. zum Drogen- und Alkoholkonsum des Fahrers, zu ermöglichen. Der Versicherer muss die Möglichkeit haben, sämtliche mit dem Schadensereignis zusammenhängenden Tatsachen, aus denen sich gerade auch eine Leistungsfreiheit ergeben könnte, zu überprüfen. Dies hat der Kläger mit seinem behaupteten Nachtrunk vereitelt. Eine verlässliche Bestimmung der Blutalkoholkonzentration zum Unfallzeitpunkt, die in diesem Fall am Unfallort routinemäßig zu erwarten gewesen wäre, war nicht mehr durchführbar.

Berufung zurückgenommen

Nachdem der Senat den Kläger auf seine tatsächliche und rechtliche Bewertung hingewiesen hatte, hat der Kläger seine Berufung gegen das landgerichtliche Urteil zurückgenommen.

Quelle: OLG Braunschweig, PM vom 26.4.2022

Unfallschaden: Welche Bagatellgrenze gilt für Sachverständigengutachten?

Das Amtsgericht (AG) Greifswald sieht die Bagatellgrenze für ein Gutachten nicht als festen Betrag. Vielmehr sei sie je nach Schadensbild, das sich dem Geschädigten als Laien zeigt, im Bereich von 700 bis etwa 1.000 Euro anzusiedeln.

Eine Schadenshöhe von 1.002,73 Euro netto liegt darüber, so das AG. Somit ist ein Gutachten gerechtfertigt.

Quelle: AG Greifswald, Urteil vom 23.3.2022, 44 C 267/21