Elterngeld: Adoption mehrerer Kinder: kein Mehrlingszuschlag

Der Mehrlingszuschlag für Mehrlingsgeburten ist nicht auf Mehrfachadoptionen übertragbar. So hat es das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden.

Die Ehefrau des klagenden Mannes brachte vier Kinder mit in die Ehe ein, die er adoptierte. Der Beklagte gewährte ihm für die Betreuung Elterngeld für den 6. bis 14. Monat ab Inobhutnahme. Der Mann begehrte gerichtlich erfolglos Mehrlingszuschläge à 300 Euro. Auch seine Berufung blieb erfolglos. Dem Mann steht kein Mehrlingszuschlag zu. Die Anspruchsgrundlage für den Mehrlingszuschlag nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (§ 2a Abs. 4 S. 1 BEEG) ist weder dem Wortlaut noch dem Regelungszusammenhang nach auf den Fall einer Mehrfachadoption unmittelbar anwendbar. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Hätte der Gesetzgeber den Mehrlingszuschlag auch bei Mehrfachadoptionen gewähren wollen, hätte er dies geregelt. Der Sachverhalt ist nicht vergleichbar.

Gemäß der Gesetzesbegründung würdigt der Mehrlingszuschlag die bei Mehrlingsgeburten bestehende besondere Belastung der Eltern. Der Beginn des Zusammenlebens mit adoptierten Kindern erfordert zwar ebenfalls i. d. R. besondere fürsorgliche Leistungen der Eltern. Adoptierte Kinder sind aber mitunter deutlich älter als Neugeborene. Der Zeitpunkt der Adoption ist auch anders planbar. Hier hatte der Mann mit den zwischen drei und zehn Jahre alten Kindern bereits über zwei Jahre in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Zudem verfügt der Gesetzgeber im Sozialleistungsrecht über einen weiten Gestaltungsspielraum. Es verletzt daher nicht den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, nur für die besonderen Belastungen einer Mehrlingsgeburt einen Zuschlag vorzusehen. Eine Revision gegen die Entscheidung ist beim Bundessozialgericht anhängig.

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.4.2021, L 13 EG 15/18

Enkelunterhalt: Unterhaltspflicht von Großeltern

Nicht nur Eltern müssen ihren Kindern Unterhalt zahlen, solange diese zur Schule gehen oder sich noch in einer Ausbildung befinden. Dieselbe Pflicht kann nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1607 BGB) auch die Großeltern eines Kindes treffen, wenn die Eltern wegen mangelnder Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt zahlen können oder sich der Unterhaltsanspruch rechtlich nur schwer durchsetzen lässt. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg klargestellt.

Das Amtsgericht (AG) hatte den Antrag zurückgewiesen: Es sei nicht ersichtlich, warum die Kindesmutter nicht vollschichtig arbeiten und dadurch den Barunterhalt für das Kind aufbringen könne.

Das OLG hat diese Frage anders entschieden. Es könne offengelassen werden, ob die Mutter vollschichtig arbeiten müsse. Selbst bei einer Vollzeittätigkeit reiche ihr Einkommen nicht aus, um den Unterhalt des Kindes ganz oder teilweise zu erbringen. Um den eigenen Unterhalt sicherzustellen, müsse ihr der angemessene Selbstbehalt von zurzeit 1.400 Euro belassen werden. Da die Mutter auch bei einer Vollzeittätigkeit nicht so viel verdienen könne, dass sie den Unterhalt für das Kind zahlt und 1.400 Euro für ihren Lebensunterhalt behalten könne, komme eine Haftung der Großeltern für den Unterhalt des Enkels in Betracht. Das OLG hob hervor: Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass der Kindesvater im Laufe des Verfahrens eine Arbeitsstelle angetreten habe und seitdem Unterhalt zahle. Denn es seien noch Rückstände für die Vergangenheit offen. Im Ergebnis könne daher Auskunft von den Großeltern über deren Einkommen und Vermögen verlangt werden. Im Anschluss an diese Auskunft ist zu entscheiden, ob die Großeltern tatsächlich Unterhalt schulden.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.12.2021, 13 UF 85/21, PM 3/22 vom 14.1.2022

Adoptivkind: Auskunftsanspruch gegenüber leiblicher Mutter

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine leibliche Mutter auch nach einer Adoption ihrem Kind Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters geben muss.

Eine im Jahr 1984 geborene Antragstellerin verlangte von ihrer leiblichen Mutter, der Antragsgegnerin, Auskunft über die Person des leiblichen Vaters. Bei der Geburt war die in problematischen Familienverhältnissen aufgewachsene Antragsgegnerin gerade 16 Jahre alt geworden. Sie hatte die Schwangerschaft erst im siebten Monat bemerkt und die Hauptschule, deren siebte Klasse sie damals besuchte, ohne Schulabschluss verlassen. Nach der Geburt lebte sie mit der Antragstellerin zunächst in einem Mutter-Kind-Heim und später in einer Mädchen-Wohngemeinschaft, ehe die Antragstellerin von einem Ehepaar adoptiert wurde.

Ein 1985 durchgeführtes Vaterschaftsfeststellungsverfahren blieb ebenso erfolglos wie ein außergerichtlicher Vaterschaftstest mit einem weiteren Mann. Ende 2003 kam es auf Vermittlung des Jugendamts zu einem Treffen zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin. Nachdem die Antragstellerin die Antragsgegnerin im März 2018 erfolglos aufgefordert hatte, Namen und Anschrift des leiblichen Vaters zu benennen, hat sie diese Auskunft nun im gerichtlichen Verfahren verlangt.

Das Amtsgericht (AG) hat den Antrag zurückgewiesen, weil der Antragsgegnerin die Auskunftserteilung unmöglich sei. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht (OLG) diese Entscheidung geändert und die Antragsgegnerin antragsgemäß verpflichtet, der Antragstellerin alle Männer mit vollständigem Namen und Adresse zu nennen, die der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt haben.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die dagegen von der Antragsgegnerin eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1618a BGB) müssen Eltern und Kinder einander Beistand leisten. Auch wenn die Vorschrift keine konkreten Sanktionen bei einem Verstoß vorsieht, können Eltern und Kindern aus der Vorschrift wechselseitig Rechtsansprüche erwachsen. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates, der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen vor der Vorenthaltung verfügbarer Informationen über die eigene Abstammung bei der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Betroffenen angemessen Rechnung zu tragen.

Zudem geht es nicht allein um die Durchsetzung finanzieller Interessen. Vielmehr wird mit dem Auskunftsanspruch eine Rechtsposition von ganz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedeutung gestärkt, nämlich das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung.

Dass die Antragsgegnerin wegen der Adoption der Antragstellerin und dem daraus folgenden Erlöschen des rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses nicht mehr die rechtliche Mutter der Antragstellerin ist, steht dem Anspruch nicht entgegen. Denn das Auskunftsschuldverhältnis zwischen Kind und Mutter ist vor der Adoption entstanden. Würde man dies anders sehen, würde die Adoption hinsichtlich des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung gegenüber Kindern führen, deren rechtliche Eltern-Kind-Beziehung zu ihrer leiblichen Mutter fortbesteht. Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin auch keine erheblichen, gegen ihre Auskunftsverpflichtung sprechenden Abwägungsgesichtspunkte vorgetragen, sondern im Gegenteil zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass der Auskunftsanspruch der Antragstellerin grundsätzlich besteht. Somit hat sie sich nicht auf konkrete Belange berufen, die mit Blick auf ihr ebenfalls verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Achtung ihrer Privat- und Intimsphäre dazu führen könnten, das Bestehen des Auskunftsanspruchs zu verneinen.

Mit der bloßen Mitteilung, sie könne sich an keinen möglichen Erzeuger erinnern, hat die Antragsgegnerin den Auskunftsanspruch nicht erfüllt. Sie hat auch nicht dargelegt, dass ihr eine Erfüllung auch nach Einholen der ihr zumutbaren Erkundigungen unmöglich ist. Sie könnte sich an eine Reihe von möglichen Kontaktpersonen wenden, um Hinweise zu potenziellen leiblichen Vätern der Antragstellerin zu erhalten. Diesen Nachfragemöglichkeiten fehlt es weder an der Erfolgsaussicht noch sind sie der Antragsgegnerin unzumutbar.

Quelle: BGH, Beschluss vom 19.1.2022, XII ZB 183/21, PM 7/22 vom 19.1.2022

Vertragsrecht: Verjährt beim „echten“ Stufenvertrag jede Stufe eigenständig?

Beim „echten“ Stufenvertrag werden nur die Leistungen der zunächst beauftragten Stufe(n) Vertragsbestandteil. Später beauftragte Stufen stellen einen eigenständigen Vertrag dar. Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche läuft deshalb für jede Vertragsstufe separat. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg entschieden.

Laut OLG ist beim „echten“ Stufen- oder Optionsvertrag der spätere Auftrag als rechtlich eigenständiger Vertrag zu sehen. Wird der Architekt zunächst nur mit einer Leistungsphase beauftragt und werden ihm später weitere Leistungen übertragen, muss die Mangelfreiheit der zuerst beauftragten Leistung getrennt von der zuletzt beauftragten Leistung bewertet werden. Diese Rechtsauffassung vertreten auch die OLG Brandenburg und Dresden.

Quelle: OLG Naumburg, Urteil vom 18.11.2021, 2 U 155/20; OLG Brandenburg, Urteil vom 16.3.2016, 4 U 19/15

Fertiges Bauwerk: Übergabe oder Inbetriebnahme ist keine Abnahme

Die Übergabe des fertiggestellten Bauwerks ist ein rein organisatorischer Vorgang und für die Frage der Abnahme von Ingenieur- oder Architektenleistungen nicht von Bedeutung. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe.

Das OLG: Es kommt nicht darauf an, ob das Bauwerk an den Bauherrn in einem formalen Akt (Stichwort: „Schlüsselfertige Übergabe“) übergeben wird, um die Abnahme der Ingenieurleistungen zu erwirken. Deren Abnahme setzt voraus, dass die Leistungen (insbesondere, wenn die Leistungsphase 8 nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure [HOAI] beauftragt ist) fertiggestellt sind.

Die Entscheidung ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen (15.9.2021, VII ZR 107/21).

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2020, 8 U 5/19

Schadenersatz: Bauunternehmer und Planer können auch gemeinsam haften

Wird ein Mangel an einem Werk durch einen Planungsfehler des vom Auftraggeber beauftragten Planers (hier: Statiker) und unabhängig davon durch einen Ausführungsfehler des Bauunternehmers verursacht, wobei beide Fehler für sich allein jeweils den ganzen Schaden verursacht hätten, liegt ein Fall der sog. Doppelkausalität vor. Planer und Bauunternehmer haften dann dem Auftraggeber gesamtschuldnerisch auf den gesamten Schaden. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden.

Das bedeutet: Der Auftraggeber kann sich aussuchen, von wem er den Schaden ersetzt verlangt. Im Zweifel wird er sich daher für den zahlungskräftigeren Beteiligten entscheiden.

Außerdem hat das OLG klargestellt: In einem solchen Fall der Doppelkausalität kann der Bauunternehmer dem Auftraggeber das planerische Verschulden nicht anspruchsmindernd entgegenhalten, weil das Planungsverschulden für das Ausführungsverschulden nicht (mit-)ursächlich geworden ist.

Quelle: OLG Stuttgart, Urteil vom 26.10.2021, 10 U 336/20

Bauvertragsrecht: Was beinhaltet die Pauschale?

Hausanschlusskosten, die dem Bauunternehmer/Verkäufer eines zu errichtenden Hauses während der Bauphase dafür entstanden sind, dass er gegenüber dem Versorgungsträger seinerseits die Errichtung der Hausanschlüsse veranlasst hat, kann er im Rahmen eines Pauschalpreisvertrags nicht nachträglich auf den Erwerber/Käufer abwälzen, wenn dem zugrunde liegenden Vertrag eine solche nachträgliche Übernahmeverpflichtung nicht zu entnehmen ist. Das hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Celle klargestellt.

Nach Ansicht des OLG darf der Erwerber nach dem allgemeinen Verständnis davon ausgehen, dass der Verkäufer derartige Kosten im Vorfeld kalkuliert und beim Pauschalpreis berücksichtigt hat, sodass etwaige Hausanschlusskosten mit der Zahlung des Pauschalpreises abgegolten sind. Grundlage dieser Auffassung war die Annahme, dass erstmals anfallende Hausanschlusskosten im Gegensatz zu Erschließungskosten i. d. R. den Herstellungskosten des Gebäudes zuzurechnen sind.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 19.10.2021, 14 U 100/21, bestätigt durch Zurückweisungsbeschluss vom 26.11.2021

Honorarverluste: Haftung für vom Bauherrn verschuldete Verzögerungen

Zu Terminverzögerungen kommt es beim Bauen immer wieder. Ob dem Planer daraus Honorarverluste entstehen, ist u. a. davon abhängig, wer die Ursache für die Verzögerung gesetzt hat. Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hingewiesen.

Im Fall des OLG war ein Unternehmer damit beauftragt, eine Trafostation auf dem Grundstück des Auftraggebers zu errichten und in betriebsbereitem Zustand zu übergeben. Für die Fertigstellung der Trafostation war eine Frist von 18 Wochen vereinbart. Da die erforderliche Baugenehmigung erst 14 Monate nach Vertragsschluss vorlag, konnte die Trafostation letztlich erst nach ca. 16 Monaten fertiggestellt werden. Der Auftraggeber verlangte Schadenersatz wegen elfmonatigen Terminverzugs.

Das OLG Brandenburg hat den Schadenersatzanspruch verneint, weil der Auftraggeber die ihm obliegende Aufgabe, die Baugenehmigung rechtzeitig zu erwirken, nicht termingerecht erfüllt hatte. Im vorliegenden Fall war in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Auftragnehmers geregelt, dass der Auftraggeber für die Beibringung der Baugenehmigung verantwortlich war. Die gesetzliche Grundlage für die Mitwirkungspflicht des Auftraggebers ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 642 BGB) geregelt.

Quelle: OLG Brandenburg, Urteil vom 11.11.2021, 12 U 79/21

Arbeitnehmer: Selbstbeurlaubung: ein großer Fehler!

Ein unentschuldigtes Fehlen eines Arbeitnehmers und eine eigenmächtige Urlaubnahme sind geeignet, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern klargestellt.

Das LAG machte dabei deutlich, dass der Arbeitnehmer sich auch nicht selbst beurlauben oder freistellen darf, wenn er möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung von Urlaub oder eine Freistellung gehabt hätte. Denn einen solchen Anspruch hätte er im Wege des gerichtlichen Rechtsschutzes, ggf. im Wege einer einstweiligen Verfügung, durchsetzen müssen, nicht aber durch eigenmächtiges Handeln.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23.11.2021, 5 Sa 88/21

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Datenschutz beachten

Arbeitnehmer sind auf die Art und den Umfang der im betrieblichen Eingliederungsmanagement erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Die entsprechende Datenverarbeitung muss zudem datenschutzkonform geschehen. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg klargestellt.

Um die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu erreichen, sei es nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer Vertretern, die nicht im betrieblichen Eingliederungsmanagement-Verfahren beteiligt des Arbeitgebers sind, mitgeteilte Diagnosedaten bekannt macht. Wenn dem Arbeitnehmer dennoch eine Einwilligung in eine solche Datenoffenlegung abverlangt wird, ist im besonderen Maße auf die Freiwilligkeit hinzuweisen.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2021, 4 Sa 70/20