Reiserücktritt: Kündigung eines Reiseteilnehmers während der Probezeit

Auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Reiseteilnehmers während seiner Probezeit kann eine betriebsbedingte Kündigung im Sinne der Bedingungen einer Reiserücktrittsversicherung sein und ihn zum Rücktritt von der Reise berechtigen. Das folgt aus einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Mönchengladbach.

Nach den für den Vertrag geltenden „Besonderen Bestimmungen der Reiserücktrittskostenversicherung“ ist versichertes Ereignis u.a. der „Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung“. Nach Ansicht der Kammer kann eine Kündigung während der Probezeit einer betriebsbedingten Kündigung entsprechen.

Quelle: LG Mönchengladbach, Urteil vom 9.3.2021, 4 S 30/20

Hausgeldrückstände: Entziehung eines Wohnungseigentums droht!

Fortlaufende, nicht nur geringfügige Hausgeldrückstände begründen eine Pflichtverletzung, die nach Abmahnung zu einer Entziehung des Wohnungseigentums berechtigt. Das hat jetzt das Landgericht (LG) Frankfurt/Main entschieden.

Der Eigentümer stritt seit Jahren gerichtlich mit der Wohnungseigentümergemeinschaft wegen Nichtzahlung von Vor- und Nachschüssen. Abmahnungen ignorierte er. Offen waren titulierte Rückstände i. H. v. ca. 12.000 Euro. Daraufhin beschloss die Gemeinschaft, ihm das Wohnungseigentum zu entziehen.

Das AG gab der Entziehungsklage statt. Die Berufung blieb erfolglos.

Das Zahlungsverhalten des Wohnungseigentümers sei nicht hinnehmbar; es führe zu erheblichen Belastungen durch Klage- und Vollstreckungsverfahren und letztlich zu einer Mehrbelastung der anderen Wohnungseigentümer. Erschwerend komme hinzu, dass nicht nur ein vorübergehender Rückstand vorliege, da der Beklagte auch die laufenden Vorschüsse nicht zahle und künftige Zahlungen auch nicht zu erwarten seien. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Vor allem liege ein solches Mittel nicht in einer Versorgungssperre, da diesem Weg entgegenstehe, dass die Wohnung vermietet sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: LG Frankfurt/Main, Urteil vom 4.10.2021, 2-13 S 9/21

Betriebskosten: Darf der Vermieter eine maschinenschriftliche Abrechnung handschriftlich ergänzen?

Ja! Denn da Betriebskostenabrechnungen keinen Formvorschriften unterliegen, berühren handschriftliche Ergänzungen, die aus sich heraus verständlich sind, nicht die formelle Wirksamkeit maschinenschriftlicher Abrechnungen, sagt das Landgericht (LG) Wiesbaden.

Handschriftliche Einfügungen und Ergänzungen des Vermieters in der maschinenschriftlichen Betriebskostenabrechnung machen diese nicht formell unwirksam. Es gebe grundsätzlich keine Formvorschriften. Betriebskostenabrechnungen müssten weder maschinenschriftlich sein, noch so, dass keine Ergänzungen oder Änderungen vorgenommen worden sind.

Per handschriftlicher Ergänzung habe der Vermieter lediglich bezüglich der Nachzahlungsbeträge aus sich heraus nachvollziehbare Verrechnungen vorgenommen. Dies beeinträchtige die formell wirksame Abrechnung nicht.

Quelle: LG Wiesbaden, Urteil vom 9.7.2020, 3 S 91/20

Renovierungsarbeiten: Miete ist auch bei Umzug ins Seniorenheim zu zahlen

Der Mieter ist verpflichtet, Miete zu zahlen, auch wenn er sich bereits in einem Seniorenheim befindet und der Vermieter nach seinem Auszug schon vor Ablauf der Mietzeit Handwerker mit der Renovierung der Wohnung beauftragt hat. Das hat das Landgericht (LG) Koblenz klargestellt.

Während der Mietzeit schuldet der Mieter, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu zahlen. Ein Anspruch des Vermieters auf Mietzahlung erlischt, wenn er die Wohnung einem Dritten überlässt und dadurch dem Mieter den Gebrauch daran nicht (wieder) gewähren kann.

Nach Auffassung des LG führte die Nutzung der Wohnung durch die Handwerker zu Renovierungszwecken nicht zu einem Erlöschen des Mietzahlungsanspruchs. Denn es komme nicht darauf an, ob die Handwerker tatsächlich in der Wohnung lebten. Maßgebend ist, ob der Vermieter noch in der Lage ist, dem Mieter den Gebrauch der Wohnung (wieder) einzuräumen.

Zwar handelt es sich hierbei um eine hypothetische Frage, wenn der Mieter die Wiedereinräumung des Gebrauchs wie hier gerade nicht verlangt, sondern im Nachhinein die Mietzahlung für die Zeit der Gebrauchsüberlassung an die Handwerker bzw. der Selbstnutzung des Vermieters zu Renovierungszwecken verweigert. Dann kommt es darauf an, ob der Vermieter bei einem entsprechenden Verlangen des Mieters zur Herausgabe der Wohnung dieses umgehend erfüllt hätte. Ein entscheidendes Indiz ist der Umfang der in der Wohnung durchgeführten Baumaßnahmen. Hier hatte der Vermieter unwidersprochen vorgetragen, dass er jederzeit in der Lage gewesen wäre, die Handwerker wegzuschicken und der Mieterin den Gebrauch an der Wohnung zu gewähren, zumal nur kleinere Malerarbeiten durchzuführen waren. Daher war der Anspruch auf Mietzahlung hier nicht erloschen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: LG Koblenz, Urteil vom 16.2.2021, 6 S 188/20, PM Nr. 3/21 vom 16.4.2021

Rückgabepflicht: 18 Jahre Schuppen genutzt? Nur Leihe, keine Miete!

Wenn ein Vermieter es duldet, dass sein Mieter lange Jahre einen Schuppen nutzt, wird zwischen ihnen grundsätzlich nur ein Leihvertrag vereinbart. Die Nutzung führt weder zu einer Einbeziehung in den Mietvertrag noch zu der Annahme einer unwiderruflichen Gestattung. Folge: Der Vermieter kann den Schuppen jederzeit zurückfordern, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck heraus zu entnehmen ist. So sieht es das Amtsgericht (AG) Brandenburg.

Im Fall des AG wurde der Schuppen unstreitig bei Abschluss eines Mietvertrags über Wohnraum nicht mitvermietet. Gleichwohl nutzte die Mieterin der Wohnung auch diesen zum Abstellen von Fahrrädern etc. Da der Verleiher die Sache jederzeit zurückverlangen kann, wenn die Dauer der Leihe weder vereinbart noch aus dem Zweck zu entnehmen ist, hat das AG dem Verlangen des Vermieters nachgegeben.

Quelle: AG Brandenburg, Urteil vom 29.1.2021, 34 C 34/20

Kindesunterhalt: Sind Oma und Opa vermögend, muss Papa nicht mehr zahlen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat geklärt, ob die sog. gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern auch besteht, wenn finanziell leistungsfähige Großeltern vorhanden sind. Der BGH hat die Frage entschieden verneint.

Das war geschehen

Ein Bundesland als Träger der Unterhaltsvorschusskasse verlangte Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht für den Zeitraum von Juni 2016 bis einschließlich Dezember 2017. Der Antragsgegner ist der Vater der im August 2010 geborenen Tochter, die aus seiner inzwischen geschiedenen Ehe mit der Kindesmutter hervorgegangen ist, sowie eines Sohnes, dem er ebenfalls unterhaltspflichtig ist. Er verfügte über ein Nettoeinkommen von rund 1.400 Euro und zahlte an die Kindesmutter, deren Nettoeinkommen aus einer Teilzeittätigkeit rund 1.000 Euro betrug, monatlichen Unterhalt für die Tochter in Höhe von 100 Euro. Seine Eltern die Großeltern des Mädchens hatten monatliche Nettoeinkünfte von fast 3.500 Euro bzw. gut 2.200 Euro. Die Unterhaltsvorschusskasse leistete für die Tochter Unterhaltsvorschuss und nahm den Vater von auf sie übergegangenen Unterhalt in Höhe von insgesamt 758,29 Euro in Regress. Der Antragsgegner wandte ein, er hafte angesichts der leistungsfähigen Großeltern nur bis zur Höhe des angemessenen Selbstbehalts und sei deswegen nicht leistungsfähig.

So sahen es die Gerichte

Das Amtsgericht (AG) hat dem Zahlungsantrag in vollem Umfang entsprochen. Auf die Beschwerde des Vaters hat das Oberlandesgericht (OLG) diese Entscheidung geändert und den Antrag abgewiesen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die dagegen vom Land eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen, weil der Vater nicht über die von ihm erbrachten Unterhaltszahlungen hinaus leistungsfähig im Sinne des Gesetzes (§ 1603 BGB) war.

Die Argumente des BGH

Verwandte in gerader Linie müssen einander Unterhalt gewähren. Dabei geht die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vor. Unterhaltspflichtig ist nicht, wer seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde.

Der daraus abgeleitete angemessene Selbstbehalt eines Elternteils gegenüber seinem Kind betrug seinerzeit 1.300 Euro. Allerdings trifft Eltern minderjähriger Kinder eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb ihnen insoweit nur der notwendige Selbstbehalt von seinerzeit 1.080 Euro zusteht. Diese sog. gesteigerte Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist.

Der BGH: Das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern führt dazu, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder entfällt. Dies folgt nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, der nicht nach dem Verwandtschaftsgrad differenziert. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der diese Regelung seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der Vorstellung getroffen hatte, die Erweiterung der Unterhaltspflicht sei wegen der für die Eltern damit verbundenen Härte nicht gerechtfertigt, solange andere zur Gewährung des Unterhalts verpflichtete Verwandte, wie etwa Großeltern, vorhanden sind. An dieser gesetzgeberischen Konzeption, die sich in die Konstruktion des Verwandtenunterhalts als Ausdruck der generationenübergreifenden Solidarität einfügt, hat sich bis heute nichts geändert. Werden Großeltern für den Unterhalt ihrer Enkel herangezogen, stellt dies auch keine verdeckte Unterhaltsgewährung an die Kindeseltern dar. Vielmehr haften sie originär nur auf Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern. Die Kindeseltern müssen ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst sicherstellen.

Durch dieses Gesetzesverständnis wird das gesetzliche Rangverhältnis nicht in Frage gestellt. Zudem bleibt gewährleistet, dass die Ersatzhaftung der Großeltern die Ausnahme darstellt. Dafür sorgt nicht nur die Anordnung des Vorrangs der elterlichen Unterhaltspflicht, sondern auch, dass Großeltern gegenüber ihren Enkeln ein deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zusteht (Stand Oktober 2021: 2.000 Euro zzgl. der Hälfte des über 2.000 Euro liegenden Einkommens) als den Eltern gegenüber ihren Kindern. Dass der Staat für Unterhaltsvorschusszahlungen keinen Regress bei Großeltern nehmen kann, ist wiederum eine ganz bewusste gesetzgeberische Entscheidung, kann jedoch nicht dafür maßgeblich sein, welchen Umfang die zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern hat. Schließlich geben auch Praktikabilitätserwägungen keine Veranlassung zu einer abweichenden Gesetzesauslegung. Bereits die Zahl der Fälle, in denen intensivere Nachforschungen zu den Einkommensverhältnissen der Großeltern erforderlich sind, dürfte begrenzt sein. Vor allem aber muss ein auf Unterhalt in Anspruch genommener Elternteil in solchen Fällen nicht nur darlegen und beweisen, dass bei Unterhaltszahlung sein angemessener Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, sondern auch, dass andere leistungsfähige Verwandte vorhanden sind.

Fazit

Danach traf den Vater hier keine gesteigerte Unterhaltspflicht, weil jedenfalls der Großvater ohne Weiteres leistungsfähig für den Kindesunterhalt war. Unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts musste der Vater daher über die bereits gezahlten 100 Euro hinaus keinen weiteren Kindesunterhalt leisten.

Quelle: BGH, Beschluss vom 27.10.2021, XII ZB 123/21, PM Nr. 197/21 vom 28.10.2021

Nachehelicher Unterhalt: Keine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung

Ohne Hinzutreten sonstiger Umstände kommt bei einer rund 36-jährigen Ehedauer einer Alleinverdienerehe, aus der drei Kinder hervorgegangen sind, die von der geschiedenen Ehefrau überwiegend betreut wurden, sowie angesichts der Umstände, dass die Ehefrau bald 60 Jahre alt und krankheitsbedingt erwerbsunfähig ist, eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts nicht in Betracht. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Frankenthal entschieden.

Das AG betont: Ergibt sich aufgrund der Gesamtumstände, dass für einen Unterhaltsberechtigten krankheitsbedingt offensichtlich keine reelle Chance der Einkommenserzielung auf dem Arbeitsmarkt besteht, ist nicht erforderlich, dass sich ein hierzu eingeholtes Sachverständigengutachten bis an die Grenze des Absurden zu allen denkbaren Formen der Erwerbstätigkeit ausdrücklich und unter Hinzuziehung von Beispielen äußert.

Die Beteiligten stritten um rückständigen und laufenden Ehegattenunterhalt. Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Sie haben im Jahr 1983 die Ehe geschlossen und leben seit dem Jahr 2016 voneinander getrennt. Die Ehe, aus der drei zwischenzeitlich volljährige Kinder hervorgegangen sind, wurde im Jahr 2019 geschieden. Es handelte sich um eine sogenannte „Alleinverdienerehe“, das heißt: Die im Jahr 1960 geborene Antragstellerin hatte während der Ehezeit nicht gearbeitet, sondern sich maßgeblich um die Kindererziehung gekümmert. Sie erzielt keine eigenen Einkünfte. Zwar hat sie in Kasachstan eine Ausbildung zur Postbotin absolviert, diesen Beruf indes nie ausgeübt. Zur von der Antragstellerin behaupteten krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit hat das Gericht zwei Sachverständigengutachten eingeholt.

Das AG hat den Anträgen überwiegend stattgegeben. Die Antragstellerin (Ehefrau) kann von dem Antragsgegner (Ehemann) Ehegattenunterhalt in Form des Elementarunterhalts wegen Krankheit sowie in Form des Krankenvorsorgeunterhalts verlangen. Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt der Scheidung an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwächen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Krankheit braucht nicht „ehebedingt“ zu sein. Ausreichend ist die Kausalität für die Nichterwerbstätigkeit des Bedürftigen. Es ist allein maßgeblich, dass eine Einschränkung vorliegt, die zur Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit führt. Erforderlich ist ein objektiv fassbarer, regelwidriger Körper- und Geisteszustand, der länger andauert und der ärztlichen Behandlung bedarf und (teilweise oder ganz) die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.

Das AG: Vor diesem Maßstab kann von der Antragstellerin jedenfalls seit dem Zeitpunkt der Scheidung wegen Krankheit keine Erwerbstätigkeit erwartet werden. Die Antragstellerin leide an diversen Beeinträchtigungen. Aus neurologischer Sicht wäre hiernach eine Tätigkeit in Wechselschicht, nicht aber in Nachtschicht, in Form leichter bis mittelschwerer Tätigkeit überwiegend im Sitzen, zeitweise auch im Gehen und Stehen zumutbar. Es bestehen zusätzlich diverse orthopädische Diagnosen. Hiernach ist die Antragstellerin aufgrund orthopädischer Leiden bis auf Weiteres nicht in der Lage, drei Stunden täglich wettbewerbsmäßig tätig zu sein. Nach alledem stand für das Gericht aufgrund der nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen und in der Zusammenschau beider Gutachten mit hinreichender Sicherheit fest, dass bei verständiger Würdigung eine reelle Erwerbschance auf dem Arbeitsmarkt für die Antragstellerin bis auf Weiteres nicht besteht.

Umstände, aus denen sich ausnahmsweise dennoch eine Unbilligkeit der unbegrenzten Dauer der Unterhaltspflicht ergeben könnten, hatte der Antragsgegner weder vorgetragen, noch seien sie sonst ersichtlich, so das AG. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Seine Beschwerde hatte der Antragsgegner zurückgenommen.

Quelle: AG Frankenthal, Urteil vom 29.4.2021, 71 F 214/19, PM vom 22.10.2021

Notarielles Testament: Wenn die Geschäftsfähigkeit zweifelhaft ist

Das Landgericht (LG) Heilbronn hat sich in einem Beschluss mit der Argumentation von Erben befasst, der Erblasser sei bei Testamentserrichtung nicht geschäftsfähig gewesen.

Der Erblasser errichtete ein notarielles Testament. Der Notar traf darin die übliche Feststellung, dass er an der Geschäftsfähigkeit des Erblassers keine Zweifel habe. Nach dem Tod des Erblassers waren offenbar von der Erbfolge ausgeschlossene gesetzliche Erben der Auffassung, der Erblasser sei bei Testamentserrichtung nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Insbesondere trugen sie vor, der Erblasser habe Erinnerungslücken gehabt (Name der langjährigen Zugehfrau, Daten und zeitliche Einordnung bestimmter persönlicher Ereignisse), und sei vergesslich gewesen (z. B. Vorversterben der Eltern, Aufgabe der eigenen Berufstätigkeit, Regelungen zur Grabpflege) und habe bestimmte „Geschichten“ ständig wiederholt.

Das LG folgte dieser Argumentation jedoch nicht und stellt fest: Diese Auffälligkeiten sind alterstypische Erscheinungen. Für sich allein führen sie noch nicht dazu, dass von einer Testierunfähigkeit auszugehen sei. Testierunfähigkeit ist erst gegeben, wenn der Erblasser aufgrund seiner kognitiven Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung des von ihm errichteten Testaments einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Im Zweifel ist von Testierfähigkeit auszugehen.

Quelle: LG Heilbronn, Beschluss vom 13.9.2021, II 3 S 5/21

Vertragsrecht: Was gilt bei Lieferung und Montage von Standardtüren?

Ein Vertrag über die Lieferung und Montage von Standardtüren und -zargen ist ein Werklieferungsvertrag. Folge: Es ist Kaufrecht anzuwenden. Wird die Ware nicht unverzüglich geprüft und gerügt, gilt sie daher als genehmigt, selbst wenn die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen Teil B (VOB/B) vereinbart sind. Die Parteien haben kein Wahlrecht zwischen Werkvertragsrecht und Kaufrecht. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal klargestellt.

Verpflichtet sich ein Unternehmer zur Lieferung und Montage einer Sache, kommt es für die Einordnung des Vertragsverhältnisses als Werk- oder Kaufvertrag mit Montageverpflichtung darauf an, auf welcher Leistung der Schwerpunkt liegt. Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrags mit Montageverpflichtung geboten.

Bei der Anwendung von Kaufrecht gilt: Der Auftraggeber muss die Ware unverzüglich prüfen und Mängel rügen. Unverzüglich bedeutet innerhalb von zwei bis drei Tagen. Wird nicht unverzüglich geprüft und gerügt, gilt die Ware als genehmigt. Auf die Abnahme, die regelmäßig erst viel später stattfindet, kommt es dann nicht an.

Quelle: LG Frankenthal, Beschluss vom 2.9.2021, 8 O 162/20

Fehlende Baugenehmigung: Wie schnell müssen Beseitigungsverfügungen umgesetzt werden?

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt hat jetzt entschieden: Die sofortige Vollziehung von Beseitigungsverfügungen aus brandschutzrechtlichen Gründen setzt voraus, dass die von dem Bauwerk ausgehende Gefahr ein sofortiges Einschreiten erfordert. Das schließt auch ein, zu prüfen, ob der Gefahrenlage für die Dauer des Hauptsacheverfahrens durch anderweitige ergänzende Maßnahmen der Gefahrenabwehr begegnet werden kann, etwa durch Erlass einer Nutzungsuntersagung.

Was war geschehen?

Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks, das straßenseitig mit einem mehrgeschossigen Gebäude bebaut ist. Im Erdgeschoss dieses Gebäudes betreibt er ein Bistro. Bei Vorortkontrollen stellte die Antragsgegnerin, die Stadt, fest, dass an der rückwärtigen Gebäudeseite ein eingeschossiger Anbau mit Pultdach mit einer Grundfläche errichtet worden war. Sie gab dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes auf, den Anbau vollständig zurückzubauen. Zur Begründung führte sie u.a. aus, der Anbau sei ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden und könne auch nachträglich nicht genehmigt werden. Die Anforderungen an den Brandschutz, an Rettungswege und an Brandwände würden nicht erfüllt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im öffentlichen Interesse geboten. Aufgrund der Gefährdungslage für die Gäste und Bewohner des Grundstücks sowie des Nachbargrundstücks sei der weitere Bestand des Anbaus als Aufenthaltsraum nicht zu verantworten. Im Brandfall seien mit hinreichender Sicherheit Schäden an Leib, Leben und Gesundheit dieser Personen zu befürchten. Bei Beachtung der Länge eines Rechtsmittelverfahrens könne die bestehende Gefahr nicht in geeigneter Weise abgewendet werden, wenn der Widerspruch aufschiebende Wirkung habe. Dem Antragsteller durch den Rückbau entstehende finanzielle Verluste seien nicht zu berücksichtigen, da diese lediglich auf der rechtswidrigen Errichtung und Nutzung beruhten und somit allein in der Verantwortungssphäre des Antragstellers lägen.

Das sagt das Oberverwaltungsgericht

Zunächst hat das OVG seinen eingangs geschilderten Grundsatz bekräftigt. Dann lässt es aber eine Ausnahme zu: Etwas anderes könne nämlich bei verhältnismäßig geringfügigen Auswirkungen einer Beseitigungsverfügung gelten, namentlich dann, wenn eine bauliche Anlage ohne Substanzverlust beseitigt werden kann und keine erheblichen Aufwendungen für die Entfernung und Lagerung der Anlage entstehen. So sah es das OVG hier als gegeben an.

Es hat dann ergänzt: Zwar könne die Bekämpfung einer negativen Vorbildwirkung ein besonderes Interesse am Sofortvollzug einer Beseitigungsanordnung begründen. Dies setze allerdings voraus, dass die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung in solchem Maße schon bis zum bestands- oder rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache befürchten lässt, dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss.

Für den konkreten Fall hat das OVG eine solche Gefahr nicht gesehen. Hier fehle es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass von dem streitigen Anbau bereits vor einem bestands- oder rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine konkrete Nachahmungsgefahr ausgeht. Die Antragsgegnerin habe nicht gezeigt, dass in der näheren Umgebung bereits vergleichbare Anbauten (an Gaststätten) errichtet wurden, für die der streitige Anbau Vorbild gewesen sein könnte. Aufgrund der Lage des Anbaus an der zur Straße abgewandten Seite des Hauptgebäudes könne auch nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Anbau andere Personen dazu verleiten könnte, einen solchen Anbau auf ihrem Grundstück zu errichten. Die von der Antragsgegnerin ins Feld geführte abstrakte Gefahr, dass andere Grundstückseigentümer, insbesondere Gastronomen oder sonstige Gewerbetreibende, dazu ermuntert werden könnten, illegal bauliche Anlagen zu errichten und zumindest für einen gewissen Zeitraum zu nutzen, genüge nicht.

Quelle: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.9.2021, 2 M 64/21