Schadensregulierung: Nach Verkehrsunfall nicht zu lange warten

Der Umstand, dass der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall mehrere Monate wartet, bevor er sich ein Ersatzfahrzeug anschafft, begründet eine tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen. So sieht es das Oberlandegericht (OLG) Dresden.

Diese Vermutung wird nach Ansicht des OLG nicht durch den Vortrag entkräftet, zu einer Neuanschaffung nicht in der Lage zu sein, wenn der Geschädigte ein regelmäßiges Arbeitseinkommen erzielt, keine Zahlungsverpflichtungen bestehen und das Girokonto im Plus geführt wird. So ist nämlich davon auszugehen, dass der Geschädigte sich einen Kredit zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und hierdurch auch nicht über Gebühr belastet wird. (OLG Dresden, Urteil vom 17.5.2021, 4 U 382/21)

Schadenersatz: „Rennmodus“ erhöht Betriebsgefahr

Wird eine Motorsport-Rennstrecke bei einer sogenannten Touristenfahrt mit einer den Sichtverhältnissen nicht angepassten, hohen Geschwindigkeit („Rennmodus“) befahren, erhöht das die Betriebsgefahr. Folge: Die Betriebsgefahr tritt bei einem Unfall nicht zurück. Dies gilt, selbst wenn den Unfallgegner ein grobes Verschulden trifft. Hierauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hingewiesen.

Unfall mit Folgen

Der Geschäftsführer der Klägerin unternahm mit einem ihrer Fahrzeuge eine sogenannte Touristenfahrt auf einer Motorsport-Rennstrecke. In einer nur eingeschränkt einsehbaren Linkskurve verlor er die Kontrolle über das Auto. Er krachte in die Leitplanke. Unfallursache war eine Kühlmittelspur. Diese hatte das Fahrzeug des Beklagten hinterlassen.

Wie viel Schadenersatz stand der Klägerin zu?

Die Klägerin verlangte von der Beklagten und deren Haftpflichtversicherung Schadenersatz in Höhe von ca. 65.000 Euro. Das Landgericht (LG) sprach der Klägerin hiervon 75 Prozent zu. Es wies die Klage im Übrigen ab. Begründung: Die vom Fahrzeug der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr betrage 25 Prozent. Sie trete u. a. nicht hinter dem Verschulden des Beklagten zurück, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Unfall bei angepasster Geschwindigkeit zu verhindern gewesen wäre. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.

Doch nach Ansicht des OLG hatte das LG richtig entschieden. Denn die konkrete Nutzung des Fahrzeugs habe dessen Betriebsgefahr erhöht. Daher trete diese nicht hinter dem Verschulden des Beklagten zurück. Erhöht sei eine Betriebsgefahr, wenn die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Kfz-Betrieb verbundenen Gefahren durch besondere Umstände vergrößert werden. Dies sei regelmäßig bei Fahrmanövern der Fall, die besondere Gefahren mit sich bringen.

Wer sich in Gefahr begibt …

Das sah das OLG hier als gegeben an: Das Kfz der Klägerin sei auf der Rennstrecke bei eingeschränkter Sicht mit hoher Geschwindigkeit im „Rennmodus“ gefahren worden. Der Spielraum, einen Unfall zu vermeiden, hätte dadurch quasi „null“ betragen. Die Betriebsgefahr könne somit nicht zurücktreten. Sie hatte daher mit 25 Prozent angesetzt werden können.

Folglich wies das OLG die Klägerin darauf hin, dass ihre Berufung keinen Erfolg haben werde. Daraufhin hat die Klägerin das Rechtsmittel zurückgenommen. Das Verfahren ist hierdurch rechtskräftig abgeschlossen. (OLG Koblenz, Beschluss vom 5.1.2021, 12 U 1571/20, PM vom 15.6.2021)

Unfallschaden: Reifenpreis muss nicht der niedrigste sein

Das Amtsgericht (AG) Hamburg-Wandsbek hat jetzt bei der fiktiven Abrechnung eines Unfallschadens klargestellt: Auch soweit der Prüfbericht den Ansatz eines zu hohen Reifenpreises beanstandet, belegt das Nennen einer Bezugsquelle mit einem niedrigeren Preis nicht, dass der vom Sachverständigen ermittelte Preis unangemessen oder unüblich ist.

Oft wird in Prüfberichten auf den Preis eines Reifendiscounters abgestellt. Doch darauf kommt es nicht an. Der Preis muss im üblichen Rahmen liegen. Das genügt. (AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 1.6.2021, 715 C 81/21)

Fahrtenbuch: Keine weiteren Ermittlungen bei nur vagen Angaben zu in Betracht kommenden Fahrern

Die Fahrerlaubnisbehörde ist zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet, wenn der Fahrzeughalter bei seiner Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage nur vage Angaben zu einem in Frage kommenden großen Personenkreis macht und es deshalb an hinreichend konkreten Beweisanzeichen fehlt, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten. Das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) entschieden.

Der VGH: Art, Zeitpunkt und Umfang der angemessenen und zumutbaren Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei. Sie ist nicht verpflichtet, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden. Diese hängen vielmehr von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters ab, an der Feststellung des Fahrers mitzuwirken.

Die Behörde darf ihre Bemühungen um die Feststellung des Fahrzeugführers vorrangig an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und aus seinem Verhalten im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf fehlende Mitwirkungswirkungsbereitschaft schließen. Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden. Er ist insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einschränkt.

Unterbleiben dahingehende Angaben oder lehnt der Fahrzeughalter eine Mitwirkung erkennbar ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben. (Hessischer VGH, Urteil vom 28.7.2021)

BGH-Beschluss: Strafbarkeit der sogenannten Polizeiflucht

Auch sog. Polizeifluchtfälle können strafbar sein. Es muss aber festgestellt werden, dass es dem Täter darauf ankam, als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Der BGH hatte dies bereits früher angedeutet. Nun hat er es ausdrücklich festgestellt. Er weist aber darauf hin, dass aus einer Fluchtmotivation nicht ohne Weiteres auf die Absicht geschlossen werden kann, die gefahrene Geschwindigkeit bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern. (BGH, Beschluss vom 29.4.2021, 4 StR 165/20)

Schadensmeldung: EC-Karte verloren? Schnell handeln!

Wer den Verlust der EC-Karte bemerkt und erst nach 30 Minuten veranlasst, die Karte zu sperren, verstößt gegen seine Obliegenheiten und kann keinen Ersatz von zwischenzeitlichen Abhebungen mit der Karte verlangen. So sieht es das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M.

Die Klägerin hat in der Schadensanzeige mitgeteilt, um 10.10 Uhr den Verlust der Karte bemerkt zu haben. Später behauptete sie, den Verlust ihrer Geldbörse mit der EC-Karte erst um 10.30 Uhr bemerkt zu haben. Um 10.42 Uhr habe sie die Karte sperren lassen, mit der bereits um 10.15 Uhr und um 10.16 Uhr zweimal 500 Euro abgehoben wurden.

Das AG sah es als nicht ausgeschlossen an, dass die Klägerin EC-Karte und PIN gemeinsam verwahrt habe und stellt auf die Schadensmeldung ab. Wer ein Mobiltelefon mit sich führe, müsse direkt die Kartensperre veranlassen. Wäre dies um 10.10 Uhr geschehen, hätten die missbräuchlichen Abhebungen nicht stattfinden können. (AG Frankfurt a.M., Urteil vom 31.8.2021, 32 C 6169/20)

Steuererklärung: Warnung: Wiederholt Betrugs-E-Mails im Umlauf

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) warnt vor Betrügern, die über die E-Mail-Adresse „steuerzahler@bzst.tax-official.com“ versuchen, an Informationen von Steuerzahlern zu gelangen. Sie versenden E-Mails mit dem Titel „Bekanntmachung über die Steuererklärung“ und behaupten, die Bürger könnten über einen Link weitere Informationen zu ihrem Steuererstattungsanspruch erhalten. Das BZSt warnt davor, hierauf zu reagieren bzw. den Link in der E-Mail zu öffnen.  (BZSt, Meldung vom 7.9.2021)

Privatschule: Probejahr mit beschränkter Kündigungsmöglichkeit erlaubt

In einem Privatschulvertrag wurde ein „Probejahr“ mit beidseitiger Kündigungsmöglichkeit vereinbart. Eine Kündigung des Vertrags in diesem Zeitraum ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken aber nicht ohne Weiteres erlaubt mit Rücksicht auf die Nachteile, die die Beendigung des Schulverhältnisses für den weiteren Lebensweg eines Schülers mit sich bringen kann.

Die Kündigung sei unwirksam, wenn sie rechtsmissbräuchlich sei. Hier hatten sich Eltern und Schüler den pandemiebedingten Regeln der Schule widersetzt. Zu Recht gehe die Schule davon aus, dass ein solches Verhalten geeignet sei, das notwendige schulische Vertrauensverhältnis zu beeinträchtigen. Das OLG: Die Kündigung war hier daher nicht rechtsmissbräuchlich. (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 9.9.2021, 5 W 29/21)

KfW-Förderprogramm: Bessere Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsneubaus

Seit dem 21.10.2021 ist ein neues Programm gestartet, mit dem der genossenschaftliche Wohnungsbau gefördert wird.

Wie bisher können Privatpersonen beim Erwerb von Genossenschaftsanteilen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eine Förderung beantragen, wenn sie eine Genossenschaftswohnung selbst nutzen. Mit dem neuen Programm sollen Haushalte gefördert werden, wenn sie sich an genossenschaftlichen Neubauvorhaben mit Geschäftsanteilen beteiligen. Geplant ist ein zinsgünstiges Darlehen mit einem Förderzuschuss in Höhe von 15 Prozent.

Schadenersatz: Schwierig: Wer haftet beim Unfall auf dem Bahnhof?

Ein Fahrgast der Deutschen Bahn stürzt auf einem Bahnhof. Doch gegen wen muss er seine ggf. bestehenden Ansprüche richten? Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm sagt nun: Vertragliche Ansprüche muss er gegen das Eisenbahnverkehrsunternehmen richten, mit dem er den Beförderungsvertrag abgeschlossen hat. Für deliktische Ansprüche kommt als Anspruchsgegner auch das Eisenbahninfrastrukturunternehmen in Betracht, das den Bahnhof betreibt. Die Deutsche Bahn AG kann er in diesen Fällen nicht in Anspruch nehmen.

Sturz in der Unterführung

Ein Fahrgast des Personennahverkehrs war im Hauptbahnhof in einer dortigen Personenunterführung gestürzt. Er verlangte Schmerzensgeld und materiellen Schadenersatz nach dem OLG aber vom falschen Beklagten.

Geflecht von Bahn-Unternehmen

Die Deutsche Bahn AG hatte lediglich für einen Dritten, die DB Regio AG, die Fahrkarte verkauft. Die Deutsche Bahn AG ist auch nicht Betreiberin des Hauptbahnhofs. Diese Aufgabe nimmt die DB Station & Service AG wahr. Auch sei die Deutsche Bahn AG nicht Netzbetreiberin gewesen. Hiervon gebe es eine Vielzahl, wobei die DB Netz AG und die DB RegioNetz AG zu den größten Eisenbahninfrastrukturunternehmen gehörten. (OLG Hamm, Urteile vom 26.6. und 11.8.2021, 11 U 38/21)