Parkplatz: Keine Unfallflucht mit Einkaufswagen

Wird auf dem Parkplatz eines Supermarkts ein Pkw durch einen wegrollenden Einkaufswagen beschädigt, macht sich der Schädiger nicht wegen Unfallflucht strafbar, wenn er sich von der Unfallstelle entfernt, ohne Feststellungen zu ermöglichen. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Dortmund klargestellt.

Während der Schädiger auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums seine Einkäufe in den Kofferraum seines Pkw lud, rollte der von ihm genutzte Einkaufswagen gegen das Fahrzeugheck des gegenüber geparkten Pkw. An dessen Heckklappe entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 1.300 Euro. Obwohl der Schädiger den Unfall bemerkte und den Einkaufswagen vom beschädigten PKW zurückholte, entfernte er sich von der Unfallstelle, ohne die erforderlich gewordenen Feststellungen zu ermöglichen.

Das AG lehnte es jedoch ab, einen Strafbefehl zu erlassen. Es bestehe kein hinreichender Verdacht einer Straftat, insbesondere nicht auf ein sog. „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“. Bei dem zugrunde liegenden Vorfall handelt es sich nämlich nicht um einen Unfall im Straßenverkehr im Sinne des Strafrechts.

Unter einem „Unfall im Straßenverkehr“ ist nach allgemeiner Ansicht ein plötzliches, unerwartetes Ereignis im Verkehr zu verstehen, in dem sich ein verkehrstypisches Schadensrisiko realisiert und das einen nicht nur völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat. Allgemein anerkannt ist hierbei, dass für die Annahme eines Unfalls im Straßenverkehr „nicht jedwede ursächliche Verknüpfung des Schadensereignisses mit dem Verkehrsgeschehen“ ausreicht. Vielmehr ist ein straßenverkehrsspezifischer Gefahrzusammenhang zu verlangen. Es müssen sich also in dem Verkehrsunfall gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben. An einem solchen straßenverkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang fehlt es nach Auffassung des AG in „Einkaufswagen“-Fällen. Der Unfall ist nicht spezifisch Ausdruck jener Gefahren, die mit der Fortbewegung eines Fahrzeugs im Sinne der Straßenverkehrsordnung verbunden sind.

Ein Unfall im Straßenverkehr kann nur dort angenommen werden, wo das Unglück Folge willentlicher Fortbewegung wenigstens eines Beteiligten ist. Denn „Verkehr“ findet nicht bereits dort statt, wo Gegenstände (mögen sie auch grundsätzlich Fortbewegungszwecken dienen) etwa aufgrund unzureichender Sicherung, äußerer Witterungseinflüsse u.ä. „von sich aus“ in Bewegung geraten; sie „verkehren“ damit noch nicht. Dies ist vielmehr erst der Fall, wenn ihre Bewegung von einem entsprechenden menschlichen Fortbewegungswillen getragen wird. (AG Dortmund, Beschluss vom 1.9.2020, 723 CS 268 Js 1007/20 276/20)

Schadenersatz: Hundepfote verletzt – Physiotherapie zu erstatten

Das Landgericht (LG) München I hat nach dem Unfall zwischen einem Pkw und einem Hund auf dem Gelände eines Gewerbeparks den Pkw-Fahrer und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung verurteilt, Schadenersatz von rund 20.000 Euro zu zahlen.

Denn bei einem Unfall zwischen einem Pkw und einem knapp vier Monate alten, angeleinten Hund verwirkliche sich keine typische Tiergefahr. Ein Mitverschulden des Halters sei damit ausgeschlossen. Zudem sei eine Physiotherapie bei der Fraktur der linken Vorderpfote des noch im Wachstum befindlichen Hundes medizinisch notwendig gewesen, so das Gericht.

Was war geschehen? Bei dem o. g. Unfall wurde der Hund an seiner linken Vorderpfote verletzt. Das LG vernahm Zeugen zum Unfallhergang auf dem Privatgelände und hörte einen Gutachter zur Unfallbedingtheit der Verletzungen des Hundes und zur Angemessenheit der geltend gemachten Behandlungskosten an. Ein Angestellter des Besitzers des zum Unfallzeitpunkt knapp vier Monate alten Rhodesian Ridgeback Rüden, der auf dem Gelände als Wachhund eingesetzt werden sollte, hatte den Hund am Tag des Unfalls an der Leine auf dem Privatgelände des Gewerbeparks spazieren geführt (Geschwindigkeitsbegrenzung 10 km/h). Als der Beklagte sich in seinem Pkw mit überhöhter Geschwindigkeit von mindestens 20 km/h näherte, erfasste er den Hund mit seinem Pkw an der linken Vorderpfote.

Zur Überzeugung des Gerichts hat sich die Betriebsgefahr des Pkw verwirklicht. Hinzu komme das Verschulden des Fahrers durch die überhöhte Geschwindigkeit. Ein Mitverschulden des Hundehalters bzw. seines Angestellten etwa durch die Verwirklichung der sogenannten Tiergefahr schloss das Gericht vor diesem Hintergrund aus.

Weiter folgte das LG den Ausführungen des Gutachters, der die Verletzungen des Hundes als mit dem Autounfall kompatibel bewertete und die Behandlungskosten für angemessen hielt. Insbesondere die Physiotherapie sei notwendig gewesen, da der junge Hund sich zum Zeitpunkt des Unfalls noch im Wachstum befunden habe. Die Beklagten haften auch für zukünftige Verletzungsfolgen, da diese laut Gutachten nicht ausgeschlossen werden können. Das Urteil ist rechtskräftig. (LG München I, Urteil vom 15.9.2020, 20 O 5615/18, PM 3/21 vom 26.1.2021)

Bußgeldverfahren: Handy oder Haarbürste – das ist die Frage

Mitunter kommt es zu „interessanten“ Erklärungsversuchen, um sich einem Bußgeld zu entziehen. Das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. hat entschieden: Es handelt sich um eine bloße Schutzbehauptung, wenn ein Verkehrsteilnehmer angibt, er habe statt eines Mobiltelefons lediglich eine Bürste benutzt, um sich den Bart zu kämmen.

Der Betroffene war mit einem von ihm gelenkten Omnibus in eine Polizeikontrolle zur Feststellung von „Handyverstößen“ geraten. Ein Beamter fertigte eine Fotosequenz an, auf der zu erkennen war, dass der Betroffene einen weißen Gegenstand mit der rechten Hand an sein rechtes Ohr hält. Im Verfahren trug der Betroffene Zweierlei vor: Zum einen habe er mit dem Fahrzeug bei dem vermeintlichen Bußgeldverstoß gestanden. Zum anderen würden die aufgenommenen Bilder lediglich zeigen, dass er seinen Bart mit einer weißen Bürste kämme. Es sei auch zu sehen, dass sich seine Hände gar nicht am Lenkrad befunden hätten.

Trotz seiner Einwände hat das AG gegen den Betroffenen wegen vorschriftswidrigen Benutzens eines Mobiltelefons eine Geldbuße in Höhe von 180 Euro festgesetzt. Die Benutzung einer weißen Haarbürste stelle eine bloße Schutzbehauptung dar. Die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Bürste habe eine geschwungene, zu den Ecken hin abgerundete Form aufgewiesen, währenddessen auf den Bildern ein rechteckiger Gegenstand durch das bloße Anlegen eines Lineals zu erkennen gewesen sei. Des Weiteren zeige die Fotosequenz das benutzte Gerät immer an gleicher Stelle. Ein Kämmvorgang setze zwangsläufig eine Kammführung nach unten und/oder zur Seite voraus, die den Bildern nicht zu entnehmen sei. Die Bildsequenz belege auch, dass sich der Bus bewegt habe. Der Einwand, das Fahrzeug könne nicht in Bewegung gewesen sein, weil sich keine Hand am Lenkrad befunden habe, gebe zwar u. U. Anlass zu einer allgemeinen Überprüfung der Fahreignung, rechtfertige aber indes nicht den gewünschten Rückschluss auf ein stehendes Fahrzeug. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. (AG Frankfurt a. M., Urteil vom 16.6.2020, 971 Owi 363 Js 72112/19, PM Nr. 1/2021)

Sparkonto: Das „Uralt-Sparbuch“: Die Bank und nicht der Kunde ist unter Zugzwang

Lässt ein Sparbuchinhaber jahrzehntelang nichts eintragen, stellt sich die Frage, ob das Sparkonto aufgelöst ist oder kein Guthaben mehr besteht. Diese Frage hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken beantwortet.

Ein Sparbuch hatte ein Guthaben von rund 17.000 Euro. Seit 1992 hatten darauf keine Bewegungen mehr stattgefunden. Es gab eine Einzahlung und jedenfalls nach dem Sparbuch keine weiteren Ein- oder Auszahlungen. Auch Zinsen waren nie dokumentiert. Die Bank behauptet, das Sparguthaben sei nicht mehr vorhanden, sondern nach ihren bankinternen Unterlagen ausgezahlt worden.

Das OLG Zweibrücken: Der Hinweis der Bank auf ihre internen Unterlagen genügt nicht, um eine Auszahlung beweisen zu können. Der Sparer ist für die Höhe des Guthabens, das Kreditinstitut hingegen für die Auszahlung des Guthabens darlegungs- und beweispflichtig. So ähnlich hatte das bereits der Bundesgerichtshof (BGH) Anfang des Jahrtausends entschieden. Legt der Sparer also das Sparbuch vor, ist der Darlegungslast genügt.

Es stellt sich letztlich also die Frage: Was muss das Kreditinstitut tun, um seiner Nachweispflicht zu entsprechen? Grundsätzlich gilt: Es müssen weitere Indizien dafürsprechen, dass das Guthaben ausgezahlt wurde, z. B. dass das Sparguthaben auf den Zeitpunkt seiner letzten Eintragung gekündigt oder die gesamte Bankverbindung mit den übrigen Konten des Sparers aufgelöst worden war. (OLG Zweibrücken, Urteil vom 25.11.2020, 7 U 82/18)

Corona-Pandemie: Kein Anspruch auf vorgezogene Corona-Impfung

Ein 73-jähriger Mann ist in einem Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg mit seinem Eilantrag nicht durchgedrungen, das niedersächsische Gesundheitsministerium zu verpflichten, ihm sofort eine Impfung gegen das Corona-Virus zu verschaffen.

73-jähriger Mann mit schwerer Herzerkrankung

Der Antragsteller leidet unter einer schweren Herzerkrankung und damit unter einer gesteigerten Gefährdung für einen schweren Verlauf im Falle einer Corona-Erkrankung. Das für seinen Wohnort zuständige Impfzentrum beschied seine Anfrage abschlägig und wies ihn darauf hin, dass er nicht zu dem Personenkreis gehöre, für die gegenwärtig Impfungen durchgeführt werden. Der Antragsteller wandte sich daraufhin an das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung (Antragsgegner) und machte geltend, dass er einen Anspruch auf sofortige Impfung gegen das Corona-Virus habe, da er aufgrund seines Alters und der schweren Gesundheitsstörungen ein signifikant erhöhtes Risiko trage, nach einer Infektion mit dem Virus schwer zu erkranken oder zu versterben.

Antrag auf sofortige Impfung abgelehnt

Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit dem Hinweis darauf ab, dass die gültige Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) eine Impfung des Antragstellers erst ermögliche, sobald alle unter die Gruppe „Schutzimpfungen mit höchster Priorität, 1. Gruppe“ fallenden Personen vollständig geimpft seien und erst danach eine Impfung der wie der Antragsteller unter die Gruppe „Schutzimpfungen mit hoher Priorität, 2. Gruppe“ fallenden Personen erfolgen könne. Der Antragsgegner sei an diese in der CoronaImpfV vorgenommene Priorisierungsentscheidung des Verordnungsgebers gebunden.

Bestätigung durch Sozialgericht

Das SG lehnte den Eilantrag ab und folgte den Argumenten des Antragsgegners. Nach der derzeit gültigen CoronaImpfV habe der Antragsteller keinen Anspruch auf sofortige Impfung oder auf Impfung nach Abschluss der Impfungen in den Alten- und Pflegeheimen, da er nicht der zuerst zu impfenden Gruppe (s. o.) von Personen angehöre. Eine Öffnungsklausel, die es möglich machen würde, den Antragsteller dort zuzuordnen, sei in der Verordnung nicht enthalten. Nach Auffassung des Gerichts sei es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zwingend erforderlich, für den Antragsteller die gewünschte vorgezogene Impfung sicherzustellen. Die vom Verordnungsgeber normierten Priorisierungsentscheidungen würden die Schutzpflichten hinreichend wahren.

Begründung

Der Gesetzgeber und auch die vollziehende Gewalt hätten bei der Ausgestaltung der Maßnahmen zur Erfüllung der Schutzpflichten aus dem Grundgesetz einen weiten Einschätzungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielraum, der Raum lasse, etwa mit dem Schutz des Individualinteresses konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die o. g. getroffenen Priorisierungsentscheidungen zur Frage der Reihenfolge der Impfung gegen das Corona-Virus hielten sich in diesem weiten Gestaltungsspielraum. Teilhabeansprüche der Bürger könne der Gesetzgeber grundsätzlich nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel verwirklichen.

Da gegenwärtig Corona-Impfstoffe noch nicht ausreichend verfügbar seien, sei es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zunächst eine Personengruppe impfen würde. Einerseits würden die dieser Gruppe zuzuordnenden Personen (über 80 Jahre) ein extrem hohes Risiko tragen, an einer Corona- Erkrankung zu versterben. Die priorisierte Impfung dieser Personengruppe diene nicht allein deren individuellem Schutz, sondern gerade auch in hohem Maße dem Schutz der Funktionsfähigkeit der medizinischen Versorgungseinrichtungen. Denn bei erkrankten Personen über 80 Jahren und in Pflegeeinrichtungen lebenden Menschen bestehe ein signifikant erheblich größeres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, sodass eine besondere Belastung der Intensivkapazitäten in den Kliniken zu erwarten sei. Die übrigen in der ersten Priorisierungsgruppe genannten Personen unterlägen individuell einem erhöhten Erkrankungsrisiko aufgrund ihrer pflegerischen Tätigkeiten und würden ihrerseits im Fall einer Erkrankung an dem Corona-Virus die von ihnen betreuten besonders gefährdeten Personen zusätzlich gefährden. Ihr krankheitsbedingter Ausfall würde zudem ebenfalls die Funktionsfähigkeit der medizinischen Versorgungseinrichtungen gefährden.

Maßnahmen zum Eigenschutz gefordert

Schließlich sei dem Antragsteller zumutbar, sich vor einer Ansteckung durch verstärkte Schutzmaßnahmen und Kontaktvermeidung zu schützen und sich nach Möglichkeit ohne Kontakt zu dritten Personen in seinem Haus oder seiner Wohnung aufzuhalten. Dieses sei ihm auch deshalb zumutbar, weil er zeitnah mit einer Impfung rechnen könne.

Die Entscheidung des Sozialgerichts Oldenburg ist nicht rechtskräftig.

Beachten Sie: Dieses Urteil basierte insbesondere auf dem Umstand, dass Corona-Impfstoffe bisher nicht in ausreichender Menge für die Gesamtbevölkerung zur Verfügung stehen. Die Geschehnisse in Bezug auf den Impfstoff der britischen Firma Astrazeneca und regionale Gegebenheiten können kurzfristig zu veränderten Impfreihenfolgen bzw. zu Abweichungen von der in der CoronaImpfV festgelegten Priorisierung führen. Deshalb empfiehlt es sich, die Tagespresse und örtliche Informationsquellen zu beobachten, z. B. städtische Websites oder Informationen der Impfzentren. (SG Oldenburg, Beschluss vom 21.1.2021, S 10 SV 1/21 ER, PM vom 21.1.2021)

Vergütungsanspruch: Wenn der Zahnarzt mangelhaft arbeitet

Der Vergütungsanspruch des Zahnarztes kann entfallen, soweit der Patient kein Interesse mehr an der fehlerhaft erbrachten und somit vollkommen unbrauchbaren Leistung infolge einer Kündigung des Vertrags hat. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden

Der Zahnarzt kann seinen Vergütungsanspruch verlieren, wenn seine Leistung für den Patienten vollkommen unbrauchbar ist. Es genügt nicht, dass sie objektiv wertlos ist, wenn der Patient sie gleichwohl nutzt. Aber: Das gilt nicht, wenn der Patient die Versorgung zu keinem Zeitpunkt akzeptiert, sondern von Anfang an eine Neuversorgung anstrebt und so schnell wie möglich versucht, unter gleichzeitiger Sicherung seiner Rechte eine Neuversorgung zu erlangen, wie im vorliegenden Fall.

Auf ein auch stetig wiederholtes Angebot des Zahnarztes, eine Neuherstellung der Prothetik in seiner Praxis vornehmen zu lassen, muss sich der Patient nicht einlassen, wenn der Arzt diese erneut abrechnen will. (OLG Köln, Urteil vom 10.6.2020, 5 U 171/19)

Stornierungskosten: Reise schon beim ersten Anzeichen einer möglichen Verhinderung stornieren? Nein!

Wie frühzeitig muss eine Reise storniert werden, wenn sich andeutet, dass sie möglicherweise nicht angetreten werden kann? Das Amtsgericht (AG) Bergisch Gladbach sagt: Der Reisende als Versicherungsnehmer einer Reiserücktrittsversicherung muss nicht sofort beim ersten Anzeichen der Möglichkeit, dass er seine Versicherung beanspruchen könnte, die Reise stornieren.

Das war geschehen

Der Versicherungsnehmer der Reiserücktrittsversicherung hatte für sich und seine Ehefrau eine Kreuzfahrt gebucht. Diese sollte am 15.9.18 beginnen. Am 29.7.18 erlitt die Ehefrau einen Fahrradunfall. Am 15.8.18 wurde im Krankenhaus festgestellt, dass sie ein sog. chronisches subdurales Hämatom hatte. Typisch hierfür ist, dass Symptome nicht unmittelbar auftreten, sondern erst nach einigen Tagen. Am 18.8.18 wurde sie aus dem Krankenhaus entlassen. Anlässlich einer Kontrolluntersuchung am 12.9.18 stellte sich heraus, dass sich das Hämatom auf 2,1 cm vergrößert hatte und frischblutige Anteile zu erkennen waren. Es war daher eine Operation am 14.9.18 erforderlich.

Am darauffolgenden Tag stornierte der Versicherungsnehmer die Reise. Von den Stornokosten erstattete die Versicherung nur ca. 1/4. Sie meint, dass der Versicherungsnehmer gegen seine Obliegenheit aus dem Versicherungsverhältnis verstoßen habe. Die Tatsache, dass die Reise nicht angetreten werden kann, sei ihm schon früher bekannt gewesen oder hätte ihm bekannt sein sollen. Er hätte die Reise schon am Tag des Unfalls stornieren müssen, spätestens aber beim ersten Klinikaufenthalt. Dann wären die Stornokosten geringer gewesen.

Amtsgericht widerspricht Versicherungsunternehmen

Das AG sah das anders. Es verurteilte die Versicherung, die vollen Stornogebühren zu zahlen. Der Versicherungsnehmer habe insbesondere nicht gegen seine Obliegenheit aus dem Versicherungsvertrag verstoßen. Denn die Reise wurde unverzüglich im Sinne der Vertragsbedingungen storniert.

Begriff der Unverzüglichkeit

Für die „Unverzüglichkeit“ ist zu beachten, dass das Prognoserisiko Teil des abgesicherten Schadensszenarios ist. Beinahe jeder Reisestornierungsfrage wohnt ein mitunter sogar großer prognostischer Teil inne: Dass ein Reiseantritt völlig ausgeschlossen ist, mag im Einzelfall zutreffen. Oft lassen sich aber Heilungsverlauf, -geschwindigkeit und -wahrscheinlichkeit nur mit Wahrscheinlichkeiten für die Zukunft beurteilen und nicht abschließend sicher für die Zukunft feststellen. Ist dies der Fall, ist dem Versicherungsnehmer ein erheblicher Ermessensspielraum zuzugestehen.

Entsprechend kann dem Versicherungsnehmer seine Stornierung erst kurz vor dem beabsichtigten Reiseantritt nicht entgegengehalten werden. Er konnte selbst zum Zeitpunkt nach dem Sturz noch nicht von einem Versicherungsfall ausgehen. Denn bei der Verletzung, die seine Frau davongetragen hatte, treten Symptome in der Regel erst verspätet auf. Auch kann dem Versicherungsnehmer nicht entgegengehalten werden, dass er nicht im August anlässlich der ersten Untersuchung die Reise stornierte. Es kommt letztlich nicht darauf an, ob er und seiner Frau bei der Entlassung die Reisemöglichkeit zugesagt wurde. Denn schon aus der Tatsache, dass die Ehefrau aus der Klinik entlassen wurde, folgt zwingend, dass einem durchschnittlich ruhigen Tagesablauf keinerlei medizinische Gründe entgegenstehen. Ausweislich des Arztbriefs aus August durfte die Ehefrau auch Auto fahren. Dann aber ist nicht erkennbar, warum trotzdem eine Flussreise ausgeschlossen sein sollte.

Operation war nicht absehbar

Letztlich hat der Versicherungsnehmer auch nicht wegen der Symptomatik und dem Gesundheitszustand im August die Reise storniert, sondern wegen der Notwendigkeit der Operation. Dass diese für ihn im August erkennbar war, ist aber nicht einleuchtend. Denn für die hier vorliegende Verletzung ist typisch, dass eine Operation entweder unnötig ist, da von einer unkomplizierten Heilung ausgegangen wird oder eine Operation unverzüglich nötig ist. (AG Bergisch-Gladbach, Urteil vom 5.10.2020, 66 C 95/20)

BGH-Rechtsprechung: Unzulässiger Mietendeckel: Der Staat haftet nicht

Mietern stehen keine Amtshaftungsansprüche zu, wenn eine Landesregierung hier das Land Hessen eine Mietenbegrenzungsverordnung mit weitem räumlichem und persönlichem Geltungsbereich erlässt, diese Verordnung keine Begründung enthält, also unwirksam ist. Das gilt auch, wenn der Mieter sich deshalb einer berechtigten Mieterhöhung ausgesetzt sieht und eine nach der (unwirksamen) Begrenzungsverordnung überhöhte Miete nicht zurückverlangen kann. Das hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Gesetze und Verordnungen enthalten generelle und abstrakte Regeln. Daher nimmt der Gesetzgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt. Deshalb ist der Mieter kein sog. geschützter Dritter und kann keine Amtshaftungsansprüche haben. Auch unmittelbar aus einem Grundrechtsverstoß ergibt sich kein Haftungsanspruch gegen den Staat. (BGH, Urteil vom 28.1.2021, III ZR 25/20)

Eigenbedarfskündigung: Platz für das Au Pair kann Eigenbedarf begründen

Das Amtsgericht (AG) München hat jetzt eine beklagte Mieterin verurteilt, ihre Zwei-Zimmer-Mietwohnung von 59 qm zu räumen und an den auf Eigenbedarf klagenden Vermieter herauszugeben.

Sachverhalt

Zum Hintergrund: Au-pair sind junge Menschen, die gegen „Kost und Logis“ bei einer Gastfamilie häufig im Ausland tätig sind. Im Gegenzug erlernen sie Sprache und Kultur des Gastlandes. Der Sachverhalt: Der Kläger ist Vermieter, die Beklagte seit 2002 Mieterin der Wohnung. Der Kläger lebt mit der von zuhause aus berufstätigen Ehefrau und drei Kindern, von denen zwei die Grundschule besuchen und eines erst ein Jahr alt ist, in einer Eigentumswohnung, die nur etwa knapp 700 Meter und damit wenige Gehminuten von seiner vermieteten Wohnung entfernt liegt. Er kündigte das Mietverhältnis und begründete dies damit, dass er und seine Frau ein Au-pair einstellen wollten. In ihrer Wohnung, die aus einem Elternschlafzimmer, drei Kinderzimmern, einem Wohn- und Essbereich mit offener Küche sowie Bad und einem Büro bestehe, gebe es keine Möglichkeit zur Unterbringung des Au-pair, da sämtliche Räume bereits genutzt würden.

Argumentation der Mieterin

Die Beklagte meinte, eine Unterbringung des Au-pair in der Wohnung des Klägers müsse möglich sein. Weiter könne das Au-pair in einer in vergleichbarer Distanz anzumietenden Wohnung untergebracht werden. Sie selbst gelte mit einem Grad der Behinderung von 60 als schwerbehindert. Da sie zudem Hartz-IV-Leistungen beziehe, sei sie auf dem freien Wohnungsmarkt chancenlos. Sie habe sich um Ersatzwohnraum bemüht. Auch drohe eine Verschlechterung ihres mittelgradigen depressiven Syndroms.

Kündigungsgrund lag vor

Das AG gab dem Kläger Recht. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass der Wunsch des Vermieters, ein Au-pair zur Kinderbetreuung in seinen Haushalt aufzunehmen, grundsätzlich vernünftig und nachvollziehbar ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei auch ein anerkennenswerter Kündigungsgrund gegeben, wenn der Vermieter ein Au-pair in einer vermieteten Wohnung unterbringen möchte, die fußläufig von seinem bewohnten Eigenheim entfernt liegt. Der Kläger habe überzeugend dargelegt, nur mithilfe eines Au-pairs könne seine Frau ihrem Beruf wieder nachgehen und sei die Kinderbetreuung gleichzeitig sichergestellt. Es sei auch nicht erforderlich, dass das Bedürfnis für die Hilfskraft bereits bei Ausspruch der Kündigung besteht, sondern es genüge, dass aufgrund äußerer Umstände mit einiger Sicherheit damit gerechnet werden muss, dass der Vermieter die Dienste in naher Zukunft für seine Lebensführung benötigt.

Raumaufteilung private Angelegenheit

Die Argumentation der Beklagten, aufgrund des jungen Alters der Kinder, gerade des Kleinkindes, benötigten diese kein eigenes Zimmer, überzeugte das AG nicht. Die Raumaufteilung innerhalb der eigenen Wohnung sei allein Sache des Klägers und seiner Familie. Diese unterliege nur einer Missbrauchskontrolle dahingehend, ob der verfügbare Wohnraum und die angegebene Nutzung in einem auffälligen Missverhältnis stehen, sodass sich der Verdacht aufdrängen müsste, die volle Ausnutzung des Wohnraums werde nur vorgespiegelt, um die Kündigung zu ermöglichen. Dafür seien hier aber keine Anhaltspunkte erkennbar. Würde man zudem verlangen, dass ein Au-pair stets im selben Haus oder derselben Wohnung lebt, wie die Gastfamilie, würde dies zu einer Schlechterstellung von Familien führen, die kinderreich sind, aber über kein Haus verfügen, sondern in einer Wohnung leben. Ihnen wäre die Anstellung und Unterbringung eines Au-pair als Hilfestellung, damit beide Elternteile wieder berufstätig sein können, praktisch verwehrt.

Fehlende Nachweise

Aufgrund des vorgelegten Attests stehe fest, dass die Beklagte nicht in durchgehender ärztlicher Behandlung war. Sie habe nicht im Ansatz substanziiert dargestellt, dass sie wegen einer Krankheit an der Räumung gehindert sei. Auch die Tatsache, dass sie zu 60 Prozent schwerbehindert ist, reiche für sich genommen nicht aus. Ein Sachverständigengutachten sei daher nicht einzuholen gewesen.

Die Beklagte habe fast ausschließlich nur im zentralsten Innenstadtbereich und nur in besonders beliebten Vierteln nach Ersatzwohnraum gesucht und so nicht nachgewiesen, alles Erforderliche und Zumutbare unternommen zu haben, eine Ersatzwohnung zu erlangen.

Entgegenkommen wegen Pandemiesituation

Da der Kündigungsgrund nicht von ihr zu verantworten sei, Ersatzwohnraum infolge der Corona-Pandemie und des aktuellen Lockdowns derzeit noch erheblich schwerer zu finden sei, andererseits die Kündigungsfrist bereits abgelaufen sei, hat das AG die Räumungsfrist noch einmal um etwa ein halbes Jahr verlängert.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (AG München, Urteil vom 12.1.2021, 473 C 11647/20, PM 3/21 vom 22.1.2021)

Ehescheidung: Nicht immer können Schwiegereltern Schenkungen zurückfordern

Mit einer zurückverlangten Schenkung hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg befasst. Kann eine Schwiegermutter von einem „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ ausgehen, wenn die Ehe scheitert, und daraufhin ihren ehemaligen Schwiegersohn zur Kasse bitten?

Das war der Sachverhalt

Die Klägerin, die Schwiegermutter des Ehemanns, verlangte von diesem 37.600 Euro zurück. Sie argumentierte, es liege ein sogenannter „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vor: Der Grund für die Schenkung sei die Förderung der Ehe zwischen ihrer Tochter und dem Ehemann gewesen. Ihre Erwartung, dass die Ehe Bestand haben werde, habe sich nicht erfüllt. Sie könne daher den Wert der Schenkung abzüglich eines Abschlags für die Zeit, die die Ehe noch bestanden habe, herausverlangen.

So argumentierte der Ex-Ehemann

Der Ehemann wies den Anspruch zurück. Er trug vor, die Klägerin habe die Wohnung ohnehin nicht mehr haben wollen, weil sie sich mit den Mietern gestritten habe und Renovierungsarbeiten angestanden hätten. Er und seine ehemalige Frau hätten viel Geld in die Wohnung gesteckt.

Schenkung: Keine Gegenleistung erforderlich

Das OLG Oldenburg bestätigte die Auffassung des Amtsgerichts (AG) Osnabrück, nach der kein sogenannter „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vorliege und der Ehemann daher keine Rückzahlung schulde.

Es habe sich um eine Schenkung gehandelt, deren Rechtsnatur es nun einmal sei, dass keine Gegenleistung geschuldet sei und dass sie grundsätzlich nur bei einer schweren Verfehlung des Beschenkten gegen den Schenker zurückgefordert werden könne.

Beachten Sie | Etwas anderes könne bei der Übertragung einer Immobilie an das Kind und Schwiegerkind als Familienheim gelten. In einem solchen Fall einer zur Selbstnutzung geschenkten Immobilie bestehe ein direkter Zusammenhang mit der Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sodass unter Umständen beim Scheitern der Ehe eine Rückforderung in Frage komme.

Begründung des Oberlandesgerichts

Hier sei aber die Immobilie als Renditeobjekt geschenkt und genutzt worden. Die Klägerin habe daher nicht damit rechnen können, dass die Immobilie langfristig für die Lebens- und Beziehungsgestaltung der Ehegatten genutzt werde. Hinzu komme, dass Motiv für die Schenkung nicht nur die Ehe der Tochter, sondern auch das Ersparen weiteren Ärgers mit den Mietern und der Renovierungsaufwendungen gewesen sei. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass allein der Fortbestand der Ehe die Geschäftsgrundlage für die Übertragung gewesen sei. Eine Rückforderung komme daher nicht in Betracht. (OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.10.2020, 11 UF 100/20, PM Nr. 3/21 vom 26.1.2021)