Kapitalgesellschaften: Folgen überhöhter Zahlungen einer GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person

Zahlt eine GmbH unter Mitwirkung des Gesellschafters einen überhöhten Mietzins oder Kaufpreis an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, ist dies keine Schenkung der GmbH an die nahestehende Person.

Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in gleich drei Urteilen entschieden. In zwei Fällen hatten die Ehegatten der Gesellschafter Grundstücke an die GmbHs zu überhöhten Preisen vermietet. Die Gesellschafter hatten die Verträge mit unterschrieben oder als Gesellschafter-Geschäftsführer abgeschlossen. In einem weiteren Fall veräußerte der Bruder des Gesellschafters, der den überhöhten Kaufpreis bestimmt hatte, Aktien an die GmbH.

Die Finanzämter setzten wegen der überhöhten Entgelte verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbHs an ihre Gesellschafter an. Zudem behandelten sie die Zahlungen als gemischte freigebige Zuwendungen der GmbHs an die nahestehenden Personen und besteuerten diese nach Maßgabe des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes.

Aufgrund seiner geänderten Beurteilung ist der BFH dieser Handhabung nicht gefolgt: Die Zahlung überhöhter Entgelte durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person ist keine gemischte freigebige Zuwendung der GmbH an die nahestehende Person, wenn der Gesellschafter beim Abschluss der Vereinbarung mitgewirkt hat.

Der BFH deutete aber an, dass eine Schenkung des Gesellschafters an die ihm nahestehende Person vorliegen kann. Da dies aber nicht zu entscheiden war, bleibt die nähere Konkretisierung der weiteren Rechtsprechung vorbehalten. (BFH, Urteile vom 13.9.2017, II R 54/15, II R 32/16, II R 42/16)

Arbeitnehmereigenschaft: Senior Partner und Geschäftsführer einer Gesellschaft ist kein Arbeitnehmer

Der Wechsel vom Arbeitnehmerstatus zum Geschäftsführer hat meist finanziell erhebliche Vorteile. Der Betroffene muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass sein Kündigungsschutz damit verloren geht.

Das zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln. Geklagt hatte ein Mann, der im Jahr 2004 bei der Beklagten als „vice president“ (damalige Bezeichnung für Partner) nach einem Quereinstieg angestellt wurde. Im Jahr 2005 schlossen die Parteien ein „transfer agreement“, nach dem der Mann zum Geschäftsführer ernannt und in ein entsprechendes Dienstverhältnis übernommen wurde. Ein zuvor bestehendes Arbeitsverhältnis wurde zugleich ausdrücklich aufgehoben. Die Beklagte bestellte im Jahre 2005 über 100 Partner zu Geschäftsführern. Eine Eintragung in das Handelsregister – für die nach dem GmbHG die Geschäftsführer selbst zu sorgen haben – erfolgte zunächst nicht. Zu den Aufgaben des Mannes gehörte die Kundenakquise und Pflege von Kundenbeziehungen, die eigene Beratungstätigkeit beim Kunden sowie die Leitung von Kundenprojekten. Ihm wurde ein Büro in den Räumlichkeiten der Beklagten in Köln zur Verfügung gestellt. Es war ihm gestattet, von zu Hause oder anderswo zu arbeiten; seine Tätigkeit war nicht ortsgebunden. Feste Wochenarbeitszeiten waren dem Mann weder dem Umfang noch der Lage nach vorgegeben. Seine umfangreiche Reisetätigkeit musste er nicht genehmigen lassen, sondern diese lediglich nach der Reiserichtlinie der Beklagten abwickeln. Der Mann bezog zuletzt als Senior Partner unter Berücksichtigung fixer und variabler Vergütungsbestandteile ein durchschnittliches Monatseinkommen von ungefähr 91.500,00 EUR brutto. Die Beklagte beendete die vertraglichen Beziehungen zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Der Mann hielt die Kündigung nach den Regeln des Kündigungsschutzgesetzes für sozial nicht gerechtfertigt.

Die Richter am LAG wiesen die Berufung des Mannes gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurück und ließ die Revision nicht zu. Nach der mündlichen Verhandlung war für sie entscheidend, dass der Mann nicht als Arbeitnehmer angesehen werden und sich deshalb nicht auf das Kündigungsschutzgesetz berufen könne. Die Parteien hatten im „transfer agreement“ von 2005 ein mögliches Arbeitsverhältnis ausdrücklich beendet. Es war vielmehr ein Geschäftsführerdienstverhältnis begründet worden. Eine für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsabhängigkeit war für die Kammer nicht ausreichend erkennbar. Für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte war die Behauptung des Mannes ausreichend, Arbeitnehmer zu sein. (LAG Köln, Urteil vom 18.1.2018, 7 Sa 292/17)

Handelsrecht: Schlüssige Darstellung eines Handelsbrauchs bei Untersuchungsobliegenheit

Das Handelsrecht sieht vor, dass der Käufer die Ware unverzüglich prüfen muss. Für diese Untersuchungsobliegenheit ist darauf abzustellen, welche in den Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs fallenden Maßnahmen einem ordentlichen Kaufmann im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung auch der schutzwürdigen Interessen des Verkäufers zugemutet werden können, damit er seine Gewährleistungsrechte erhält.

Hierauf weist der Bundesgerichtshof (BGH) in einer aktuellen Entscheidung hin. Dabei ist nach der Entscheidung einerseits zu berücksichtigen, dass die Vorschriften über die Mängelrüge in erster Linie den Interessen des Verkäufers dienen. Dieser soll nach Möglichkeit davor geschützt werden, noch längere Zeit nach der Lieferung oder nach der Abnahme der Sache etwaigen Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sein. Diese wären dann nämlich nur schwer feststellbar. Das ließe sich durch die schnelle Untersuchung vermeiden. Andererseits dürfen die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Untersuchung nicht überspannt werden. Ansonsten könnte der Verkäufer in die Lage versetzt werden, das aus seinen eigenen fehlerhaften Leistungen herrührende Risiko über das Erfordernis der Mängelrüge auf den Käufer abzuwälzen.

Um diese beiden Gegensätze miteinander in Einklang zu bringen, präzisiert der BGH und gibt Anhaltspunkte für die Grenzen der Zumutbarkeit an. Zu berücksichtigen sind danach vor allem

  • der für eine Überprüfung erforderliche Kosten- und Zeitaufwand,
  • die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Prüfungsmöglichkeiten,
  • das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für die Durchführung der Untersuchung
  • beziehungsweise die Notwendigkeit, die Prüfung von Dritten vornehmen zu lassen.

Die Richter stellen dabei klar, dass die gesetzlich geforderte Untersuchung nicht von derartigem Umfang und solcher Intensität sein muss, dass sie nach Art einer „Rundum-Untersuchung“ alle irgendwie in Betracht kommenden Mängel der Ware erfasst.

Sodann weist der BGH darauf hin, dass im Handelsverkehr Art und Umfang einer gebotenen Untersuchung auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vorgegeben werden können. So könnten etwa die zu untersuchenden Eigenschaften und die dabei vorzugsweise anzuwendenden Methoden konkretisiert und gegebenenfalls auch generalisiert werden. Voraussetzung dafür sei, dass dies durch die Umstände veranlasst oder durch eine in dieser Richtung verlaufende Verkehrsübung vorgezeichnet ist. Dabei müsse erkennbar sein, dass die Konkretisierung oder Generalisierung hinreichend Rücksicht auf die beiderseitigen Interessen nimmt. Die AGB würden den Vertragspartner unangemessen benachteiligen, wenn nach der Klausel die Ware immer vollständig auf ein Vorhandensein aller nicht sofort feststellbarer Mängel untersucht werden müsse, ohne näher nach Anlass und Zumutbarkeit zu differenzieren. Es müsse vielmehr ein Raum für Abweichungen verbleiben, in denen eine Untersuchung vernünftigerweise unangemessen ist oder dem Käufer sonst billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann. (BGH, Urteil vom 6.12.2017, VIII ZR 246/16)

Aktuelle Gesetzgebung: Europäische Datenschutzverordnung stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen

Ab dem 25.5.2018 gelten neue Datenschutzbestimmungen, die grundsätzlich alle Unternehmen betreffen und in bestimmten Bereichen weitreichende Anpassungen erforderlich machen. Auslöser dafür ist die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO).

Bereits am 25.5.2016 ist die DS-GVO in Kraft getreten. Nach einer Übergangszeit von zwei Jahren gilt sie ab dem 25.5.2018. Betroffen sind alle europäischen Unternehmen, die personenbezogene Daten erfassen und verarbeiten.

Die DS-GVO enthält Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und schützt die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen, insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten.

Unternehmen müssen ein abgestimmtes, transparentes und nachvollziehbares System zur datenschutzrechtlichen Bewertung der Verarbeitung personenbezogener Daten aufbauen. Das bedeutet im Kern Folgendes:

  • Grundlegende Anforderungen an die Sicherheit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten sind einzuhalten.
  • Geeignete technische und organisatorische Maßnahmen sind umzusetzen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten.
  • Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist regelmäßig zu prüfen und zu bewerten.
  • Beweislastumkehr: Die Unternehmen müssen beweisen, dass sie die Vorschriften einhalten.

Bei einem Verstoß drohen hohe Strafen. Die maximale Geldbuße beträgt bis zu 20 Mio. EUR oder bis zu vier Prozent des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr. Es gilt der Wert, der höher ist.

Praxishinweis: Weitere Hinweise zur DS-GVO finden Sie u. a. im Internetauftritt der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Europäische Datenschutz-Grundverordnung (2016/679/EU-DS-GVO; EU-Kommission, Pressemitteilung vom 24.1.2018.)

Kindergeld: Neue Rechtsprechung zum Ausbildungsende im Kindergeldrecht

Für Eltern endet der Anspruch auf Kindergeld nicht bereits mit der Bekanntgabe des Ergebnisses einer Abschlussprüfung, sondern erst mit dem späteren Ablauf der gesetzlich festgelegten Ausbildungszeit.

Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt. ‚Im Streitfall hatte der Ausbildungsvertrag zur staatlich anerkannten Heilerziehungspflegerin eine Laufzeit vom 1.9.2012 bis zum 31.8.2015. Die Tochter bestand die Abschlussprüfung im Juli 2015; in diesem Monat wurden ihr die Prüfungsnoten mitgeteilt. Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergelds ab August 2015 auf. Dabei verwies sie auf die Rechtsprechung des BFH, wonach eine Ausbildung spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses endet, sodass es nicht auf das Ende der Ausbildungszeit ankommt. Dieser Ansicht widersprachen jedoch das Finanzgericht Baden-Württemberg und auch der BFH.

In den bislang entschiedenen Fällen war die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses der späteste in Betracht kommende Zeitpunkt des Ausbildungsverhältnisses. Hiervon unterscheidet sich der Streitfall, weil hier das Ausbildungsende durch eine eigene Rechtsvorschrift geregelt ist.

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 der Heilerziehungspflegeverordnung des Landes Baden-Württemberg dauert die Fachschulausbildung zur Heilerziehungspflegerin drei Jahre. § 21 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes, wonach eine Berufsausbildung vor Ablauf der Ausbildungszeit mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses endet, war nicht anzuwenden, da die Ausbildung an einer dem Landesrecht unterstehenden berufsbildenden Schule absolviert wurde. Damit endete die Berufsausbildung nicht im Juli 2015, sondern erst mit Ablauf des Folgemonats. (BFH, Urteil vom 14.9.2017, III R 19/16)

Steuererklärung: Betreutes Wohnen wegen Demenz als außergewöhnliche Belastung

Auch im Alter häufig auftretende Krankheiten wie Demenz können eine krankheitsbedingte Unterbringung und damit einen Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung rechtfertigen. Dies gilt selbst dann, wenn eine ständige Pflegebedürftigkeit (noch) nicht gegeben ist.

Dies hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen im Fall einer Erbengemeinschaft entschieden. Diese wollte die Kosten der Unterbringung des an Demenz erkrankten und bei Beginn des Klageverfahrens bereits verstorbenen Erblassers in einer Seniorenanlage als außergewöhnliche Belastung abziehen. Da keine Pflegeleistungen in Anspruch genommen wurden, ging das Finanzamt jedoch von – nicht ausreichenden – altersbedingten Erkrankungen aus. Zudem lasse sich kein adäquater Zusammenhang zwischen der Unterbringung und dem Krankheitsbild feststellen.

Die Abgrenzung zwischen (nur) altersbedingter und krankheitsbedingter Unterbringung ist oft schwierig. Dies gilt vor allem, wenn es sich nicht um ein klassisches Pflegeheim handelt, sondern um eine Wohnanlage für betreutes Wohnen, in der auch noch ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden soll. Das FG Niedersachsen hat nun allerdings klargestellt, dass auch eine solche Unterbringung mit der Heilung oder Linderung bestimmter Krankheiten wie einer Demenz in einem adäquaten Zusammenhang stehen kann.

Praxishinweis: Schon vor der Unterbringung sollte ein (fach-)ärztliches Attest eingeholt werden, wonach eine Unterbringung krankheitsbedingt erforderlich ist. Noch nicht abschließend geklärt und vom Bundesfinanzhof in 2010 ausdrücklich offengelassen ist die Frage, wie bei einer bereits erfolgten altersbedingten Unterbringung zu verfahren ist, wenn Krankheiten und Pflegebedürftigkeit später hinzutreten. (FG Niedersachsen, Urteil vom 20.9.2017, 9 K 257/16)

Alle Steuerzahler: Einkommensteuererklärung 2017: Zwei interessante Neuerungen im Mantelbogen

In den nächsten Wochen und Monaten steht die Erstellung der Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2017 auf dem Programm. Wie in jedem Jahr haben sich in den Vordrucken Änderungen im Vergleich zum Vorjahr ergeben. Ein Blick in den Mantelbogen (ESt 1 A 2017) zeigt hier insbesondere zwei interessante Neuerungen.

1. Ergänzende Angaben zur Steuererklärung

Sind über die Angaben in der Steuererklärung hinaus weitere oder abweichende Angaben bzw. Sachverhalte zu berücksichtigen, ist in der Zeile 98 eine „1“ einzutragen. In einer beizufügenden Anlage sind dann die Sachverhalte zu erläutern, die nicht erklärt werden können, weil es dafür in der Steuererklärung kein Feld gibt. Gleiches gilt, wenn bei den in der Steuererklärung erfassten Angaben bewusst eine Rechtsauffassung zugrunde gelegt wird, die von der Ansicht der Finanzverwaltung abweicht.

Hintergrund für diese neue Zeile ist das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens. Danach führen Eintragungen in dem qualifizierten Freitextfeld (Zeile 98) dazu, dass der Fall aus der vollautomatisierten Bearbeitung ausgesteuert und durch einen Amtsträger des Finanzamts bearbeitet wird.

Erfolgt keine Eintragung, heißt dies jedoch nicht zwingend, dass die Fälle automatisch veranlagt werden. Es kommt auf den Einzelfall an.

2. Arbeitnehmer-Sparzulage

Für zulagebegünstigte vermögenswirksame Leistungen setzt das Finanzamt nach Ablauf des Kalenderjahres auf Antrag eine Arbeitnehmer-Sparzulage fest. Dieser Antrag ist mit dem Eintrag einer „1“ in die Zeile 91 des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung zu stellen.

Beachten Sie: Die notwendigen Daten (elektronische Vermögensbildungsbescheinigung) werden von den Anbietern elektronisch an das Finanzamt übermittelt. Die bisherige Anlage VL wird ab 2017 nicht mehr ausgestellt. (BMF-Schreiben vom 16.12.2016, IV C 5 – S 2439/16/10001)

Steuererklärung: Vereine: Steuererklärungen müssen elektronisch abgegeben werden

Vereine, also steuerbefreite Körperschaften, müssen ihre Steuererklärungen ab dem Veranlagungszeitraum 2017 grundsätzlich nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung elektronisch abgeben. Die Abgabe von Steuererklärungen auf Papiervordrucken ist nur noch in bestimmten Härtefällen zulässig.

Auch die einzureichenden Erklärungen haben sich geändert. Es ist je nach Rechtsform eine „Körperschaftsteuererklärung (Vordruck KSt 1)“ in Verbindung mit einer „Anlage Gem“ und gegebenenfalls weiteren Anlagen einzureichen. (Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg)

Verwaltungsrecht: Stillgelegtes Auto durfte nicht sofort abgeschleppt werden

Bevor die Behörde ein stillgelegtes Fahrzeug abschleppen lässt, muss sie erst versuchen, den Eigentümer zu ermitteln und ihn zum Entfernen des Fahrzeugs auffordern.

Diese Klarstellung traf das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen im Fall eines Fahrzeughalters. Der hatte sein zwar noch angemeldetes, aber von Amts wegen stillgelegtes Kraftfahrzeug auf dem Seitenstreifen einer Straße abgestellt. Polizeibeamte hatten daraufhin die Dienstsiegel von den noch vorhandenen Nummernschildern entfernt. Zugleich hatten sie einen Aufkleber mit der Aufforderung angebracht, es binnen einer bestimmten Frist aus dem öffentlichen Straßenraum zu entfernen. Später ließ die Stadt Düsseldorf das Fahrzeug abschleppen und verwahren. Dafür verlangte sie vom Eigentümer rund 175 EUR. Dessen Klage gegen den Gebührenbescheid hatte beim Verwaltungsgericht Erfolg. Das OVG bestätigte die Entscheidung und lehnte das Rechtsmittel der Stadt ab.

Zur Begründung haben die Richter ausgeführt: Die Voraussetzungen für einen Sofortvollzug hätten nicht vorgelegen. Für die Stadt Düsseldorf wäre es möglich und zumutbar gewesen, anhand der noch vorhandenen entstempelten Kennzeichen zunächst den vorrangig verantwortlichen Halter als Adressat einer möglichen Ordnungsverfügung zu ermitteln. Ihn hätten sie erst auffordern müssen, das Fahrzeug zu entfernen. Der damit verbundene Aufwand mache es nicht unzumutbar, das von Gesetzes wegen im Regelfall vorgesehene Verwaltungsverfahren durchzuführen. Der Sofortvollzug sei nur in Ausnahmefällen bei außergewöhnlicher Dringlichkeit zulässig. Hierzu stehe eine Verwaltungspraxis, die pauschal alle Fälle der Beseitigung nicht zugelassener Kraftfahrzeuge im Wege des sofortigen Vollzugs behandle und damit den Ausnahmefall zur Regel mache, im offensichtlichen Widerspruch. Präventive Erwägungen, wie sie die Beklagte im Hinblick auf die negative Vorbildwirkung anführe, begründeten die außergewöhnliche Dringlichkeit ebenso wenig wie die Gefahr von Diebstahl und Vandalismus. Das gelte vor allem, da hier ein Zeitraum von elf Tagen bis zum Abschleppen in Kauf genommen worden sei. Der Behörde stünden auch rechtliche Möglichkeiten offen, das Verfahren zu beschleunigen. Dies war hier durch die Verwaltungspraxis im Zusammenwirken von Polizei und Stadt deutlich in die Länge gezogen worden. Die Stadt habe erst nach Ablauf der von der Polizei auf dem farbigen Aufkleber vermerkten Frist und einer Nachkontrolle durch die Polizei Kenntnis von dem ordnungswidrig abgestellten Fahrzeug erhalten. Dabei sei die letzte Halteranschrift nicht mitgeteilt worden. Es seien aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, dass der Halter des Fahrzeugs seiner Verpflichtung zur Beseitigung nicht nachkommen werde. Dafür spreche auch nicht, dass der den von der Polizei angebrachten Aufkleber nicht befolgt habe. Es stehe nämlich nicht fest, dass er hiervon überhaupt Kenntnis erlangt habe. (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1.12.2017, 5 A 1467/16)

Haftungsrecht: Beim Auffahrunfall ist nicht immer der Auffahrende alleine schuld

Wenn´s hinten kracht, gibt´s vorne Geld.“ Diese Weisheit in Verkehrsunfallsachen hat meist seine Berechtigung. Aber eben nicht immer, weil es auf den Einzelfall ankommt.

Das zeigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg. Dort hatte ein Autofahrer stark abgebremst und war dann in seine Hauseinfahrt eingebogen. Die beiden nachfolgenden Fahrer konnten noch gerade rechtzeitig abbremsen. Das gelang dem dritten nachfolgenden Fahrer nicht. Er fuhr auf das vorausfahrende Auto auf.

Die Richter am OLG werteten die Verschuldensanteile mit 2/3 aufseiten des Auffahrenden und 1/3 auf Seiten des Abbremsers. Zwar spreche der erste Anschein gegen den Auffahrenden. Man müsse immer damit rechnen, dass ein vorausfahrendes Auto abrupt anhalte, zum Beispiel, weil ein Kind auf die Fahrbahn laufe. Den beiden vorausfahrenden Autos sei es schließlich auch gelungen, noch rechtzeitig abzubremsen.

Vorliegend treffe aber auch den Abbremser ein erhebliches Mitverschulden. Die Zeugen hätten berichtet, dass er eine „Vollbremsung aus dem Nichts“ gemacht und dazu noch nicht einmal geblinkt habe. Hintergrund war wohl, dass sich der Fahrer durch einen Überholversuch seines Hintermannes provoziert gefühlt und diesen durch das plötzliche Abbremsen habe maßregeln wollen, so der Senat. Bei einem solchen Verhalten müsse er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen. Dieses bewertete der Senat im konkreten Fall mit 1/3. (OLG Oldenburg, Urteil vom 26.10.2017, 1 U 60/17)