Sozialrecht: Schulbücher vom Jobcenter – SGB II muss verfassungskonform ausgelegt werden

Das Jobcenter muss Kosten für Schulbücher als Mehrbedarfsleistungen übernehmen.

So entschied es das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) im Fall einer Schülerin der gymnasialen Oberstufe. Die Schülerin bezog Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II („Hartz IV“). Sie hatte Kosten für die Anschaffung von Schulbüchern (135,65 EUR) – die von der Schule nicht im Rahmen der Lernmittelfreiheit leihweise zur Verfügung gestellten werden – und eines grafikfähigen Taschenrechners (76,94 EUR). Diese Kosten begehrte sie vom Jobcenter als Zusatzleistungen zum Regelbedarf. Das Jobcenter bewilligte mit dem sog. Schulbedarfspaket insgesamt 100 EUR pro Schuljahr. Zur Begründung hieß es, dass die Norm des § 28 Abs. 3 SGB II als Pauschale ausgestaltet sei. Für eine konkrete Bedarfsermittlung fehle eine Rechtsgrundlage.

Das LSG hat die Schulbuchkosten als Mehrbedarfsleistungen anerkannt. Bücher würden nach der Gesetzesbegründung nicht von der Schulbedarfspauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II umfasst. Sie müssten grundsätzlich aus dem Regelbedarf bestritten werden. Da dieser jedoch nur Kosten für Bücher jeglicher Art von ca. 3 EUR/Monat vorsehe, seien hierdurch nur weniger als ein Drittel der notwendigen Schulbuchkosten gedeckt. Hierfür seien auch ansonsten im SGB II keine auskömmlichen Leistungen vorgesehen. Dies sei eine planwidrige Regelungslücke, weil der Gesetzgeber das gesamte menschenwürdige Existenzminimum einschließlich der Kosten des Schulbesuchs sicherstellen müsse. Diese Lücke sei für Einmalbedarfe wie Schulbücher über eine verfassungskonforme Auslegung zu schließen, auch wenn das Gesetz nach seinem Wortlaut nur laufende Bedarfe betrifft.

Demgegenüber seien die Kosten für grafikfähige Taschenrechner von der Schulbedarfspauschale abgedeckt. Eine evidente Unterdeckung ergebe sich selbst nicht bei einer einmaligen Bedarfsspitze. Ein solcher Taschenrechner müsse nämlich nicht für jedes Schuljahr erneut angeschafft werden, sodass die Pauschalen insgesamt auskömmlich seien. (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.12.2017, L 11 AS 349/17)