Bundesverwaltungsgericht: Gewicht und Stückzahl sind bei vorverpackten Süßwaren anzugeben

Oft befinden sich in der zum Verkauf bestimmten Verpackung eines Lebensmittels mehrere Einzelpackungen. Auf diesen Verpackungen müssen nach der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) auch dann sowohl das Füllgewicht als auch die Anzahl der enthaltenen Einzelpackungen angegeben werden, wenn es sich bei den Einzelpackungen um kleinteilige Einzelstücke handelt, wie etwa einzeln umwickelte Bonbons. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Zahl der Süßigkeiten in der Verpackung fehlte

Die Klägerin bringt die von ihr hergestellten Bonbons und Schokoladen-Spezialitäten unter anderem in Beuteln in den Verkehr, in denen sich mehrere einzeln mit Bonbonpapier umwickelte oder auf ähnliche Weise umhüllte Stücke befinden. Bei einer amtlichen Kontrolle stellte das Landesamt für Mess- und Eichwesen des beklagten Landes Rheinland-Pfalz fest, dass auf mehreren der auf diese Weise im Handel angebotenen Produkte zwar das Gesamtgewicht der Süßigkeiten angegeben war, nicht hingegen die Zahl der enthaltenen Stücke. Es bemängelte das Fehlen der Angabe und leitete gegen einen Mitarbeiter der Klägerin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein.

Die Klägerin wandte sich daraufhin an das Verwaltungsgericht (VG) mit dem Antrag, festzustellen, dass sie nicht gegen die maßgeblichen Regelungen der LMIV verstoße, wenn sie bestimmte Produkte ihres Sortiments ohne Angabe der Zahl der enthaltenen Stücke in den Handel bringe. Die Klage blieb erfolglos; die hiergegen eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück.

Einschlägiges Gesetz eindeutig

Auch die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach dem LMIV sind auf einer Vorverpackung, die aus zwei oder mehr Einzelpackungen besteht, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind, die Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen anzugeben. Die Produkte der Klägerin unterfallen dieser Vorschrift. Für ihre Annahme, die Vorschrift sei auf Vorverpackungen nicht anzuwenden, die kleinere, einzeln verpackte Stücke enthalten, findet sich im maßgeblichen Unionsrecht kein Anhaltspunkt.

Die Pflicht zur Angabe der Anzahl der in der Verpackung enthaltenen Stücke greift nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte der Lebensmittelunternehmer ein. Die Angabe hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen zusätzlichen Informationswert und fördert den durch die LMIV verfolgten Zweck, sie bei ihrer Kaufentscheidung in die Lage zu versetzen, das für ihre Bedürfnisse passende Lebensmittel auszuwählen.

Lebensmittelunternhemer sind nicht über Gebühr belastet

Durch diese Pflicht werden die Lebensmittelunternehmer nicht unangemessen belastet. Insbesondere ist es ihnen auch angesichts produktionsbedingter Schwankungen des Gewichts der Einzelstücke möglich, Gesamtgewicht und Stückzahl so anzugeben, dass sie nicht gegen die Vorschriften über die maximal zulässigen Füllmengenabweichungen verstoßen.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 9.3.2023, 3 C 15.21, PM 19/23

„Untreuer Gesellschafter“: Einkünftezurechnung bei unrechtmäßigem Betriebsausgabenabzug

Grundsätzlich ergibt sich der für die Verteilung der Einkünfte relevante Gewinnverteilungsschlüssel einer Mitunternehmerschaft entweder aus dem Gesetz oder aus den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen. Bisher war strittig, wie mit der Zurechnung von Mehrgewinnen umzugehen ist, die durch einen Gesellschafter aufgrund einer unberechtigten Entnahme entstanden sind („untreuer Gesellschafter“). Mit einem solchen Sachverhalt hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) jüngst befasst.

Das war geschehen

An der AB-GbR (Ingenieurbüro) waren A und B hälftig beteiligt. Der Gewinn wurde durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt. B hatte eine Vielzahl privater Aufwendungen (insgesamt 14.500 Euro) ohne Zustimmung des A aus Gesellschaftsmitteln beglichen (u.a. Reisen und Erwerb privater Gegenstände). Daher kündigte A das Gesellschaftsverhältnis fristlos und schied aus der GbR aus. Sein Anteil wuchs B zu, der das Ingenieurbüro als Einzelunternehmer fortführte.

Nach Überprüfung der Gewinnermittlung sah das Finanzamt den Betrag von 14.500 Euro als nicht betrieblich veranlasst an und erhöhte den Gesamtgewinn der GbR auf 69.000 Euro. Den Mehrgewinn rechnete das Finanzamt den Gesellschaftern A und B jeweils hälftig zu.

Mit privaten Aufwendungen war ein Gesellschafter nicht einverstanden

Gesellschafter A begehrte allerdings, den Mehrgewinn i. H. von 14.500 Euro allein seinem ehemaligen Mitgesellschafter zuzurechnen und nur den restlichen laufenden Gesamthandsgewinn hälftig zu verteilen. Weil das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg die Klage als unbegründet abwies, wandte sich A an den BFG und hier war er schließlich erfolgreich.

Ein Mehrgewinn, der aus der Korrektur nicht betrieblich veranlasster Betriebsausgaben stammt und im laufenden Gesamthandsgewinn enthalten ist, ist bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung abweichend vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, wenn die Aufwendungen ausschließlich einem Mitunternehmer zugutegekommen sind.

Einnahmen-Überschussrechnung vs. Bilanzierung: unterschiedliche Auswirkungen

Bei der Einnahmen-Überschussrechnung ist es unerheblich, ob ein Ersatzanspruch der GbR gegen den untreuen Gesellschafter durchsetzbar und werthaltig ist. Da bei dieser Art der Gewinnermittlung das Zu- und Abflussprinzip gilt, kommt es zu keinem aktivierbaren Ausgleichsanspruch. Ein etwaiger Ersatzanspruch der Gesellschaft ist erst zu berücksichtigen, wenn er erfüllt wird. Demgegenüber ist bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich („Bilanzierung“) zu prüfen, ob ein werthaltiger Ersatzanspruch besteht, der zu aktivieren ist.

Quelle: BFH, Urteil vom 28.9.2022, VIII R 6/19

Markenrechtsstreit: Auf die Kleinschreibung kommt es nicht an: Verwechslungsgefahr bei Werbung für Automarken

Das Landgericht (LG) München I hat in einem Markenstreit zwischen zwei Automobilherstellern zugunsten der Klageseite entschieden und der Beklagten die angegriffene Werbung untersagt. Der beklagte Autokonzern bewirbt auf seiner Internetseite zwei seiner Automobile mit seinem Firmennamen sowie dem Zusatz „es 6“ bzw. „es 8“ und plant die von ihm dergestalt beworbenen Fahrzeuge in Deutschland auf den Markt zu bringen. Der Kläger nutzt die für ihn eingetragenen Marken „S6“ und „S8“.

Besteht Verwechslungsgefahr?

Der Kläger wandte sich mit seiner Klage auf Unterlassung, Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung des Schadenersatzes mit dem Argument, dass bezüglich der für ihn eingetragenen Marken Verwechslungsgefahr bestehe. Das LG bejahte dies.

Das LG ging davon aus, dass der in der Werbung zu sehende Firmenname für die Bewertung der Verwechselungsgefahr rechtlich außer Betracht bleiben muss. Denn es handle sich bei dem angegriffenen Zeichen erkennbar um eine Kfz-Typenbezeichnung. Es gebe im Automobilbereich die Gepflogenheit, Typenbezeichnungen als eigenständige Marken im Sinne von Zweitmarken anzusehen. Es gelte dann der Grundsatz, dass Marken als Ganzes zu vergleichen seien.

„E“ für „Elektro…“ ist keine Unterscheidung

Zwar weiche die angegriffene Gestaltung des beklagten Unternehmens durch den zusätzlichen Buchstaben „E“ im Zeichen der Beklagten schriftbildlich und klanglich merkbar von der klägerischen Marke „S 6“ und „S 8“ ab. Der zusätzliche Buchstabe „E“ sichere jedoch vorliegend keine hinreichende Unterscheidungskraft. Beide Marken würden zumindest in klanglicher Hinsicht gedanklich in Verbindung gebracht, was unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagemarke und bestehenden Warenidentität zu einer mittelbaren Verwechslungsgefahr führe.

Landgericht: Verwechslungsgefahr bestätigt

Der Buchstabe „E“ in Verbindung mit einem Produkt sei nämlich aktuell als Abkürzung für „Elektro“/ „elektronisch“ quasi allgegenwärtig. Der Buchstabengebrauch betreffe sämtliche Lebensbereiche (z. B. als E-Akte das Gericht), insbesondere aber auch den Automobilbereich. Die Bedeutung bzw. der Ausbau der sogenannten „E-Mobilität“ sei ein wichtiges Gesellschaftsthema. Dementsprechend werde ein Kraftfahrzeug, das über einen Elektromotor verfüge, nicht nur als Elektroauto, sondern auch sehr häufig kurz als „E-Auto“ bezeichnet. Es sei deshalb zu erwarten, dass ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise das „E“ in dem angegriffenen Zeichen und damit den einzigen Unterschied zwischen den beiden Zeichen auch hier als in diesem Sinne beschreibend verstehe und darin lediglich einen Hinweis auf den Motortyp des Fahrzeugs sehe. Es bestehe die Gefahr, dass Verbraucher annehmen, der „ES 6“ sei der „S 6“ in der Elektroversion, die beiden Fahrzeuge seien vom selben Hersteller. Es gebe damit eine über die reine Assoziation hinausgehende Gefahr einer Verwechselung.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: LG München I, Urteil vom 19.1.2023, 1 HK O 13543/21, PM 1/23

Freiberufler und Gewerbetreibende: Corona-Hilfen sind nicht ermäßigt zu besteuern

Nach einer aktuellen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster sind die im Jahr 2020 gezahlten Corona-Hilfen keine außerordentlichen Einkünfte, die in der Einkommensteuer nur ermäßigt zu besteuern wären.

Ein Steuerpflichtiger führte als Einzelunternehmer einen Gewerbebetrieb, der eine Gaststätte und ein Hotel umfasste. Im Streitjahr 2020 war er von zeitweisen betrieblichen Einschränkungen und Schließungen aufgrund der Coronaschutzverordnungen des Landes NRW betroffen. Ihm wurden pandemiebedingte Soforthilfen, Überbrückungshilfen und vergleichbare Zuschüsse i. H. von 64.254 Euro gewährt.

Das Finanzamt unterwarf die erhaltenen Corona-Hilfen der tariflichen („normalen“) Einkommensteuer, was das FG Münster nun bestätigte.

Für das FG Münster kam eine ermäßigte Besteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (§ 34 Abs. 1 EstG) nicht in Betracht. Die Begründung: Es liegen keine außerordentlichen Einkünfte vor, da es an einer Zusammenballung der Einkünfte fehlt.

Das FG Münster hat die Revision gegen die Entscheidung nicht zugelassen.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 26.4.2023, 13 K 425/22 E

Sparkassen-Prämiensparverträge: Lang erwartetes Urteil zur Zinsanpassung

Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hat in einem Musterfeststellungsverfahren eines Verbraucherschutzverbandes gegen eine Sparkasse entschieden: Sparkassen sind verpflichtet, die Zinsanpassung für Sparverträge auf der Grundlage der Zinsreihe der Deutschen Bundesbank für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 8 bis 15-jähriger Restlaufzeit vorzunehmen.

Der klagende Verbraucherschutzverband hat die Feststellung der Voraussetzungen für die Zinsberechnung bei Prämiensparverträgen der beklagten Sparkasse begehrt, die ab dem Jahr 1993 bis Anfang 2006 ausgereicht und spätestens im Jahr 2018 beendet waren. Das OLG hat nach Einholen eines Sachverständigengutachtens festgestellt, dass die Zinsberechnung anhand der im Urteilsausspruch bezeichneten Zinsreihe aus den von der Bundesbank veröffentlichten Zinssätzen vorzunehmen ist.

Bei dieser Zinsanpassung muss der relative Zinsabstand monatlich und ohne Berücksichtigung einer Zinsschwelle gewahrt bleiben. Außerdem sagt das OLG: Der vertragliche Anspruch von Kunden der im Musterverstellungsverfahren beklagten Sparkasse, die Verbraucher sind, entsteht hinsichtlich des Guthabens und der Zinsen aus den streitgegenständlichen Prämiensparverträgen frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrags.

Quelle: OLG Naumburg, Urteil vom 9.2.2023, 5 MK 1/20, PM 2/23

Wettbewerbsverstoß: Wettbewerbsrechtliche Haftung für Affiliate-Partner

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der Betreiber eines Affiliate-Programms, also eines Partnerprogramms, das eine Schnittstelle zwischen Verkäufer- und Websitebetreiber herstellt, haftet nicht für die irreführende Werbung eines Affiliate-Partners, wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig geworden ist und es deshalb an einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betreibers des Affiliate-Programms fehlt.

Das war geschehen

Die Klägerin ist eine Matratzenherstellerin. Die Beklagten sind Gesellschaften der Amazon-Gruppe und in unterschiedlichen Funktionen am Betrieb der Online-Verkaufsplattform „Amazon“ beteiligt. Im Rahmen des von der Beklagten betriebenen Amazon-Partnerprogramms steht es Dritten, sogenannten Affiliates, frei, auf der eigenen Website Links auf Angebote der Verkaufsplattform zu setzen. Wird dadurch ein Verkauf vermittelt, erhält der Affiliate als Provision einen prozentualen Anteil vom Kaufpreis. Im Jahr 2019 warb ein Affiliate auf seiner Website, die sich im weitesten Sinne mit den Themen Schlaf und Matratzen befasste und zumindest optisch einem redaktionellen Online-Magazin entsprach, u. a. für Matratzen unter Verwendung von Links auf entsprechende Angebote auf der Verkaufsplattform. Die Klägerin hält die Werbung des Affiliates für irreführend und hat die Beklagten, denen der Wettbewerbsverstoß ihres Affiliates zuzurechnen sei, auf Unterlassung verklagt.

So sahen es die gerichtlichen Instanzen

Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) hatte die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die beanstandete Werbung sei zwar irreführend und daher wettbewerbswidrig. Die Beklagten hafteten für diesen Wettbewerbsverstoß des Affiliates aber nicht als Täter oder Teilnehmer. Auch die Voraussetzungen einer Haftung des Unternehmensinhabers lägen nicht vor.

Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sog. „innere Grund“ für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber. Unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Amazon-Partnerprogramms sowie der beanstandeten Website des Affiliates fehlte es an einer solchen Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten und damit am „inneren Grund“ der Zurechnung.

Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen hier eine Internetseite mit redaktionell gestalteten Beiträgen zu den Themen Schlaf und Matratzen , deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren.

Beklagte hatte eigenen Geschäftsbetrieb nicht erweitert

Es fehlt im Streitfall auch an der für eine Haftung erforderlichen Beherrschung des Risikobereichs durch die Beklagte. Der Affiliate wird bei der Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags beziehungsweise der mit Amazon geschlossenen Vereinbarung tätig, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts und allein im eigenen Namen und im eigenen Interesse. Die Beklagte musste sich einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auch nicht sichern, weil sie mit dem Produkt des Affiliates ihren Geschäftsbetrieb nicht erweitert hat.

Quelle: BGH, Urteil vom 26.1.2023, I ZR 27/22, PM 18/23 vom 26.1.2023

Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften: Keine Verrechnung vororganschaftlicher Verluste im Organkreis

Während des Bestehens der Organschaft können laufende Verluste der Organgesellschaft nicht zu einem Verlustvortrag auf Ebene der Organgesellschaft führen. Ebenso können vorvertragliche Verluste der Organgesellschaft nicht auf den Organträger übertragen werden und somit in den Organkreis einfließen. Demzufolge bleiben vororganschaftliche Verluste der Organgesellschaft während des Organschaftsverhältnisses ungenutzt. So lautet die Sichtweise des Bundesfinanzministeriums (BMF).

Beachten Sie: Verpflichtet sich eine Organgesellschaft durch einen Gewinnabführungsvertrag, ihren Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen (Organträger) abzuführen, ist das Einkommen der Organgesellschaft unter gewissen Voraussetzungen dem Organträger zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz). Der Gewinnabführungsvertrag muss auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden.

Mit dem aktuellen Schreiben nimmt das BMF zu einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus 2021 Stellung. Dieser hatte in seiner Begründung ausgeführt, dass eine Umwandlung auch zu einem Wert oberhalb des Buchwerts und bis zum gemeinen Wert vorgenommen werden könnte, um so bei der Organgesellschaft bestehende vororganschaftliche Verluste zu nutzen.

Quelle: BMF-Schreiben vom 10.2.2023, IV C 2 – S 2770/19/10006 :008

Urheberschutz: Musik im Verkaufsraum eines Pizzalieferservices verletzt keine Urheberrechte

Das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Lieferservicebetreiber schuldet den Urhebern keinen Schadenersatz wegen Abspielens von Musik im Verkaufsraum.

Das war geschehen

Die Klägerin nahm den Beklagten anlässlich einer vermeintlich öffentlichen Wiedergabe auf Schadenersatz wegen widerrechtlicher Nutzung urheberrechtlich geschützter Musikwerke in Anspruch. Vorausgegangen waren drei Besuche eines Außendienstmitarbeiters der Klägerin in der vom Beklagten betriebenen Pizzeria. Dabei sei jeweils ein Fernseher mit angestelltem Ton gelaufen.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Nach Würdigung des AG habe in dem konkreten Fall keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtsgesetzes stattgefunden. Eine solche setze zum einen voraus, dass viele Personen beschallt werden, wenn auch nicht notwendig gleichzeitig. Auch dürfe es sich nicht bloß um einen abgegrenzten Kreis von untereinander persönlich verbundenen Personen handeln.

TV-Gerät beim Lieferdienst: keine Öffentlichkeit

Bereits hieran fehle es: Der Beklagte betreibe in erster Linie einen Lieferdienst, bei dem die Kunden telefonisch ordern und das Geschäft überwiegend nicht betreten. Die Anzahl der Selbstabholer beschränke sich auf ca. 10 Personen pro Tag. Darüber hinaus im Geschäft anwesende Mitarbeiter und Familienangehörige des Beklagten stellten keine Öffentlichkeit dar. Zum anderen setze eine öffentliche Wiedergabe voraus, dass sich der Nutzer (hier der Beklagte) gezielt an das Publikum wendet. Das Publikum müsse außerdem für die Wiedergabe bereit sein und nicht bloß zufällig erreicht werden. Auch diese Voraussetzung hat das AG verneint.

Publikum wird nur nebenbei beschallt

Wichtig: Die Selbstabholer werden vergleichbar den Wartenden in einer Zahnarztpraxis ohne ihr Wollen und ohne Rücksicht auf ihre Aufnahmebereitschaft zwangsläufig von der Hintergrundmusik erreicht, während sie auf ihre Pizza warten.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: AG Frankfurt am Main, Urteil vom 9.12.2022, 32 C 1565/22 (90), PM vom 31.1.2023

Handelsregister: Geschäftsführer müssen die Einsehbarkeit ihrer Daten hinnehmen

Das Handelsregister soll allen Interessierten die Möglichkeit geben, sich über die Verhältnisse einer (Handels-)Gesellschaft zu informieren. Zu diesem Zweck sieht die Handelsregisterverordnung (§ 43 HRV) u. a. vor, dass neben dem Namen eines Geschäftsführers auch dessen Geburtsdatum und Wohnort in das Register aufzunehmen sind. Hiergegen wandte sich der Geschäftsführer einer GmbH, der um seine Sicherheit fürchtete: Da er beruflich mit Sprengstoff umgehe, sah er die Gefahr, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat nun entschieden, dass der Geschäftsführer die Veröffentlichung dieser Daten hinnehmen muss.

Funktionsfähige und verlässliche öffentliche Register sind für die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs unerlässlich. Geschäftspartner sollen sich zuverlässig informieren können, so das OLG. Auch datenschutzrechtliche Widerspruchsrechte gegen die Aufnahme der Daten bestehen nicht.

Das OLG hat offengelassen, ob eine Löschung der Angaben bei einer tatsächlichen erheblichen Gefährdung eines Geschäftsführers in Betracht komme. Im vorliegenden Verfahren hatte der Geschäftsführer eine solche Gefährdung aber nicht näher konkretisiert. Zudem ist in dem Register ohnehin keine genaue Anschrift, sondern nur der Wohnort angegeben. Gegen den Beschluss wurde Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt.

Quelle: OLG Celle, Beschluss vom 24.2.2023, 9 W 16/23, Rechtsbeschwerde beim BGH, II ZB 7/23; OLG Celle, PM vom 16.3.2023 „Persönliche Daten im Handelsregister“

Freiberufler und Gewerbetreibende: Steuermindernde Rückstellung für Altersfreizeit

Betriebe, die ihren Mitarbeitern zusätzliche freie Arbeitstage in Form von Altersfreizeit (nicht Altersteilzeit) gewähren, können hierfür eine steuermindernde Rückstellung bilden. Gegen diese Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Köln ist aber bereits die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Nach dem Manteltarifvertrag stand den Arbeitnehmern zusätzliche bezahlte Freizeit von zwei Arbeitstagen je vollem Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit zu, soweit sie dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen zugehörig waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten.

Bei einer Betriebsprüfung lehnte das Finanzamt die hierfür gebildete (steuermindernde) Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ab, da die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Insbesondere hätten die Arbeitnehmer keine Mehrleistungen erbracht, die der Betrieb zu bezahlen hätte. Das FG Köln sah das aber anders.

Hintergrund: Nach dem Handelsgesetzbuch (§ 249 Abs. 1HGB) sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Es muss also eine Verbindlichkeit vorliegen, die dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewiss ist. Dies ist der Fall, wenn eine Verbindlichkeit dem Grunde nach besteht oder mit Wahrscheinlichkeit entstehen wird und hinsichtlich der Höhe dieser Verbindlichkeit Ungewissheit besteht. Die Inanspruchnahme aus der Verbindlichkeit muss wahrscheinlich sein.

Das FG Köln stellte in seiner Entscheidung u. a. Folgendes heraus: Der Betrieb hatte die Gewährung weiterer freier Arbeitstage verbindlich zugesagt. Die Beschäftigten traten mit ihrer Arbeitskraft in Vorleistung. Die entsprechende Gegenleistung wird von dem Unternehmen demgegenüber erst in der Zukunft erbracht.

Damit ist die Verpflichtung des Betriebs zur Gewährung zusätzlicher freier Arbeitstage bereits vor dem Eintritt in die Arbeitsfreistellung entstanden und wirtschaftlich verursacht worden. Dem steht, so das FG Köln, nicht entgegen, dass die Zusage an die vergangene Dienstzeit und an die zukünftige Betriebstreue der einzelnen Beschäftigten gebunden ist.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Finanzverwaltung hat der BFH die Revision zugelassen, sodass es bald eine höchstrichterliche Entscheidung geben wird.

Quelle: FG Köln, Urteil vom 10.11.2021, 12 K 2486/20, Rev. BFH, IV R 22/22