Parkverstoß: Kosten eines nicht beendeten Abschleppvorgangs

Das Verwaltungsgericht (VG) München hat sich mit den Kosten eines abgebrochenen Abschleppvorgangs befasst. Der Betroffene hatte seinen Pkw auf einem für Behinderte vorgesehenen Parkplatz abgestellt. Zum Abschleppen war es aber nicht mehr gekommen, weil der Betroffene den Parkplatz noch rechtzeitig frei gemacht hatte.

Das VG München bejaht eine Prüfpflicht des betroffenen Verkehrsteilnehmers. Dem Verkehrsteilnehmer im ruhenden Verkehr ist es danach zuzumuten, sich nach etwa vorhandenen Verkehrszeichen sorgfältig umzusehen und eingehend zu prüfen, ob er sein Fahrzeug an der von ihm gewählten Stelle abstellen darf. Das hatte der Betroffene hier versäumt. Er musste die im Zusammenhang mit den Abschleppkosten entstandenen Gebühren und Auslagen zahlen.

Quelle: VG München, Urteil vom 13.3.2023, M 23 K 21.5332

Verkehrsunfall: „Achtung Vorfahrt!“ beim Einbiegen vom Feldweg in eine Landstraße

Ein Autofahrer, der von einem Feldweg in eine Landstraße einbiegen will, muss die Vorfahrt des Verkehrs auf der Landstraße achten. Aber auch die Radfahrer auf einem parallel zur Landstraße verlaufenden Radweg, den der Autofahrer überqueren muss, haben Vorfahrt. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal jetzt klargestellt und die Klage einer Autofahrerin gegen einen Radfahrer abgewiesen.

Das war geschehen

Hintergrund war ein Verkehrsunfall. Eine Frau wollte mit ihrem Pkw aus einem Feldweg in die Landstraße einbiegen. Als sie dabei den parallel zur Landstraße verlaufenden Radweg überquerte, stieß sie mit einem von links kommenden Radfahrer zusammen. Die Frau war der Ansicht, der Radfahrer hätte ihr die Vorfahrt genommen und sei schuld an dem Unfall. Sie verklagte ihn und wollte von ihm die Schäden an ihrem Pkw ersetzt bekommen.

Radweg war eindeutig erkennbar…

Dies sah das LG anders. Da der parallel zur Landstraße verlaufende und somit „fahrbahnbegleitende“ Radweg insoweit zur Landstraße gehöre, nehme dieser Radweg auch an dessen Vorfahrtsrecht teil. Entgegen der Ansicht der Pkw-Fahrerin sei die Zugehörigkeit des Radwegs zu der Landstraße durch dessen Beschaffenheit und seinem Verlauf klar erkennbar und eindeutig.

…unabhängig davon, dass er weggeleitet wurde

Unerheblich sei es, dass er durch eine schmale bewachsene Fläche von der Straße getrennt sei. Auch wenn der Radweg in einiger Entfernung von der Landstraße weggeleitet würde, rechtfertige dies keine andere Beurteilung. Es komme nur auf die örtlichen Verhältnisse am Unfallort an.

Das Urteil ist rechtskräftig. Das LG hat hier als Berufungsgericht entschieden und die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts (AG) vollumfänglich bestätigt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle: LG Frankenthal, Urteil vom 24.3.2023, 2 S 94/22, PM vom 28.4.2023

Schadensregulierung: Wenn der Versicherer einen gestellten Unfall vermutet

Viele Unfälle sind fingiert die Versicherungswirtschaft geht davon aus, dass es sogar jeder siebte Unfall ist. „Opfer“ und Täter kennen sich und verabreden sich zu einem „Unfall“ an einem abgelegenen Ort. Damit der Schaden bei der Versicherung geltend gemacht werden kann, holen sie die Polizei, um der Angelegenheit einen offiziellen Charakter zu geben. Oft ist das Schädigerfahrzeug deutlich größer und schwerer als das des „Opfers“, damit einerseits schon eine leichte Berührung bei niedriger Geschwindigkeit einen deutlichen Schaden hervorruft und andererseits so niemand verletzt wird. Oft sieht es aber auch nur nach einem fingierten Unfall aus so wie in einem aktuellen Fall des Landgerichts (LG) Stuttgart.

Wirtschaftlicher Totalschaden

Auf dem Parkplatz einer Kleingartenanlage hatte ein SUV-Fahrer beim Rangieren nicht aufpasst und ein älteres Fahrzeug eines Kleingartenkollegen so „erwischt“, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden vorlag.

Versicherer muss Manipulation beweisen

Das LG Stuttgart: Der Versicherer muss die behauptete Unfallmanipulation beweisen. Es hob hervor, dass jedes vom Versicherer vorgetragene Merkmal auch eine sinnvolle andere Erklärung haben konnte.

Warum fuhr der Schädiger? Unfall am hellen Tag

Für den konkreten Fall bedeutete dies: Der Kleingarten war einerseits nur 850 Meter vom Wohnort entfernt. Warum ist der Kläger also dorthin gefahren, statt zu laufen? Andererseits: Viele Menschen benutzen sogar für kürzere Strecken ihr Auto.

Ein weiteres Indiz, das gegen einen fingierten Unfall sprach: Der Unfall ereignete sich am hellen Tag. Die Parteien handelten also nicht im Verborgenen. Neutrale Zeugen hätten das Unfallgeschehen jederzeit beobachten können. Außerdem fehlen bei vielen Unfällen neutrale Zeugen sehr zum Leidwesen der Beteiligten.

Polizei herbeigerufen: kein Indiz für einen fingierten Unfall

Weil der SUV ein Leasingfahrzeug war, musste dessen Fahrer sogar die Polizei rufen. Er war hierzu vertraglich verpflichtet.

Größe und Gewicht des Autos

Ein beinahe 5 Meter langer und über 2 Tonnen schwerer SUV ist ein beliebtes Kfz-Modell, keine Rarität. Ein solches Auto führt aber bei hier vorliegenden beengten Verhältnissen auf einem Parkplatz zu Rangierfehler-Risiken. Diese hatten sich realisiert.

Für den Geschädigten heißt es hier „Ende gut, alles gut“

Am Ende musste der Versicherer zahlen. Die Einwände des Versicherers prallten am Gericht ab.

Quelle: LG Stuttgart, Urteil vom 12.9.2022, 16 O 35/22

Nutzungsausfallentschädigung: Oldtimer: Zwingend erforderlich für die eigenwirtschaftliche Lebensführung?

Voraussetzung für die Zuerkennung von Nutzungsausfallentschädigung ist, dass es sich um einen Gegenstand für die eigenwirtschaftliche Lebensführung handelt. Oldtimerfahrzeuge sind aber in der Regel Liebhaberstücke und weisen das grundsätzliche Gepräge von nicht für die eigenwirtschaftliche Lebensführung zwingend notwendigen Gegenständen auf. Das kann im Einzelfall anders sein, nämlich wenn der Geschädigte das historische Fahrzeug als Alltagsfahrzeug nutzt. Das muss der Geschädigte allerdings darlegen und ggf. beweisen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle.

Subjektive Annehmlichkeiten allein rechtfertigen keinen Nutzungsausfallersatz, der sich als wirtschaftliche Einbuße an objektiven Maßstäben orientieren muss. Andernfalls bestünde die Gefahr, unter Verletzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 253 BGB) die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden auszudehnen.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 1.3.2023, 14 U 149/22

Schadenersatz: Kein Abzug „neu für alt“ bei Brillengläsern

Müssen bei einem Verkehrsunfall beschädigte Brillengläser durch neue ersetzt werden, ist kein Raum für einen Abzug „neu für alt“. Zwar kann es zutreffen, dass Brillengläser eine gewisse Lebensdauer haben. Dass durch die neuen Gläser allerdings eine spürbare Vermögensmehrung eingetreten ist, kann dennoch nicht angenommen werden. So sieht es das Amtsgericht (AG) Schwandorf.

Das Argument des AG: Brillengläser werden üblicherweise an das jeweilige Brillengestell angepasst. Auch der Augenabstand wird an den Träger der Brille angepasst. Die Brillengläser können daher schon nicht ohne Weiteres weiterverwendet oder gar weiterverkauft werden, wenn der Brillenträger sich irgendwann für ein neues Gestell entscheidet.

Quelle: AG Schwandorf, Urteil vom 19.4.2023, 2 C 263/22

Geschwindigkeitsverstöße: Fahrtenbuchauflage kann es auch für den gesamten Fuhrpark geben

Im Fall mehrerer Geschwindigkeitsverstöße von erheblichem Gewicht kann sich die Fahrtenbuchauflage auf den gesamten Fuhrpark eines Halters erstrecken. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarland entschieden.

Das OVG hat darauf abgestellt, dass die Geschäftsführung der Halterin für keine der der Anordnung der Fahrtenbuchauflage zugrunde gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen die Fahrer bzw. die als Fahrer jedenfalls in Betracht kommenden Mitarbeiter namentlich benannt hat. Dabei waren die Fotos durchweg sehr deutlich.

Das lässt erkennen, dass für die mangelnde Mitwirkung nicht ein etwaig wechselnder Benutzerkreis ausschlaggebend war und eine daraus resultierende Schwierigkeit, den Fahrzeugführer zum Tatzeitpunkt zu ermitteln. Erkennbar ist vielmehr die bereits im Grundsatz fehlende Bereitschaft der Halterin, ihrer Obliegenheit, an der Aufklärung der mit ihren Fahrzeugen begangenen Verkehrsverstöße so weit mitzuwirken, wie ihr das möglich und zumutbar ist.

Quelle: OVG, Beschluss vom 19.4.2023, 1 B 25/23

Verfolgungsfahrt: Flüchtender Autofahrer haftet auch für beschädigten Streifenwagen

Kommt es bei einer Verfolgungsfahrt mit einem Polizeifahrzeug zu einem Unfall, haftet der verfolgte Autofahrer auch für einen am Polizeiauto entstandenen Schaden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Fahrweise des Polizeifahrzeugs nicht völlig unangemessen war und sich die Beamten nicht in eine übermäßige Gefahr begeben haben. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Urteil klargestellt. Der Autofahrer wurde zu Schadenersatz in Höhe von rund 15.000 Euro verurteilt.

Verfolgungsjagd führte zu Schäden am Polizeiauto

Der Autofahrer entzog sich einer Verkehrskontrolle und fuhr mit hoher Geschwindigkeit davon. Daraufhin wurde er von einem Streifenwagen verfolgt. Die Verfolgungsjagd führte von der Autobahn über eine Bundesstraße schließlich auf eine Kreisstraße. Nachdem es dem Flüchtenden kurzzeitig gelungen war, außer Sichtweite der Verfolger zu kommen, fuhr er plötzlich von der Kreisstraße ab, durchbrach eine Leitplanke und kam auf einem Parkplatz zum Stehen. Die Polizeibeamten erkannten jedoch das stehende Fahrzeug und bremsten ebenfalls unvermittelt ab, um den Mann zu stellen und eine weitere Flucht zu Fuß zu verhindern. Dabei geriet der Streifenwagen ins Schlingern und schlug ebenfalls gegen die Leitplanke. Den dadurch entstandenen Schaden an dem Polizeifahrzeug wollte das Land Rheinland-Pfalz von dem Mann ersetzt bekommen.

Schaden wird Autofahrer zugerechnet

Das LG gab der Klage des Landes vollumfänglich statt. Der Schaden an dem Streifenwagen sei dem Fluchtverhalten des Mannes und damit dem Betrieb des Fluchtfahrzeugs zuzurechnen. Die Grenze der Zurechnung läge erst dort, wo sich die Verfolger in gänzlich unangemessener Weise einer Gefahr aussetzten. Hier seien aber sowohl die Verfolgung als auch das harte Bremsmanöver geboten gewesen, nachdem der Flüchtende auf dem Parkplatz entdeckt worden war. Der Polizeibeamte habe deshalb beim Bremsen ein gewisses Risiko eingehen dürfen, um das Ziel zu erreichen, den Flüchtenden zu ergreifen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist Berufung zum Pfälzischen Oberlandesgericht (OLG) in Zweibrücken eingelegt worden.

Quelle: Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.5.2023, 1 O 50/22, PM vom 22.6.2023

Verspätetes Handeln: Fahrtenbuchanordnung auch ohne Einblick in die Rohmessdaten?

Wendet sich der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren, kann er sich nicht mit Erfolg auf die teilweise Verweigerung des Zugangs zu Rohmessdaten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um diesen Zugang zu erhalten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nun entschieden.

Zu schnell gefahren, Fahrer unbekannt, Fahrtenbuchauflage angeordnet

Der Kläger, gegen den die Anordnung ergangen war, ein Fahrtenbuch zu führen, begehrte im Nachhinein festzustellen, dass die Anordnung rechtswidrig war. Im Dezember 2018 wurde auf der Bundesautobahn A 8 mit einem mobilen Lasermessgerät des Typs VITRONIC Poliscan FM 1 gemessen, dass mit dem auf den Kläger zugelassenen Pkw die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 41 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten wurde. Der Fahrer des Fahrzeugs konnte nicht festgestellt werden. Daraufhin gab der Beklagte dem Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs auf, für die Dauer von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Der Kläger kam der Anordnung nach.

Antrag des Klägers zu spät?

Seine nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Anordnung festzustellen, hat er damit begründet, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht verwertbar sei, da das Messgerät keine Rohmessdaten speichere. Das Verwaltungsgericht (VG) hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) festgestellt, dass das Messgerät die Rohmessdaten gespeichert hatte. Der Kläger hat daraufhin geltend gemacht, diese Daten würden ihm von der Bußgeldstelle nicht vollständig zur Verfügung gestellt, obwohl das für eine effektive Rechtsverfolgung erforderlich sei. Das OVG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Behörden und Gerichte dürften auch bei der Entscheidung über eine Fahrtenbuchanordnung die Ergebnisse standardisierter Messverfahren zugrunde legen, solange der Betroffene keine substanziierten Einwände gegen die Richtigkeit der Messung erhebe.

Recht auf faires Verfahren

Um dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, die Richtigkeit der Messung zu überprüfen, gebiete das Recht auf ein faires Verfahren, ihm Zugang zu Rohmessdaten zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müsse der Betroffene diesen Zugang aber rechtzeitig beantragt haben. Das sei hier nicht geschehen. Der Kläger habe seinen Antrag auf Zugang bei der Bußgeldstelle erst gestellt, als die Geltungsdauer der Fahrtenbuchanordnung bereits abgelaufen gewesen sei.

Keine konkreten Anhaltspunkte für einen Messfehler

Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) setzt eine Fahrtenbuchanordnung u.a. eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften voraus. Mit seinem Einwand, die Geschwindigkeitsmessung sei nicht verwertbar, da ihm nicht auch die Rohmessdaten Dritter zur Überprüfung der Messung zur Verfügung gestellt worden seien, hatte der Kläger keinen Erfolg. Allerdings stand die Annahme des Berufungsgerichts, der Betroffene müsse den Zugang zu solchen Daten vor Ablauf der Geltungsdauer der Fahrtenbuchanordnung beantragt haben, nicht im Einklang mit Bundesrecht. Eine solche zeitliche Grenze lässt sich den maßgeblichen bundesrechtlichen Regelungen nicht entnehmen.

Kläger hat sich zu wenig bemüht

Doch stellte sich das Berufungsurteil aus anderen Gründen als richtig dar. Konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler hatte der Kläger nicht wie erforderlich gezeigt. Ist bei einer Geschwindigkeitsmessung ein standardisiertes Messverfahren zum Einsatz gekommen, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren zwar ein Anspruch auch des von einer Fahrtenbuchanordnung Betroffenen auf Zugang zu bei der Bußgeldstelle vorhandenen Daten. Es obliegt jedoch ihm, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um seinen Zugangsanspruch geltend zu machen und durchzusetzen. Nur, wenn er das getan hat, kann es ein Gebot des fairen Verfahrens sein, ihm nicht die Möglichkeit zu nehmen, auf der Grundlage der begehrten Informationen konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorzutragen.

Der Kläger hat nicht alles ihm Zumutbare getan, um an die gewünschten Daten zu gelangen. Die Bußgeldstelle hat ihm u.a. die seinen PKW betreffenden Rohmessdaten zur Verfügung gestellt, nicht aber wie beantragt zusätzlich die Rohmessdaten der gesamten Messreihe, also nicht auch die Daten zu anderen Verkehrsteilnehmern und die Statistikdatei. Rechtliche Schritte, um den behaupteten umfassenden Zugangsanspruch gegenüber der Bußgeldstelle durchzusetzen, hat er nicht unternommen.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 2.2.2023, 3 C 14.21, PM 11/23

Rotlichtverstoß: Das kuriose Messfoto

Das Amtsgericht (AG) Dortmund musste jetzt über einen nicht alltäglichen Fall entscheiden. Die „Hauptrolle“ spielte dabei ein Messfoto, das es so gar nicht hätte geben dürfen.

Rotlichtverstoß nach Messende?

Ein Autofahrer sollte einen Rotlichtverstoß begangen haben. Das Messfoto wies diesen so aus, dass er am 8.8.22 um 06:42:29 Uhr begangen worden sein sollte. Nach dem in der Hauptverhandlung verlesenen Messprotokoll war der Beginn der fraglichen Messung jedoch am 5.8.22 um 08:53 Uhr und das Ende der Messung lag am 8.8.22 schon um 06:41 Uhr. Damit war nach den vorliegenden Unterlagen das Messfoto zu einem Zeitpunkt erstellt worden, als sich das Messgerät gar nicht mehr im Einsatz befand.

Freispruch

Das AG sagte daher klipp und klar: Das Messgerät war nicht entsprechend der Bedienungsanleitung eingesetzt worden. Die Messung war nicht plausibel. Entweder war das Messprotokoll fehlerhaft. Oder das Messfoto war falsch oder manipuliert worden. Der Autofahrer konnte sich freuen: Das AG sprach ihn frei.

Quelle: AG Dortmund, Urteil vom 15.12.2022, 729 OWi-261 Js 2262/22 -143/22

Verkehrsvergehen: Aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bei Entzug der Fahrerlaubnis

Das Verwaltungsgericht (VG) Saarland gewährte einem nicht geeigneten Fahranfänger eine Gnadenfrist. Der junge Fahranfänger konsumierte während der Probezeit sog. weiche Drogen und Alkohol. Zudem kam zu „sportliches“ Fahren hinzu. Er verstieß innerhalb kurzer Zeit oft gegen die Verkehrsregeln. Folge: Die Fahrerlaubnisbehörde verlor zuerst die Übersicht und dann die Geduld wurde aber vom VG „ausgebremst“.

Die Fahrerlaubnisbehörde entzog dem jungen Mann die Fahrerlaubnis, obwohl die Zwei-Monats-Frist des Straßenverkehrsgesetzes (hier: § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG) noch nicht abgelaufen war. Sie hatte nämlich fälschlicherweise zur Begründung ihrer Anordnung der sofortigen Fahrerlaubnisentziehung auf eine schwerwiegende Zuwiderhandlung abgestellt, die innerhalb von zwei Monaten begangen wurde (Tattagprinzip). Die wiederholte Nichtbewährung, die eine Maßnahme der dritten Stufe rechtfertigt, liegt aber nur vor, wenn die Zuwiderhandlungen zeitlich nach Ablauf der zweimonatigen Frist zur Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung liegen. Dem Fahranfänger soll die Möglichkeit verbleiben, nach der Verwarnung sein Verkehrsverhalten während einer Übergangsfrist ggf. unter freiwilliger Inanspruchnahme verkehrspsychologischer Hilfe zu überdenken und neu auszurichten, bevor er erneut und letztmalig „unter Bewährung“ steht.

Das VG ordnete daher die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis an. Später sollte die Begründung für die Entziehung zwar ausgewechselt werden. Hier fehlte es dann allerdings an der Anhörung. Letztlich wird dies dem jungen Mann nicht helfen, denn das VG stellte klar, dass selbst im Anschluss an die nachzuholende Anhörung die Fahreignung nicht gegeben sei dem stehe dessen Rauschmittelneigung entgegen.

Quelle: VG Saarland, Beschluss vom 19.8.2022, 5 L 644/22